Blindgänger

Fund in der Recklinghäuser Straße und Räumung der Altstadt 1958

Bombenentschärfung in der Recklinghäuser Straße 19....

Mit 300 Strohballen geschützt – geglückte Bombenentschärfung in der Recklinghäuser Straße 1958

Von Wolf Stegemann – Zwischen 1939 und 1946 sind rund 160.000 Tonnen Bomben aufs Revier gefallen. Wie viele davon Blindgänger sind, kann keiner seriös schätzen. In Dorsten und in der Region sind Entschärfungen von Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg heute immer noch aktuell. Bis 4.000 Anträge auf Luftbildauswertungen gehen beim Kampfmittelbeseitigungsdienst Westfalen-Lippe mit Sitz in Arnsberg ein. Der dortige Regierungspräsident ist zuständig für die Kampfmittelbeseitigung in den Regierungsbezirken Münster, Detmold und Arnsberg.  Die Arbeit der Feuerwerker begann bereits mit Ende des Zweiten Weltkriegs. Nach Angaben der Bezirksregierung wurden beispielsweise im Jahr 2006 in NRW mehr als 40.000 Sprengkörper, darunter 1.077 Bomben und 27.833 Granaten, mit insgesamt rund 52 Tonnen Sprengstoff geräumt. In Nordrhein-Westfalen sind 90 Feuerwerker als Bombenentschärfer beschäftigt. 2013 wurden allein im Regierungsbezirk Münster 44 Bomben mit Gewichten zwischen 50 und 500 Kilogramm geborgen.

Evakuierung der Einwohner aus den Häusern im Radius von 300 Metern

Bombenentschärfung 19.. in der Recklinghäuser Straße

Besprechung der Verantwortlichen

Eine der spektakulärsten Bombenentschärfungen in Dorsten, vielleicht sogar die gefährlichste, sorgte am Dienstag, den 26. August 1958 für große Aufregung in der Innenstadt. Bei Ausschachtungsarbeiten für das Haus Ramin fanden Bauarbeiter in der Recklinghäuser Straße eine im Krieg nicht explodierte Fünf-Zentner-Bombe mit Zeit- und Säurezünder. Der Sprengmeister ordnete eine Evakuierung fast der gesamten Innenstadt an. Im Radius von 300 Metern mussten alle Häuser geräumt werden. Betroffen waren 1.500 Haushalte zwischen der Gaststätte Freitag im Norden und der Tankstelle Lüning im Osten, der Agathaschule im Süden und dem Haus Wolters im Westen. Fenster mussten geöffnet werden und Türen geschlossen bleiben. Mit den notwendigen persönlichen Papieren, mit Hunden, Katzen und Kanarienvögel räumten die Altstädter bis 11.45 Uhr ihre Wohnungen. Für den Abtransport von Kranken standen Krankenwagen zur Verfügung. Im Umkreis von weiteren 200 Metern wurde Luftschutzalarm angeordnet. Die Bewohner dieser Häuser durften sich nur im Keller aufhalten. Auffanglager für die Evakuierten, die nicht bei Freunden oder Verwandten unterkamen, war der Saal der Gaststätte Kleinespel auf der Hardt.

Zum Schutz in der Recklinghäuser Straße rund 300 Strohballen aufgehäuft

Strohballen sollten Schutz bietene

Strohballen sollten Schutz bieten

Von rund 5.000 Bombeneinschlägen während des letzten Krieges in Dorsten, entfielen etwa 3.000 auf die Innenstadt. Frei nach Goethe gesprochen, waren Markt und Gassen nie so verlassen, wie um die Mittagszeit jenes 26. August 1958. Autoverkehr, der damals noch durch die Recklinghäuser Straße führte, wurde durch die Ursulastraße geleitet. 35 Polizeibeamte in Zivil aus Recklinghausen verstärkten die Dorstener Polizei. 300 Ballen Pressstroh wurden um die Fundstelle an der Recklinghäuser Straße angehäuft. Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und Bergungstrupps standen in Bereitschaft. Nach anderthalb Stunden gab Feuerwerker Richard Koch mit drei roten Leuchtraketen Entwarnung. „Um 13.12 Uhr atmete Dorsten auf“, stand anderntags auf der Titelseite der „Ruhr-Nachrichten“. Die Feuerwerker Koch und Skroplies mussten nach der Entwarnung viele Hände drücken, die sich ihnen entgegenstreckten. Die Bürger bedankten sich „für die Rettung Dorstens aus großer Gefahr“. Sieben Mann mussten die entschärfte Bombe zum Südwall ziehen, wo sie verladen wurde. Bis heute gibt es immer wieder Funde von Blindgängern in allen Stadtteilen, deren Entschärfungen und Bergungen weniger spektakulär verlaufen. Doch mussten Bomben auch gesprengt werden, wie 1976 eine 50-Kilo-Bombe, die bei Baggerarbeiten am Kanal gefunden wurde. Der Zünder hatte eine Ausbausperre.

