Wolters, Familie

Vererbungsgeschichte des „Ahnenhauses“ jenseits der Stadtmauer

Wie die patrizischen Familien in Dorsten wohnten, ist gut bekannt. Sie lebten in ihren großen Bürgerhäusern am Markt oder in der Nähe des Stadtmittelpunktes. Wie aber Kleinbürger und Handwerker lebten und wohnten, heute würden wir sie als den Mittelstand bezeichnen, ist weithin weniger bekannt, weil über sie zu schreiben, nicht üblich war. Wie damals ein Haus in eine Familie kam und wie es in der Familie durch Erben und Erbauseinandersetzungen, Verheiratungen und Verkäufe innerhalb der Familie geblieben ist, gibt die Haus-Geschichte der Familie Wolters Aufschluss, die irgendjemand aus der Familie irgendwann auf vier Seiten aufgeschrieben und mit „Das Ahnenhaus“ betitelt hat.

Haus Wolters

Haus Wolters am Ostwall

Mauern engten die Stadtbewohner ein

Im 12. und 13. Jahrhundert standen in Dorsten nur die Hauptteile der Innenstadt, der Markt und Einzelbesitzungen mit Wiesen und Gärten an den Ringen, die aber nur bis zu den Stadt- bzw. Festungsmauern reichten, wie dies aus älteren Katastern und Beschreibungen ersichtlich ist. Als die Einwohnerzahlen stiegen, engten die Mauern ein. Als erstes versuchte man, das Problem zu lösen, indem der Magistrat Bürgern erlaubte, auf den Mauern Grund zu erwerben. Dies war in vielen Städten wie Rees, Münster, Paderborn und auch Dorsten üblich. Nach Erwerb von einigen wenigen Quadratmetern Grund auf der Mauer, erhielt der Bürger im Einzelfall auch die Erlaubnis, an der Stadtmauer zu bauen. Dafür musste er sich verpflichten, die Stadtmauer nach seinen Möglichkeiten instand zu halten und sein Haus durfte zum Wallgraben hin keine Fenster haben. Wurden diese ausnahmsweise genehmigt, mussten sie sehr klein angelegt und mit Gittern versehen sein. Als ein solches fensterloses Haus ist das Woltersche Ahnenhaus zu Anfang des 14. Jahrhunderts am Ostgraben 24 entstanden, das im Laufe der jüngeren Geschichte mehrere Ortsbestimmungen hatte: Dorsten Haus Nummer 97 (ohne Straßenbezeichnung war ganz Dorsten durchnummeriert). Später dann Grabenstraße 16 und schließlich umbenannt in Ostgraben 24.

Von der Witwe Telgten in den Besitz der Familie Wolters

Aus den Grundbuchakten vom 21. Dezember 1819 geht hervor, dass das Haus durch die Schwiegereltern von Clemens Wolters, Johann Buckholt und Anna Katharina Bertels, nach 1765 von der Witwe Laurenz Telgten gekauft worden war und nun in den Besitz von Clemens Wolters überging. Das Haus grenzte auf der einen Seite an die Behausung von Ferdinand Ratte, auf der anderen Seite an das der Witwe Buckholt (oder Bockholt). Die Witwe bestätigte 1819, dass sie das Haus bereits vor 50 Jahren an Johann Buckholt verkauft habe und nannte als Zeugen den Schiffbauer Anton Hürland, der auch bezeugte, dass Johann Buckholt vor mehr als 40 Jahren Besitzer des Hauses war und der Schwiegersohn Clemens Wolters durch Einheirat in den Besitz des Hauses gelangt war.

Beim Tod der Ehefrau von Clemens Wolters im Jahre 1833 wurde zwei Jahre später ein Schlichtungsvertrag zwischen Clemens Wolters und dem Vormund Adolf Dieckmann (vermutlich aus Kirchhellen) geschlossen, demnach das Haus auf die vier Kinder aus 1. Ehe überging (Clemens war offensichtlich wiederverheiratet). Die Kinder hießen: Maria Anna (geb. 1804), Gottfried (1811), Josef Clemens (1816) und Maria Bernhardine Elisabeth (1816). Zwei weitere Mädchen waren bereits verstorben. Der Vater behielt den Nießbrauch des Hauses. Von den minderjährigen Kindern (damals unter 25 Jahren) war Gottfried beim Militär in Koblenz, Josef und Maria Bernhardine lebten noch im Elternhaus. Die großjährige Maria Anna war mit dem Schiffbauer Hermann Ratte verheiratet.

