Hexen-Rehabilitationsprojekt

Opfern eines gnadenlosen Verfolgungswahns die Würde zurückgeben

Gedenktafel am Hofheimer Hexenturm

Gedenktafel am Hofheimer Hexenturm

In verschiedenen Städten und Gemeinden Deutschlands haben Menschen Gedenktafeln oder Gedenksteine für die Opfer der Hexenprozesse angeregt und bei den Stadträten beantragt, die Opfer der Hexenprozesse zu rehabilitieren – nicht juristisch, sondern aus moralisch-ethischen Gründen. Auch in Dorsten und in der Herrlichkeit hat es so genannte Hexen und Hexenfolter gegeben.

Die Wasserprobe, Zeichnung von 1878

Die Wasserprobe, Zeichnung von 1878

Der Historiker Gerhard Schormann schätzt die Zahl der Opfer in Europa auf 200.000 bis 500.000 (belegt sind 100.000) und spricht von der „größten nicht kriegsbedingten Massenvernichtung nach den Judenverfolgungen“. Als Ursachen werden in der neueren Forschung mit der soziale Notlage und Verelendung der Bevölkerung angegeben. Auch für das Münsterland lässt sich dieser Zusammenhang herstellen. Eine endgültige Klärung des Phänomens „Hexenverfolgung“ gibt es bis heute allerdings nicht. Nicht überall in dem in kleine Territorien zersplitterten Reich wurden vermeintliche Hexen mit gleicher Intensität verfolgt. Dr. Alfred Bruns, Landesarchivdirektor Münster:

„Um ihr Leiden nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, ist es wichtig, einzelne Schicksale in Erinnerung zu rufen. Bis heute hat es für die Hingerichteten der Hexenprozesse keine öffentliche Rehabilitation gegeben. Statt weiter als Hexe oder Hexenmeister zu gelten, sollten die Opfer rehabilitiert, religiöse Schuld von ihnen genommen und ihre Christenehre wiederhergestellt werden. Die unschuldigen Opfer eines gnadenlosen Systems verdienen auch nach bald 350 Jahren unsere Achtung, jeder Name ein ehrenvolles Andenken. Darin liegt die Verpflichtung, sich der Gefahren totalitärer Systeme bewusst zu werden und die Würde jedes Menschen zu verteidigen.“

In Unna hat sich schon vor vielen Jahren ein Arbeitskreis gebildet, der die Rehabilitation der so genannten Hexen vorantreibt. Verantwortlich dafür zeichnet Hartmut Hegeler:

„An den meisten Orten sind die Leiden der als Hexen angeklagten Frauen, Männer und Kinder in Vergessenheit geraten. Nur in wenigen Ortschaften, wo Hexen verfolgt wurden, wird an das Schicksal der unschuldig hingerichteten Menschen erinnert. An diesen Gedenkstellen wird ihr Schicksal aus dem Dunkel der Vergangenheit herausgeholt und dem Vergessen entrissen, um Anstöße zu geben für ein Engagement gegen Gewalt in unserer Zeit. Die Hingerichteten werden durch öffentliche Aufmerksamkeit rehabilitiert und ihnen die geraubte Würde zurückgegeben, um für das Gespräch mit der heutigen Generation konkrete Möglichkeiten der Erinnerung zu schaffen. Hier sollte zugleich allen Opfern der Gewalt ein ehrendes Gedenken gesetzt werden. Die Auseinandersetzung mit dem Schicksal verfolgter Menschen kann den Blick schärfen für das Leiden unschuldiger Menschen heutzutage in aller Welt. Folter ist bis heute in vielen Ländern der Welt ein menschenverachtendes Instrument der Unterdrückung. Damals wie heute werden in Notzeiten Sündenböcke gesucht und gefunden.“

Annähernd 50 Männer und Frauen mussten die Scheiterhaufen besteigen. Aus Dorsten, Polsum, Marl, Datteln, Waltrop und Bossendorf karrte der Scharfrichter, Meister Arndt, die zum Tode Verurteilten zum Richtplatz bei Horneburg. Zu den Frauen aus Dorsten, die dem Hexen-Wahn zum Opfer gefallen waren, gehören neben dem „Hexenmeister“ Johann von Mohlenbroich, Elsa Kielß, Margarete Burich, die Stockmannsche, Catarin (Trine) Erkennschwick , Sophie Rive, Anna Rakens, Barbara von Lembeckh, Alßken Gerstkens, Anna Gotisch, Kerstin Herschinck, Norle Vierhoff, Anna Keiters u. a.

Etliche Städte haben sich dem Rehabilitationsprojekt angeschlossen

Straßenname in Münster

Straßenname in Münster

Verschiedene Gemeinden haben sich dem Rehabilitationsprojekt aus Unna inzwischen angeschlossen und die Rehabilitation der damaligen Opfer vollzogen, wobei sich in etlichen Kommunen auch die Kirchengemeinden beteiligten: 1992 Lemgo (NRW; und 2012), 1993 Winterberg (NRW); Stadt, kath. und ev. Kirche), 1996 Idstein (Hessen), 2002 Kammerstein, 2003 Kammerstein-Barthelmesaurach (Bayern), 2007 Eschwege (Hessen; Stadt und ev. Kirche), 2010 Hofheim a.T. (Hessen), 2011 Rüthen (NRW), 2011 Hilchenbach NRW), 2011 Hallenberg (NRW), 2011 Düsseldorf (NRW), 2011 Sundern (NRW), 2011 Menden (NRW), 2011 Werl (NRW), 2011 Suhl (Thüringen), 2012 Bad Homburg (Hessen), 2012 Detmold (NRW), 2012 Rheinbach (NRW), 2012 Köln (NRW), 2012 Meiningen (Thüringen), 2012 Osnabrück (Niedersachsen), 2012 Büdingen (Hessen), 2013 Soest (NRW), 2013 Freudenberg (NRW), 2013 Rehburg-Loccum (Niedersachen), 2013 Lutherstadt Wittenberg (Sachsen-Anhalt) 2013 Datteln (NRW), 2014 Horn-Bad Meinberg (NRW), 2014 Trier (Rheinland-Pfalz), 2014 Witten (NRW), 2014 Dortmund (NRW), 2014 Idstein (Hessen), 2014 Schleswig (Schleswig-Holstein), 2015 Lippstadt (NRW), 2015 Wemding (Bayern), 2015 Blomberg (NRW), 2015 Rottweil (Baden-Württemberg), 2015 Bamberg (Bayern), 2015 Gelnhausen (Hessen), 2015 Bad Laasphe (NRW), 2015 Balve (NRW),  Barntrup (NRW).

Auch im Ausland haben bereits etliche Gemeinden ihrer Hexenwahn-Opfer gedacht: 2001 unterzeichnete die Gouverneurin von Massachusetts eine Unschuldserklärung für die fünf letzten als Hexen hingerichteten Frauen, 2004 rehabilitierte die schottische Stadt Prestonpans in Anwesenheit von Nachfahren der Hingerichteten 81 Frauen, 2008 rehabilitierte der Glarner Landrat die letzte hingerichtete Hexe Europas, Anna Göldi, als Opfer eines Justizmords, 2009 würdigte das Freiburger Kantonsparlament (Schweiz) die 1731 als letzte verurteilte „Hexe“ der Gegend hingerichtete Catherine Repond (genannt „Catillon“).

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