Wicquefort, Joachim von

In Dorsten Heiratspläne für die Landgräfin von Hessen-Kassel eingefädelt

Um 1600 in Amsterdam bis 1670 ebd.; Schriftsteller, Diplomat. – Andere Schreibweisen seines Namens sind Vicquefort, Vicofortius und Wickefort. Als eifriger Lutheraner stellte er sich in den Dienst der evangelischen Sache und führte längere Zeit die Geschäfte für die Landgräfin Amalie von Hessen-Kassel in Haag und an anderen Fürstenhöfen. Als ihr geheimer Unterhändler war er mehrmals in Dorsten, während der hessischen Besatzung einmal sogar sechs Wochen lang, und reiste ansonsten durch das unruhige Europa, war im Hamburg, Paris, Basel und immer wieder Dorsten, wie seine Briefdatierungen nachweisen. In Dorsten soll Wicqueforts den Plan einer Verheiratung der Landgräfin von Hessen-Kassel mit dem Herzog Bernhard von Weimar mit der Absicht, neben der ligistischen und unionistischen  Partei eine dritte deutsche Partei zu errichten, eingefädelt haben.

Er erkrankte an den schwarzen Blattern und wurde geheilt

Innentitel von Wicquefort, 1696 gedruckt

Innentitel von Wicquefort, 1696 gedruckt

Joachim von Wicquefort entstammt einer reichen und angesehenen Kaufmannsfamilie zu Amsterdam. Sein Vater Kaspar starb in hohem Alter im Jahr 1634. Seine Brüder waren Abraham (Adam?), ein bekannter Diplomat und langjähriger Unterhändler Kurbrandenburgs am französischen Hofe, sowie Schriftsteller von Ruf, ferner Kaspar und Samuel. Außerdem hatte er mehrere Schwestern, von denen eine Elisabeth hieß. Joachims Gemahlin hieß Anna, die in ihren Freundeskreisen Pallas genannt wurde. Die Ehe war – wie es scheint – kinderlos. Er stand in verwandtschaftlichen Beziehungen zu der Familie Wesenbeck, welcher mehrere bekannte Rechtsgelehrte angehörten, sowie zu dem berühmten Führer aus dem dreißigjährigen Krieg, Reinhold von Rosen. Im September 1642 lag Wicquefort. lebensgefährlich an einer mit Schwellung und Pusteln verbundenen fieberhaften Krankheit in Dorsten nieder, die der hessische Militärarzt innerhalb einiger Wochen heilen konnte. Vermutlich hatte er die schwarzen Blattern. Wicquefort zeichnete sich durch ein ernstes wissenschaftliches Streben, wie durch gute Kenntnis der lateinischen und griechischen Schriftsteller und Philosophen aus. Zahlreiche in seine Briefe eingestreute Zitate und Anspielungen auf Stellen der alten klassischen Autoren wie Homer, Horaz, Virgil, Martial, Plinius u. a. bezeugen seine große Belesenheit. Mit dem Philosophen Kaspar Barlaeus, zuletzt Professor der Logik am Gymnasium zu Amsterdam, stand Joachim von Wicquefort von 1933 bis zu dessen Tod im Jahre 1647 in lebhaftem Briefwechsel.

Die in fließendem, elegantem Latein geschriebenen Briefe sind im Druck erschienen und bilden für gewisse Perioden des dreißigjährigen Krieges eine recht interessante Quelle. Natürlich abgesehen von so mancher dem Geist der Zeit geschuldeten Überschwänglichkeit im Ausdruck der Zuneigung dem Freunde gegenüber. Mit einem warmen Gefühl des Mitleids  schreibt er über die allgemeine Not, unter der gegen Ende des großen Krieges Deutschland und seine Nachbarländer seufzten („bella ô bella, horrida bella!“).