Durch Teilungsvertrag Haus erhalten

Clemens Wolters starb 1847. Sein Schwiegersohn Hermann Ratte, dessen Ehefrau Maria Anna Wolters bereits verstorben war, beantragte die Erbschaft des Hauses für seine Kinder und schlug den Verkauf des Hauses vor. Demnach sah der Teilungsvertrag vom 18. Oktober 1847 vor, dass Gottfried Wolters und Elisabeth Wolters je 26 Taler, 7 Groschen und 6 Pfennige erhalten sollten, die Kinder Clemens, Ferdinand, Katharina und Hermann der verstorbenen Maria Anna Wolters verheiratete Ratte zusammen die gleiche Summe innerhalb von acht Tagen. Das Kapital wurde durch eine Hypothekenverschreibung bei Cirkel aufgenommen. Gottfried Wolters war mit der Regelung allerdings nicht einverstanden

Wegen der Wiederverheiratung von Gottfried Wolters mit Elisabeth Uhlendrock – seine erste Frau Margarete Baumann war verstorben – erklärte er bei einem Auseinandersetzungstermin vor Gericht am 17. November 1868, dass er aus erster Ehe fünf Kinder habe, von denen zwei gestorben seien. Somit müssten noch drei Erben berücksichtigt werden. Diese waren Gottfried Bernhard (geb. 1836), Elisabeth Bernhardine (1844, spätere verheiratete Rohleder) und Johann Josef (1848). Gottfried Wolters hatte mit Margarethe Baumann in vestischer Gütergemeinschaft gelebt. Am 14. April 1869 bestätigte Stieftochter Maria Silvert die Notarsvereinbarung. Am 17. Oktober erfolgte der Übertragungsvertrag auf Johann Wolters unter dem Aktenzeichen REP Nr. 387. pr. 1875.

Geldgeber waren Circel, Beisenbusch und Lehmacher

Gottfried Wolters behielt für sich und seine Frau den Nießbrauch und die uneingeschränkte Verwaltung des Vermögens. Johann Wolters hingegen verpflichtete sich zu der Gegenleistung, alle Schulden des Vaters (rund 600 Mark) wie seine eigenen zu tilgen und der Schwester Elisabeth verheiratete Rohleder binnen drei Tagen eine Abfindung von 75 Mark zu zahlen. Gottfried Wolters, der Vikar wurde, war durch seine Studiengelder aus elterlichem Vermögen bereits abgefunden. Ende 1875 wurde Johann Wolters als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Die Bezeichnung des Anwesens hieß erstmals Flur I Nr. 1041/42. Die Schulden zahlte Johann Wolters restlos ab. Zinsen gingen an die Geldgeber wie Cirkel, Henze, Beisenbusch und Lehmacher.

Schuldenfreie Übernahem des Erbes

1880 kaufte Johann Wolters für 50 Taler den Hausgarten an der Hinterfront in Hausbreite von seinem Brotgeber dazu. Wegen Vergrößerung der Familie musste durch einen Anbau 1895 mehr Wohnraum geschaffen werden. Dabei wurden Teile der alten Stadtmauer verwendet, die für das gesamte Fundament ausreichten. Johann Wolters starb 1931. Sein Testament lautete:

„Mein letzter Wille! Im Einverständnis mit meinen sämtlichen lebenden 12 Kindern bestimme ich, dass nach meinem Tode das vorhandene Hausgrundstück nebst allen lebenden und toten Inventars meinem Sohne Bernhard zufällt. Sollte wider Erwarten eines der übrigen Geschwister dieses Testament anfechten, so soll dieser Erbe auf das Pflichtteil gesetzt sein. Damit die Besitzung erhalten bleibt, soll mein Sohn Bernhard keinerlei Verpflichtung den übrigen Geschwistern gegenüber obliegen. Dieses Testament habe ich heute zu Dorsten am 15. 4. 1928 eigenhändig niedergeschrieben und wie folgt unterschrieben Johann Wolters.“

Bernard Wolters konnte das Haus schuldenfrei übernehmen. Die übrigen elf Geschwister verzichteten auf Abfindungen.

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