Blindgänger in Baugruben, im Kanal, an Brücken, in Wohngebieten

18. Januar 1962: Eine Bombe wird am Kanal in der Nähe des Bauhofs des Wasser- und Schifffahrtsamts gefunden und entschärft. – 19. Juli 1972: Eine 50 Kilo-Bombe, die im Kanalbett nahe der Brücke von Tauchern entdeckt wurde, wurde entschärft. Ein Teil der Bewohner der Innenstadt musste Kellerräume aufsuchen. Am 13. August 1997 wird auf einem Privatgrundstück an der Wasserstraße in Hervest eine amerikanische Fünf-Zentner-Fliegerbombe entschärft. Im Umkreis von 300 Metern werden die Bewohner evakuiert. Fund einer Fünf-Zentnerbombe am 7. September 2000 auf dem Gelände des geplanten Spaßbades sorgt für Beschränkung des Verkehrs. Im Gewerbegebiet Köhl in Wulfen wird am 20. Juni 2002 eine Fünf-Zentner-Bombe entschärft. Am 21. September 2007 wird auf dem Grundstück gegenüber der Kardinal-von-Galen-Schule eine Fünf-Zentner-Bombe entdeckt. Für zwei Stunden müssen die Bewohner im Umkreis von 200 Metern evakuiert werden.

Bombenentschärfung 2013 in Altwulfen – 40 Anwohner wurden evakuiert

Bombenentschärfung am Südwall 1983

Bombenentschärfung am Südwall 1983

Bei Bauarbeiten hatte ein Baggerfahrer im Dezember 2013 an der Baustelle Kleiner Ring/Hervester Straße gegenüber der Volksbank eine amerikanische Fünf-Zentner-Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt. Experten der Bezirksregierung hatten als Erstes die Bombe mit Doppelschlag-Zünder begutachtet und zu einer schnellen Entschärfung geraten. Ein Krisenstab im Rathaus ordnete die Evakuierung der Wohnbevölkerung im Radius von 250 Metern der Fundstelle an. Dafür waren Ordnungsamt und Feuerwehr zuständig. Sie informierten die betroffenen Bürger. Auch das DRK war vor Ort. Lautsprecher im Ortsteil und Einsatzkräfte, die von Tür zu Tür gingen, informierten die Anwohner. Mehr als 40 Wulfener suchten Schutz in der Sporthalle der Matthäusschule. Sie wurden in Bussen hin- und nach Entschärfung des Zünders wieder zurückgefahren. Der Zug aus Coesfeld musste auf freier Strecke stoppen. stoppen. Die Hervester Straße wurde gegen 16.30 Uhr gesperrt, die B 58 kurz vor der Entschärfung im Kreuzungsbereich ebenfalls. Die Volksbank packte alles Geld in den sicheren Tresor. Uwe Pawlowski vom Kampfmittelräumdienst der Bezirksregierung Arnsberg, der bereits über 100 Bomben entschärft hatte, konnte innerhalb von 30 Minuten den Zeitzünder der Fünf-Zentner-Bombe entfernen, die anschließend in das Zwischenlager Büren gebracht wurde.

Fundstelle an der Mercaden-Baustelle am Lippetor 2014

An der Mercaden-Baustelle am Lippetor wurde am 10. Juni 2014 um 15 Uhr eine Fünf-Zentner-Fliederbombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden und vom Kampfmittelräumer  Uwe Pawlowski entschärft. Große Teile der Altstadt im Umkreis von 250 Metern um die Fundstelle wurden evakuiert. In diesem Gebiet wohnen rund 1.200 Menschen. Als Aufenthaltsraum bis nach der Entschärfung stand die Turnhalle der St. Ursula-Realschule zur Verfügung. Der Schiffsverkehr auf dem Wesel-Datteln-Kanal wurde rechtzeitig gestoppt. Am 14. August 2014 wurde in Höhe des Sportplatzes an der Ellerbruchstraße in Hervest eine Fliegerbombe gefunden und entschärft. Ein zweiter Blindgänger wurde in der Nähe des Tierheims unschädlich gemacht.