In Dorsten Verhandlungen über eine dritte Partei geführt

Bernhard von Sachsen-Weimar

Bernhard von Sachsen-Weimar

Joachim von Wicquefort war Ritter des St. Michaelordens und Rat der Landgräfin Amalie Elisabeth von Hessen-Kassel, welche nach dem Tode Wilhelm V. (1637) für ihren minderjährigen Sohn die Regentschaft führte. Die Landgräfin von Hessel-Kassel hatte sich nach ihrem Amtsantritt nie als Ableger eines kaiserlichen Machtapparates betrachtet, aber auch nicht als eine abhängige Verbündete ausländischer Invasoren. Amalie Elisabeth war wohl die erste Persönlichkeit im Reich, die klar erkannte, dass die Reduzierung der politischen Positionen auf Glaubensfragen nicht die Einmischung ausländischer, besonders französischer Interessen verhindern wird. Sie legte deshalb im Jahre 1635 einen Plan zur Bildung einer deutschen Partei vor. Dieser Plan war nicht neu, denn bereits 1631 hatte das so genannte Leipziger Manifest die Hoffnung erweckt, dass es zwischen den konkurrierendenausländischen Interessen zur Bildung einer deutschen Partei kommen könnte, welche die deutschen Probleme ohne ausländische Einmischung lösen solltet. Joachim von Wicquefort entfaltete nun in der erneuten Bestrebung eine besondere Tätigkeit als Unterhändler, welche eine Annäherung des Herzogs Bernhard von Sachsen-Weimar an Hessen-Kassel zum Ziele hatten; Bernhard unterhandelte mit Amalie über ein sächsisch-hessisches Bündnis nach Art der alten Erbvereinigung und einer Truppenvereinigung, wie sie schon der Schwede Oxenstierna gleich nach dem Tode Landgraf Wilhelm V. angeraten hatte.

Er kam öfters geheim nach Dorsten

Landgräfin von Hessen-Kassel; Stahlstich von Ch. G. Geyser

Landgräfin von Hessen-Kassel; Stahlstich von Ch. G. Geyser

Zur Überbringung seiner geheimen Aufträge bediente er sich nun Joachim von Wicqueforts, welcher sich Anfang des Jahres 1639 nach Dorsten, dem damaligen Hoflager der Landgräfin und ihres Oberbefehlshabers Melander, der in Schloss Lembeck residierte, begab und von hier aus am 24. Mai die Aufnahme der Gespräche und den jeweiligen Stand der Ergebnisse meldete. Diese Unterhandlungen wurden zum großen Nachteil der evangelischen Sache durch den Tod Herzog Bernhards von Sachsen-Weimar am 8. Juli 1639 gestört und dann beendet. Das Verhältnis Bernhards zur Landgräfin selbst und zu einer damals projektierten dritten deutschen Partei ist öfters Gegenstand der Forschung gewesen. Man hat von einem Heiratsprojekt zwischen der Landgräfin Amalie und dem Herzog Bernhard gesprochen. Doch beruht diese Vermutung offenbar auf einem Missverständnis, denn es gibt auf hessischer Seite keine Überlieferung über dieses Hochzeitprojekt, das Wicquefort in Dorsten eingefädelt haben will. Was aber der Herzog von Sachsen-Weimar selbst über die Zweckmäßigkeit und Ausführbarkeit einer gegen die mächtigen Bundesgenossen des Auslandes gerichteten dritten Partei dachte, geht aus einem von dem Historiker Rommel aufgefundenen Schreiben Herzog Bernhards an Joachim von Wicquefort hervor: Demnach war Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar ein entschiedener Gegner dieses Projekts. Er schreibt von Rheinfelden am 1. Juni 1639, kurz vor seiner Abreise nach Pontarlier zur Unterhandlung mit Guebriant, an Wicquefort:

„Und dass ich von dieser letzten Materie (wie eine dritte Partey zu machen) weitläufftiger rede, so ist es unserm verderbten Vatterlandt gar wenig dienlich; in Betrachtung, eine neue Verbundnüs, eine dritte Partey, ein neuer und dritter Krieg ist.“

Das Wappen der Familie Wicquefort zeigte oben in Blau einen goldenen Löwen mit roten Klauen, unten in Gold neun grüne Kleeblätter.


Quellen und Literatur:
Niceron, Mémoir. T. 38, Paris (Briasson) 1737. – Joach. Vicofortii Epistolae ad Casp. Barlaeum. Amsterdam (Gallet) 1696. (Französ. Utrecht [Broedelet] 1712). – Rommel, Gesch. v. Hessen, Cassel 1848. – Ders. in Ztschr. f. hess. Gesch. III. – Gr. Univ.-Lex. LV, 1746 f., Sp. 1736. Leipzig u. Halle (Zedler). – Rietstap, Armorial géneral. T. II p. 1084. Gouda (van Goor-Zonen) 1887.

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