Truchsessischer Krieg

Lutherischer Erzbischof wollte die Stadt evangelisieren

Der Truchsessische Krieg, auch „Kölner Krieg“ genannt, dauerte von 1584 bis 1588. Das Vest Recklinghausen und die Stadt Dorsten wurden in der Folge der Reformation erst in Unruhen und Kriege verwickelt, als der Landesherr, Erzbischof Gebhard Truchseß von Waldburg, aus seinem geistlich-katholischen Fürstentum ein protestantisches, erbliches und weltliche machen wollte. Der Erzbischof trat 1582 zum protestantischen Glauben über und heiratete. Das Kölner Domkapitel lehnte den Glaubenswechsel zusammen mit den westfälischen, rheinischen und vestischen Landständen erfolgreich ab und der Papst ordnete eine Neuwahl des Erzbischofs an. Der abgesetzte Landesherr wollte das verloren gegangene Vest Recklinghausen gewaltsam protestantisieren. Seine Truppen unter Oberst Engelbert Nie besetzten große Teile des Vests. Inzwischen hatte der neu gewählte Erzbischof Herzog Ernst von Bayern Truppen gegen seinen abgesetzten Vorgänger geschickt und mehrere feste Orte besetzt. Während Recklinghausen und die Umgebung von Dorsten von truchsessischen Truppen besetzt waren, hielt die katholische Stadt Dorsten 1584 der Überredung und Belagerung stand. Der abgesetzte Erzbischof wurde vertrieben und musste nach Holland ausweichen.

Belagerung Recklinghausens im Truchsessischen Krieg; Stich von Hogenberg 1584

Belagerung der Stadt Recklinghausen im Truchsessischen Krieg; Stich von Hogenberg 1584

Dem exkommunizierten Erzbeschof den Gehorsam verweigert

Das Domkapitel in Köln bewegte die Stadt Dorsten in Briefen, durchzuhalten: „Es ermahne daher die Stadt, sich standhaft zu halten, da bald Hilfe erscheinen werde.“ Zwei Angriffe schlug die Stadt zurück, wobei das Erscheinen des Chorbischofs Herzog Friedrich von Sachsen beitrug, der mit Soldaten über den Rhein setzte. In ihrem Widerstand gegen die truchsessischen Truppen vertraute die Stadt auf ihre Mauern und auf die Hilfe des Domkapitels in Köln. Zudem war im Lande längst bekannt geworden, dass dem abgesetzten und vom Papst exkommunizierten Erzbischof nicht mehr zu gehorchen sei.

Machtkampf im Domkapitel zu Köln

In dieser Zeit informierte der Dorstener Pfarrer Clamor Middendorp den am 23. Mai 1583 gewählten Nachfolger Erzbischof Ernst von Bayern in einem Brief, dass sich in der Stadt heimlich eine Truchsessische Partei gebildet habe, um den Belagerern Einlass zu gewähren:

„Unsere adversarien oder religionsverwannten gehen auch alle tage nach Westerholt unnd sonst, haltten mit in conversationes mit den haupttleuthen, fressen und saufen nacht und tagh, unnd begehren nit mehr, dan Truxsess soltt sich inn eigener person dahin begeben.”

Zweifellos war hier ein Machtkampf im Gange, den die kürfürstlich-katholische Partei gewann. 1584 kamen die Stände zu einem Landtag in Arnsberg zusammen, um die alte Ordnung wieder herzustellen. Allerdings kämpften einige Truppführer des Truchseß von Waldburg in den Stiftslanden weiter gegen den neuen Erzbischof. Die ständigen Truppendurchmärsche und Einquartierungen brachten das Vest in Bedrängnis und Armut, die ständigen schriftlichen Drohungen der Truchsessianer gegen vestische Orte und auch Dorsten brachte die Kölner Regierung in Handlungsnot. Das Kölner Domkapitel ermunterte die Stadt Dorsten in ihren belobigenden Schreiben, weiterhin Widerstand zu leisten. Die wirtschaftliche Situation der Dorstener verschlimmerte sich zusehends. Die Stadt war nicht mehr in der Lage, Kriegslasten zu tragen. Durch die nun schon im zweiten Jahr andauernde Belagerung hatte die Stadt keine Einnahmen durch Zölle, Wegegeld und Gewerbesteuern. Es fanden keine Märkte mehr statt, weil die Händler an der Stadt Dorsten vorbeizogen. Das Vieh wurde von den Dorstener Wiesen geholt und zerstörte Mauern, Türme, Häuser und Brücken mussten auf eigene Kosten wieder hergerichtet werden.

Frauen warfen Müll, Steine und Kot von den Mauern

Frauen verteidigen Dorsten

Frauen verteidigen 1588 Dorsten (Marktbrunnen)

Am 28. Februar 1588 belagerte der Truchsessische Heerführer Johann Philipp Graf von Oberstein (siehe Oberstein) die Stadt. Als seine Soldaten bereits die äußeren Tore überwunden hatten und sich anschickten, in die Stadt einzudringen, vertrieben Dorstener Frauen mit Heldenmut und heißem Wasser, mit Steinen, Müll und Kot sowie – aber das ist Legende – mit Bienenkörben die Eindringlinge. Zehn Jahre später schrieb der Dorstener Pfarrer Sartorius in der Vorrede zu seiner Bearbeitung der Predigten des Jesuiten Osorius:

 

„Mögen da die Geschichtsschreiber rühmen die Römerinnen, Saguntinerinnen, Amazonen und Frauen sonstiger Nationen, welche durch eine Heldentat ihren Namen der Nachwelt empfehlen: Eurer Frauen Heldenmut, so er sie nicht übertrifft, kommt ihnen doch völlig gleich.

Verloren war Dorsten, verwüstet, verheert,
Vernichtet in blutigem Morden,
Wenn nicht die Frauen den häuslichen Herd
Beschützt und vertrieben die Horden.

In flammendem Zorn, die Wehr in der Hand,
So eilten sie hin auf die Schanze
Und fegten herab von der Mauern Rand,
Die Feinde in blutigem Tanze.“

Gegenreformation mit äußerster Härte betrieben

Bis 1771 feierten die Dorstener diesen Sieg zusammen mit der Streitfeier von 1382. Abbildungen auf den Notgeldscheinen von 1923 sowie eine Szene am Marktbrunnen zeugen von der heldenhaften Tat der Dorstener Frauen (siehe Reformation/Gegenreformation). Dass nach Aufgabe der Belagerung 1588 Johann Molenbroich wegen angeblichen Verrats durch Vierteilung hingerichtet wurde, ist auch wegen der Hinrichtungsart ein Zeichen dafür, dass die Gegenreformation mit äußerster Härte alle Störelemente des katholischen Glaubens vernichtete und bedingungslosen Gehorsam von den Bürgern verlangte, wobei sich die Hinrichtung von Hexen (siehe Burich, siehe Hexenverfolgung) nahtlos in dieses Ausrottungsschema einreihte. Hier tat sich besonders Dorstens Stadtrichter Vinzenz Rensing hervor.

Siehe auch: Graf Johann von Oberstein


Literatur:
Prof. Dr. Julius Evelt „Beiträge zur Geschichte der Stadt Dorsten und ihrer Nachbarschaft“ in „Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde Westfalens“, Münster, 1863/64, 1866. – Albert Weskamp in „Vestische Zeitschrift“, 23. Band, Jahrgang 1913. – Wolf Stegemann/Maria Frenzel „Lebensbilder aus sechs Jahrhunderten Dorstener Geschichte“, Dorsten 1997.

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