Bombenfund in der Gurdulagasse; Ausriss WAZ vom 23. Nov. 2005

Bombenfund in der Gurdulagasse; Ausriss WAZ vom 23. Nov. 2005

Wenn ein Gebiet starker Bombardierung ausgesetzt war, wie Dorsten und das direkt angrenzende Ruhrgebiet, rücken nicht sofort die Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes an. Oft werden Spezialfirmen mit der genauen Untersuchung der Flächen beauftragt. Diese werden dann systematisch mit einem Detektionsgerät vermessen. Danach wird nach einem vorgegebenen Bohrraster in einer Tiefe bis zu sieben Meter nach Blindgängern gebohrt. Dabei stoßen die Arbeiter manchmal auf Kuriositäten. Es kommt schon mal vor, dass sich der scheinbare Blindgänger als verrostetes Fahrrad entpuppt. Kommt es allerdings tatsächlich zu einem Fund, muss das Ordnungsamt den Umkreis je nach Stärke der Bombe abriegeln. Die Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes übernehmen dann die Munitionsbergung, den Abtransport und die Vernichtung, die im Munitionszerlegebetrieb in Hünxe ausgeführt wird. Bei der gefährlichen Arbeit dort gab es den letzten tragischen Unfall im Juni 2008. Bei der Vorbereitung zum Zerlegen detonierten drei Granaten im Sägestand. Ein Mitarbeiter kam dabei zu Tode.

Fundmunition

Ausgegrabene Fundmunition wird zur Sprengung vorbereitet

Kampfmittelräumdienst hat immer noch genügend zu tun

Das Landesgesetz schreibt das Vorgehen vor: Kampfmittelbeseitigung ist eine Aufgabe der Gefahrenabwehr und gemäß § 1 Abs. 1 Ordnungsbehördengesetz (OBG) Aufgabe der örtlichen Ordnungsbehörden. Zur Unterstützung der örtlichen Ordnungsbehörden unterhält das Land NRW einen Kampfmittelbeseitigungsdienst.
Unter dem Dach der Bezirksregierung Arnsberg ist der Kampfmittelbeseitigungsdienst zuständig für die Beseitigung von Munition in den Regierungsbezirken Münster, Detmold und Arnsberg. Rund 2000 Mal rücken die Kampfmittelräumer in den Regierungsbezirken jährlich immer noch aus, um die explosiven Hinterlassenschaften unschädlich zu machen. Doch bevor Blindgänger entschärft werden, muss der Bürokratie genüge getan werden. Ob es zu einem Einsatz des Kampfmittelbeseitigungsdienstes kommt, hängt zunächst von den örtlichen Ordnungsbehörden der Städte und Gemeinden ab. Ihnen obliegt es, Anträge auf Luftbildauswertung zu stellen. Gründe für die Antragsstellung sind beispielsweise die Erschließung neuer Baugrundstücke, Zufallsfunde oder Zeitzeugenberichte. An Hand der computergestützten Auswertung von Luftbildern, die zwischen April und Mai 1945 von den alliierten Streitkräften gemacht wurden, geben die Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes dann Empfehlungen zur weiteren Vorgehensweise an die jeweiligen Ordnungsämter raus. Das kann zwischen vier und sechs Wochen dauern.
Mitte 2014 wurde an mehreren Stellen in Hervest nach Blindgängern gesucht. Denn die britische Luftaufklärung hatte ihre Bilder, mit denen sie die Wirkung ihrer Bombenabwürfe  kontrollierte, nach der Auswertung freigegebenen. Der Kampfmittelräumdienst nutzt nun diese Bilder, um bei den auf den Fotos sichtbaren Einschlagstellen von Blindgängern die Bomben aufzuspüren. Im Ellerbruch wurden gleich zwei amerikanische Fünf-Zentner-Bomben in der Nähe des Tierheims gefunden. Rund 420 Personen aus der Umgebung mussten rund drei Stunden lang evakuiert werden. Die rund 120 Tiere kamen bis zur Entschärfung ins Feuerwehrheim Dorf Hervest.

