Trümmerfrauen

Sie bekamen Orden, aber die Politik verweigerte ihnen eine Rente

Steinpicker in Dorsten

Nach dem Krieg: Steinpicker in Dorsten

Von Wolf Stegemann – Trümmerleben – das war in ganz besonderer Weise das Leben der Frauen in allen Berufen: Als Gattinnen und Mütter ebenso als Schutträumerinnen und Ziegelputzerinnen, als be­rufliche und familiäre „Statthalterinnen“ ver­misster, gefallener oder gefangener Männer und Söhne sowie als natürliche Sammelstel­len vom Krieg gewaltsam zerstörter und müh­sam sich wieder zusammenfindender Fami­lien oder als couragierte Einzelkämpferinnen im öffentlichen und kulturellen Leben. Als Trümmerfrauen werden die Frauen bezeichnet, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Städte von den Trümmern der zerbombten Gebäude befreiten. Sie schufen damit eine der Grundvoraussetzungen für den Fortbestand der Innenstädte.

Da wurden Steine ge­klopft, um Erhaltenswertes vom Mörtel zu reinigen, da wurden Loren beladen und zum Schuttplatz geschoben, acht Stunden am Tag, in staubiger Eintönigkeit. In Dorsten waren 187.000 cbm Trümmer­berge, das sind 6,8 cbm je Kopf der Bevölke­rung, davon allein 110.000 cbm Trümmermas­sen in der Altstadt, das sind 43,5 cbm Trüm­mer je Kopf der Bevölkerung, das trostlose Stadtbild jener Schreckenstage 1945. Schon Ende 1948 konnte die Enttrümmerung der Altstadt als vollzogen gemeldet werden – zumindest zu 94,4 Prozent.

Arbeitsschutzbestimmungen wurden aufgehoben

Dorstener Trümmerfrau für das Foto fein gemacht

Dorstener Trümmerfrau für das Foto fein gemacht

Statistisch waren Trümmerfrauen zwischen 15 und 50 Jahre alt, weil die alliierte Besatzungsmacht Befehle herausgegeben hatte, wonach alle Frauen zwischen 15 und 50 Jahren sich zu dieser Arbeit zu melden hatten. Das Kontrollratsgesetz Nr. 32 vom 10. Juli 1946 hob frühere Arbeitsschutzbestimmungen der Frauen dafür teilweise auf. Unter den Trümmerfrauen waren (statistisch) auch meist Witwen mit ein bis zwei Kindern, weil es laut Bevölkerungsstatistik von 1945 rund 7 Millionen mehr Frauen als Männer in Deutschland gab. Nach dem Abriss der stehen gebliebenen Gebäudemauern mussten Wandteile soweit zerkleinert werden, dass die Ziegelsteine, ohne diese zu beschädigen, abgetrennt werden konnten, die dann für Reparaturen oder Neubauten wieder verwendet wurden. Die Ziegelsteine wurden in einer Personenkette von Hand zu Hand aus den Ruinen an den Straßenrand weitergereicht. Dort wurden sie auf Holzböcken oder anderen festen Unterlagen abgelegt und mit einem Maurer- oder Putzhammer von den Mörtelresten befreit. Frauen schichteten dass die gesäuberten Steine nach einem vorgegebenen System zu 200 Stück auf. Zur Wiederverwendung kamen zusätzlich halbe Ziegel, Balken, Stahlträger, Herde, Waschbecken, Toilettenbecken, Rohre und anderes. Schutt wurde von den Frauen auf Schubkarren, Pferdewagen, Trümmerbahnen oder Lastwagen abtransportiert. Die nicht mehr verwendbaren Ziegelsteinbruchstücke kamen auf große Lagerflächen, wo dann die Trümmerberge wuchsen. Damit konnten dann Bombentrichter aufgefüllt werden.

Nur ehrende Anerkennung – Ehrentafel in Aachen

Die Leistungen der Trümmerfrauen wurden in Feierstunden, mit der Errichtung von Denkmälern, durch die Organisation von Ausstellungen und der Überreichung von Auszeichnungen gewürdigt. Zu einer der ersten Würdigungen gehörte, mit der Einführung der Deutschen Mark 1949, die Gestaltung des Bildes der neuen 50-Pfennig-Stücke in der Bundesrepublik. Es zeigte eine Eichen-Pflanzerin, mit der sowohl an die in der Wiederaufforstung tätigen Waldarbeiterinnen als auch an die Trümmerfrauen erinnert werden sollte. In einer Rede forderte Westberlins Bürgermeisterin Louise Schröder vor dem Bonner Bundestag am 30. September 1949, in welcher sie massive Hilfe für Berlin anmahnte, eine umfassende Anerkennung dieser Leistungen mit den Worten:

„Unsere Frauen sind es gewesen, die mit ihren bloßen Händen die Straßen von der Lebensgefahr befreit und die Trümmer aufgeräumt haben. […] Und als Frau muss ich sagen, hier haben wir geradezu eine Ehrenpflicht, eine Ehrenpflicht gegenüber den Frauen, die noch im weißen Haar zum Zwecke der Enttrümmerung auf der Straße gestanden haben, und die nun plötzlich arbeitslos werden, weil wir sie nicht mehr bezahlen können.“

Renten wurden den Trümmerfrauen eine lange Zeit verweigert

Denkmal in Aachen (2008)

Denkmal in Aachen (2008)

Am 2. Mai 1952 verlieh Bundespräsident Theodor Heuss 32 Trümmerfrauen und 17 Enttrümmerungsarbeitern das Bundesverdienstkreuz. Außer der Ehre bekamen die Trümmerfrauen keine Mark Anerkennung für ihre Arbeit. Der Sozialstaat war noch nicht ein­mal auf dem Papier vorgeformt, geschweige denn in die Tat umgesetzt. Bis März 1947 wurde keine Mark Witwen- und Waisenrente gezahlt. Selbst 1949 gab es noch keine staatli­che Unterstützung für Kriegerwitwen, sofern sie nicht zwei Kinder unter acht Jahren hat­ten oder über 65 Jahre alt waren oder zu mehr als 50 Prozent erwerbsvermindert. Im ersten Fall erhielten sie 30 Mark, im zweiten 60 Mark. Witwen- und Waisenrente durften 120 Mark nicht übersteigen. Erst nachdem eine ehemalige Trümmerfrau Suizid beging, weil sie eine Mieterhöhung von 76 Mark nicht zahlen konnte, dachten die verantwortlichen Politiker erst in den 1990er-Jahren darüber nach, dass Trümmerfrauen für ihre jahre­langen Leistungen für das Allgemeinwohl ei­gentlich eine Rente verdienten. Allerdings hatten sich Ansprüche in den meisten Fällen bereits auf natürlichem Wege von selbst erledigt.

Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Email this to someone