Afghanischer Flüchtling 2021

Jungem Dorstener gelang der Rückflug aus dem von Taliban besetzten Kabul

Szene am Kabuler Flughafen; fotografiert von dem Dorstener während seiner Wartezeit

2015/16 kamen zahlreiche Afghanen nach Dorsten, darunter auch einige unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Einer von ihnen war damals 17 Jahre alt. Er lernte Deutsch sprechen und schreiben und hat eine Ausbildung zum Pharmazeutisch Technischen Assistenten begonnen. Zu seiner Familie hatte er 2017 den letzten Kontakt. Um seine kranken Mutter in Afghanistan noch einmal zu sehen, flog er im Juli 2021 nach Kabul. Da ahnte er auf Grund der Nachrichtenlage nicht, dass die Hauptstadt bald in die Hände der Taliban fallen sollte, was ihn dann in Kabul überraschte. Daher wurde aus dem geplanten Rückflug Mitte August nichts. Der junge Mann kam nicht mehr aus Kabul heraus. Das bestätigte eine Bekannte aus Dorsten gegenüber der „Dorstener Zeitung“. Wie es ihm ging und ob er die Möglichkeit der Ausreise hatte, wusste sie allerdings nicht, denn der Kontakt war abgebrochen – wie zu allen Freunden, Kollegen und Bekannten in Dorsten.

Zwei Tage lang verbrachte er abwartend auf dem Flughafen in Kabul

Ende August kam dann die freudige Nachricht. Nach zwei Tagen Aufenthalt am Kabuler Flughafen, wurde der 23-Jährige von einem deutschen Flugzeug über Taschkent ausgeflogen, landete dann am 20. August in Frankfurt, zufällig an seinem Geburtstag, an dem er 23 Jahre alt geworden war. Mit ihm an Bord war auch seine Mutter. Dass er mit Angehörigen nach Hause fliegen durfte, hätte er nicht gedacht: „Auch meinem Bruder und seiner Familie mit Frau und drei Kindern ist die Ausreise erlaubt worden. Er hatte noch ein Visum, weil er als Dolmetscher fungiert hatte“, zitierte ihn die Dorstener Zeitung. Der junge Dorstener aus Afghanistan selbst genießt seit seiner Einreise 2015 subsidiären Schutz in Deutschland. Das heißt: Er hat zwar weder Flüchtlingsschutz noch Asylschutz zuerkannt bekommen, aber er darf sich hier aufhalten, weil ihm in seinem Herkunftsland ernsthafter Schaden droht. Wie ernst die Situation in Kabul seit dem Einmarsch der Taliban ist, erklärte der 23-Jährige so: „Keiner traut sich mehr auf die Straßen. Meine Schwester und ihre Familien harren in ihren Wohnungen aus.“

Taliban gaben am Flughafen Schüsse in die Luft ab

Die Taliban hätten versprochen, dass sie der Bevölkerung nichts antun würden. Ob das der Wahrheit entspricht? „Das kann ich nicht sagen.“ Am Flughafen hätten Taliban die Besucher mit Schüssen in die Luft in Panik versetzt. Ihm sei es gelungen, durchzukommen, weil er seine deutschen Papiere dabei hatte und die Amerikaner ihn am Eingang des militärischen Teils des Flughafens zu den deutschen Soldaten durchließen. „Sie fragten mich, ob ich weitere Angehörige habe. Ich erzählte ihnen von meiner Mutter.“ Sie konnte mit ihm ausreisen, weil er in Begleitung deutscher Soldaten die Mutter am Flughafengebäude in Empfang nehmen und in den sicheren Bereich bringen konnte. „Zwei Tage haben wir im geschützten Bereich des Flughafens ausgeharrt!“ Dann endlich der Flug in die Freiheit. „Ich bin froh und glücklich, wieder in Dorsten zu sein!“

Seine Mutter wohnt vorübergehend bei ihm, bis eine amtliche Aufenthaltslösung für sie gefunden wird. Sein Bruder und dessen Familie sind in Hamburg untergebracht worden.

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Die DZ-Redakteurin Claudia Engel kommentierte ihrerseits am 24. August 2021 in der „Dorstener Zeitung“ die Kommentare, die zu ihrem Artikel über den Dorstener Afghanen in Netzwerken veröffentlicht wurden:

Hasskommentare zu Schutz suchenden Menschen sind ekelhaft

Ein 23-Jähriger aus Dorsten hat in der Ferienzeit seine kranke Mutter in Kabul besucht. Dass die Taliban einmarschieren würden, wusste er bei seiner Abreise nicht. Ihm ist die Flucht zurück nach Deutschland geglückt. Seine Mutter durfte ihn begleiten. Das hat er Menschen zu verdanken, die trotz der brenzligen Situation am Flughafen in Kabul ihr Herz sprechen ließen und beide in Sicherheit brachten.
Wenn es nach einigen Dorstenern ginge, dann hätte man den jungen Afghanen und seine Mutter ihrem Schicksal überlassen müssen. Sie denken, dass wir uns keine weiteren Schutzsuchenden leisten können. Afghanen, die den Deutschen Dienste in Afghanistan geleistet haben, aufnehmen? Auf keinen Fall, haben Dorstener Leser in den sogenannten sozialen Netzwerken nach unserem ersten Bericht gesagt und bekräftigt, dass „wir den afghanischen Helfern nichts schulden“.
Erschreckend war die Vielzahl von Hasskommentaren, als der 23-Jährige noch in Kabul festsaß und seine Rückkehr nach Dorsten ungewiss war. Es scheint, als ob eine bestimmte Menschengruppe nur darauf wartet, dass Medien über Geflüchtete berichten. Und schon sondern sie in den sozialen Netzwerken widerwärtige und menschenverachtende Kommentare ab. Ich finde das ekelhaft.


Quellen: Zum Teil übernommen worden von Claudia Engel „Ein Dorstener Afghane sitzt in Kabul fest“ in DZ vom  18. Aug. 2021 und „Glückliche Heimkehr nach Dorsten“ in DZ vom 24. Aug. 2021. – Der entnommene Kommentar ist wörtlich wiedergegeben.

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