Immer wieder neue Blindgänger-Funde in der Stadt und im Umkreis

2015 Gahlener Straße - Sprengmeister Pawlowski; Foto: DZ

2015 Gahlener Straße – Sprenger Pawlowski

Im Februar 2015 wurde eine Fliegerbombe an der Gahlener-/Clemens-August-Straße auf der Hardt entdeckt, die zwei Meter unter der Erdoberfläche lag. Rund 1.000 umliegende Bewohner wurden im Radius von 250 Metern evakuiert und mit Bussen zur Geschwister-Scholl-Schule gefahren, bis der Kampfmittelräumdienst die Fünf-Zentner-Bombe problemlos entschärft hatte, der im Mai auch das Baugelände der ehemaligen Dachpappenfabrik Dr. Kohl mit Bohr-Verfahren nach Blindgängern des letzten Krieges absuchte. Im August 2015 wurde eine deutsche 8,8-Zentimeter-Sprenggranate im Wulfener Gewerbegebiet Im Köhl gefunden und vom Kampfmittelräumdienst Arnsberg unschädlich gemacht. Bei Abbrucharbeiten eines Einfamilienhauses an der Straße Auf der Brey hatte der Baggerführer am 29. September 2015 gleich drei Granaten auf der Schaufel. Der Kampfmittelräumdienst nahm sie mit und vernichtete sie an anderer Stelle.

2015 wurden im Kreis Recklinghausen 13 Blindgänger gefunden

Auch 77 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lauern noch tonnenweise Blindgänger unter der Erde. Immer wieder werden im Kreis Recklinghausen amerikanische und britische Fliegerbomben gefunden. 2015 waren es 13 Bomben. In ganz NRW fast 10.000. Diese Bilanz hat das Innenministerium im August 2016 gezogen.  Fast jeden Monat wird im Kreis Recklinghausen ein Blindgänger entdeckt. Meistens bei Bauarbeiten. Außerdem gibt es Luftbilder von englischen Behörden, auf denen man nicht explodierte Bomben erkennen konnte. Das Innenministerium geht davon aus, dass noch Tausende unter der Erde liegen.  Die Entschärfungen sind oft sehr aufwändig: Meistens müssen hunderte Menschen ihre Wohnungen verlassen und vorübergehend irgendwo anders unterkommen.

250-Pfund-Bombe am Güterbahnhof in Hervest-Dorsten 2016 entschärft

2016 "Am Güterbahnhof"; Foto: Bludau

2016 “Am Güterbahnhof”; Foto: Bludau

Eine Bombe wurde am 4. August 2016 an der Straße „Am Güterbahnhof“ gefunden und vom zuständigen Kampfmittelräumdienst Arnsberg unschädlich gemacht. Der Evakuierungsradius betrug 150 Meter. Bewohner in diesem Bereich mussten ab 14 Uhr woanders untergebracht werden, Straßen wurden abgesperrt. Sprengmeister Andreas Brümmer (Arnsberg) konnte nicht einmal zwei Stunden später die Alarmstufe aufheben. Die 250-Pfund-Bombe war entschärft. Am Abend des 14. November 2016 ist bei Ausschachtungsarbeiten eine 50 Kilo schwere Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg an der Kirchhellener Allee entdeckt und entschärft worden. Etwa 70 Anwohner aus dem Umfeld mussten in Sicherheit gebracht werden, bevor die Entschärfung beginnen konnte. Diese war bereits nach zwei Stunden abgeschlossen. Bombenfunde im Kreis Recklinghausen nehmen kein Ende. Experten schätzen, dass zwischen 1939 und 1945 rund 160.000 Tonnen Bomben auf das Revier gefallen. Wie viele als Blindgänger noch im Boden liegen, kann niemand seriös beziffern. Es gibt nur Schätzungen: Eine lautet, dass jede zehnte abgeworfene Bombe nicht detoniert ist. Im Bereich der Marler Straße/Barloer Busch sprengte der Kampfmittelräumdienst im Mai 2017 kontrolliert eine aus dem letzten Krieg aufgefundene Flakgranate.
September 2018. Bei Feldarbeiten auf einem Acker an der Frankenstraße im Bereich der Stadtgrenze zwischen Wulfen und Lippramsdorf wurde im September 2018 bei Erdarbeiten von einem Landwirt eine britische Brandbombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden.
Februar 2019: Zwei „Schatzsucher“ entdeckten am 3. Februar 2019 in einem Waldstück an der Bundesstraße 58/Frankenstraße in Wulfen zwei Gewehrgranaten aus dem Zweiten Weltkrieg. Die beiden Schatzsucher spürten die Munition per Zufall mithilfe ihrer Metalldetektoren auf und informierten umgehend die Polizei, die den Kampfmittelräumdienst benachrichtigte. Da die Gewehrgranaten wegen ihrer Instabilität nicht transportiert werden durften, wurde die Munition noch an Ort und Stelle gesprengt.
Februar 2021: Am Dorstener Bahnhof wurde bei Erdarbeiten mit dem Bagger eine armlange Sprenggranate aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Die Fundstelle wurde sofort abgesichert. Die Granate wurde am Abend vom Kampfmittelräumdienst abgeholt, so dass am nächsten Tag an der Baustelle weiter gearbeitet werden konnte. Doch nicht lange, denn es wurden noch zwei handgroße verrostete Patronen gefunden, die dann auch vom Kampfmittelräumdienst abgeholt wurden.
April 2021: Bei Bauarbeiten auf dem Gelände nahe der Hochstadenbrücke sind Bauarbeiter am Samstag auf eine Weltkriegsbombe gestoßen. Die Fünf-Zentner-Bombe lag nur wenige Zentimeter unter der Erdoberfläche. Das Gelände wurde nach dem Fund unverzüglich weiträumig abgesperrt. Da die Bombe noch scharf war, wurde der Zünder vom  Kampfmittelbeseitigungsdienst entschärft. Zuvor mussten in einem Radius von 250 Metern rund um den Fundort Menschen ihre Wohnungen verlassen und entweder bei Bekannten unterkommen oder zur Notbetreuung in der St. Ursula-Realschule untergebracht werden. Die Borkener Straße, die Lippe- und Kanalbrücke sowie der Kanal wurden gesperrt. Nach rund fünf Stunden konnten die Anwohner wieder ihre Wohnungen aufsuchen.
Mai 2021: Bei Kanalbauarbeiten für das Neubaugebiet „Auf dem Beerenkamp“ wurde im Mai 2021 eine etwa 40 cm lange Panzergranate aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt. Der Kampfmittelräumdienst beseitigte das explosive Fundstück, ohne dass die Evakuierung der Anwohner notwendig war.

