Biermann, Walter

Sammeln aus Leidenschaft - schon als Kind konnte er nichts wegwerfen

Walter Biermann; Foto: Wolf Stegemann

Walter Biermann am Computer; Foto: Wolf Stegemann

W. St. – 1940 in Dorf Hervest bis 2021 in Dorsten-Holsterhausen; Heimatforscher und Sammler. – Der Fürst von Stolberg sammelte Leichenpredigten und besaß davon 27.000. Ein Londoner Kaufmann dagegen hatte sich auf Todesurteile spezialisiert und ein spleeniger Landsmann von ihm konservierte in sorgfältig beschrifteten Fläschchen das Badewasser berühmter Männer. Walter Biermann aus Holsterhausen sammelte alles, was mit Heimatgeschichte zu tun hat: Fotos, Fotoalben, Dokumente, Bilder, Gegenstände, Bücher und Schriften. In Tausenden von Datensätzen waren in seinem Computer über 350.000 Fotos und Dokumente gespeichert, auf die Familien und Zeitungen immer wieder gerne zurückgriffen.
Schon als Kind konnte Walter Biermann nichts wegwerfen. Er wuchs in Hervest auf und kam erst 1959 nach Holsterhausen. Der beruflich weit gereiste Monteur (Schweden, Frankreich, Luxemburg, Belgien, Schweiz) entdeckte seine Liebe für Dokumente seiner Heimatregion und alles, was mit dem verflossenen wilhelminischen Kaiserreich zu tun hatte, bei einem Bummel über den Trödelmarkt von Bordeaux im Jahre 1963, wo er sein erstes Sammelstück, eine napoléonische Pionierwaffe, erstand. In der Friedrichstraße in Holsterhausen betrieben seine Frau Rosi und er einen Trödelladen, in dem man auch gute Antiquitäten finden konnte. Aus seinem Privatarsenal mit Orden und Ehrenzeichen, Gips- und Marmorköpfen, Wandtellern, Uniformteilen und Waffen war allerdings nichts käuflich. So sagte er einmal zu Wolf Stegemann von den den „Ruhr-Nachrichten“: „Ich kaufe, tausche, aber ich verkaufe nichts!“ In der Regel ist er diesem Grundsatz treu geblieben. Seine Postkartensammlung umfasst Tausende von Exemplaren aus dem 19. und 20. Jahrhundert, seine Münz- und Geldscheinsammlung ebenfalls. „Sammeln von Belegen unserer Geschichte“, so Biermann am 5. Mai 1982 in den „Ruhr-Nachrichten“ (heute DZ), „gibt mir die Erkenntnis, dass unsere Vorfahren nicht gerade die Dümmsten waren. Das erkenne ich immer wieder, wenn ich mich mit der Technik alter Instrumente auseinandersetze“. So hatte er auch Motorräder gesammelt, die sein ganzer Stolz waren. Eine NSU-Lux und eine 2- und 4-Takt-Fox aus dem Jahre 1952, die er auf Hochglanz poliert hatte. Später hat er sich von diesen Lieblingen getrennt. Andere Lieblinge schwirrten in seinem Garten hinterm Haus an der Heinrichstraße herum: Biermann war auch ein Taubenfreund. – Jahrelang war er Mitglied im Ökumenischen Geschichtskreis Holsterhausen an der Lippe, dessen Sprecher er seit dem Ausscheiden Pfarrer Wolf-Dieter Rienäckers war. Er war im Vorstand des Heimatbundes der Herrlichkeit Lembeck und Mitglied im Heimatverein Hervest. 2010 wurde er aufgrund seiner Verdienste auf dem hier beschriebenen Sammel-Gebiet vom Rat der Stadt Dorsten mit der silbernen Stadtplakette geehrt. Im September 2020 wurde Biermann mit der Goldenen Ehrennadel der Stadt ausgezeichnet, weil er bei der Auflösung seines umfangreichen Foto- und Bildarchivs entsprechende Teilsammlungen den ansässigen Heimatvereinen überließ. Er starb Ende Oktober 2021.

Siehe auch: Ökumenischer Geschichtskreis Holsterhausen


Quellen:
Wolf Stegemann „Walter Biermann auf den Spuren des Kaiserreichs“ in RN vom 5. Mai 1982. – „Sammler und Historiker“ in „Stadtspiegel“ vom 22. Dezember 2010. – DZ vom 10. Sept. 2020.

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