Mit Sand überschüttete Sprenggrube in Altendorf-Ulfkotte; Foto: Stadt Dorsten

August 2021: Eine im Juli 2021 bei Bauarbeiten in Altendorf-Ulfkotte (Im Päsken) in fünf Meter Tiefe gefundene Fünf-Zentner-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg konnte am 4. August um 19.45 Uhr vom Kampfmittelräumdienst vor Ort erfolgreich gesprengt werden. Um die Wucht der Detonation abzumildern, wurde die Bombe mit 30 Kubikmetern Sand bedeckt. Umliegende Gebäude wurden durch mit Bauschutt gefüllte Container vor der Druckwelle geschützt. Der Nahbereich von 100 Metern musste umgehend geräumt und zur Sprengung ein Sicherheitsradius von 250 Metern evakuiert werden. Das betraf 600 Personen, die nach einigen Stunden um 21 Uhr wieder in ihre Wohnungen zurückkehren konnten. Neben dem Kampfmittelräumdienst war die Feuerwehr Dorsten mit 50 Kräften im Einsatz. 15 Mitarbeiter der Stadtverwaltung koordinierten die Evakuierung.
September 2021. Anfang September 2021 wurde bei Baggerarbeiten am Hellweg in Hervest eine 7,7 Kilogramm-Sprenggranate aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Der Hellwag wurde rund um die Hausnummer 101 voll gesperrt. Da die Granate keinen Zünder mehr hatte, konnte sie vom Kampfmittelräumdienst weggeschafft werden.
Juni 2023. Mehrere Tage, nachdem in Holsterhausen eine Granate gesprengt werden musste, sind am 19. Juni 2023 erneut alte Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden worden. Dieses Mal handelte es sich wieder um eine Granate. Kräfte von Polizei, Feuerwehr und Ordnungsamt sperrten die Fundstelle auf dem Feld nahe der Straße „Am Roten Stein“ in der Nähe des Munitionsdepots Wulfen am Vormittag ab, bis der Kampfmittelräumdienst der Bezirksregierung Arnsberg die Granate begutachtet hatte. Anwohner waren von der Aktion nicht betroffen. Die Experten stellten schnell fest, dass die Granate nicht mehr scharf war – der Zünder fehlte. Eine Sprengung war nicht nötig. Der Kampfmittelräumdienst konnte die Hülse also aufnehmen und abtransportieren. Gegen 14 Uhr konnte die Straße wieder freigegeben werden.

Grundeigentümer zahlen die Kosten der Entschärfung

Die Stadt Dorsten muss zusätzlich knapp 330.000 Euro für die Suche nach Bomben aufbringen. Das war Thema im Oktober 2016 im Hauptausschuss des Rates. Vor allem beim Bau des neuen Einkaufszentrums – den Mercaden – musste öfters als gedacht nach Bomben gesucht werden, was dann auch mehr Kosten verursachte.

Mehr explosives Weltkriegserbe in Nordrhein-Westfalen entdeckt

Evakuierungen in Dorsten, Köln, Mönchengladbach und Paderborn, riskante Momente für die Experten an den Zündern: Allein in den ersten drei Quartalen des Jahres 2018 wurden nach Angaben des Innenministeriums in Nordrhein-Westfalen 2138 Bomben-Blindgänger gefunden. Im gesamten Jahr 2017 waren es nur 1946 Bomben.  In den verschiedenen Regionen Nordrhein-Westfalens schwanken die Zahlen von Jahr zu Jahr sehr stark. In diesem Jahr hatten vor allem die Kampfmittelentschärfer im Regierungsbezirk Arnsberg viel Arbeit, wo von Januar bis September 931 Bomben gefunden worden. Im Regierungsbezirk Münster, zu dem Dorsten gehört, waren es 739, in Köln 206, in Düsseldorf 178 und in Detmold 84. Im Jahr zuvor war die Verteilung noch ganz anders. Generell erkläre sich die Zunahme der Funde dadurch, dass mehr gebaut werde und die Kommunen sensibler für mögliche Kampfmittelfunde seien, so ein Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg. Auch das Klima spielte eine Rolle: Durch die anhaltende Trockenheit im Sommer fielen die Wasserstände der Flüsse und brachten etwas häufiger als sonst Kampfmittel zum Vorschein. Die meiste Arbeit machen den Kampfmittelentschärfern die großen Weltkriegsbomben: Bei 214 Funden in NRW handelte es sich um Bomben mit einem Gewicht von 50 Kilo und mehr. Im gesamten Vorjahr waren 217 große Bomben gefunden worden. Das Innenministerium geht davon aus, dass während des Zweiten Weltkriegs etwa 675.000 Tonnen Sprengstoff auf Nordrhein-Westfalen abgeworfen wurden. Wie viel davon nicht detoniert ist und heute noch eine Gefahr darstellen könnte, sei völlig unbekannt. Außerdem werden systematisch Baugebiete und Verdachtsflächen untersucht. Der letzte tödliche Unfall bei der Kampfmittelbeseitigung ereignete sich in NRW 2008 im Munitionszerlegebetrieb in Hünxe.

Schätzungsweise ist aber erst ein Drittel der Weltkriegsbomben geborgen

Kampfmittelräumer haben in Nordrhein-Westfalen 2019 deutlich mehr Bomben, Granaten und andere Munition aus dem Boden geholt. Insgesamt wurden fast 15.000 Altlasten aus den Weltkriegen beseitigt. Das ist ein Plus von knapp 15 Prozent im Vergleich zu 2018. Die Zahl der entdeckten besonders gefährlichen Bomben mit Langzeitzündern verdoppelte sich sogar von acht auf 17. Auch die Zahl der besonders großen Blindgänger über 50 Kilogramm stieg um fast sechs Prozent auf 307 große Sprengbomben. 2020, also 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, ist Schätzungen von Experten zufolge erst ein Drittel der Blindgänger entdeckt und unschädlich gemacht worden. 16 Bomben mussten 2019 gesprengt werden, weil eine Fernentschärfung nicht mehr möglich war. NRW gilt als das mit Abstand am stärksten mit Blindgängern belastete Bundesland. Schätzungen zufolge sind 75.000 Tonnen Bomben im Zweiten Weltkrieg nicht explodiert. 90 Männer und Frauen kümmern sich in NRW bei den Bezirksregierungen in Düsseldorf und Arnsberg um die Beseitigung. Während noch vor einigen Jahren die Zünder meist von Hand aus den Bomben geschraubt wurden, erfolge inzwischen die Hälfte der Entschärfungen mit ferngesteuerten Geräten. Neben 2050 Zufallsfunden trug die systematische Auswertung von 330.000 Fotos der Luftaufklärung zu den Funden bei.


Quellen: Stefan Diebäcker DZ-Online vom 10. Juli 2014. – DZ vom 4. Dezember 2013. – „Fünf-Zentner-Bombe in einer Stunde entschärft“ in RN vom 27. August 1958. – Wolf Stegemann „Bombenfund in der Altstadt: 1.550 Haushalte evakuiert“ in RN vom 26. August 1988. – Pressestelle Stadt Dorsten im Juli/August 2021

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