Oelmüller, Prof. Willi

Sein Thema war die Auseinandersetzung mit dem Bösen und Üblen

1930 in Dorsten bis 1999 in Montaigne/Toskana (Italien); Religionsphilosoph. – Er beschäftigte sich mit dem „Bösen und Üblen in der Welt“ und versuchte, die drängenden Probleme der Gegenwart mit der Philosophie zu bewältigen. Oelmüller wuchs in der Feldmark auf und machte am Gymnasium Petrinum 1951 das Abitur. Er studierte Religion und Philosophie in Münster und promovierte 1956 mit der Dissertation „Das Problem des Ästhetischen bei Friedrich Theodor Vischer – Studie zur Geschichte der nachhegelschen Ästhetik“. Nach der Habilitation erhielt er 1965 einen Ruf der Pädagogischen Hochschule Paderborn (heute Universität) und übernahm bis 1980 den Lehrstuhl für Philosophie, wechselte dann zur Ruhr-Universität Bochum und emeritierte 1992 vorzeitig aus gesundheitlichen Gründen.

Zentrale Gegenwartsprobleme erörtert und darüber publiziert

Buchtitel Willi OelmüllerSeit seiner Promotion galt sein besonderes Interesse der Ästhetik, dann bald mehr noch den Fragen der Religionsphilosophie, der Ethik und Normenbegründung sowie den grundsätzlichen Problemen der Moderne und Aufklärung. Sein Buch „Die unbefriedigte Aufklärung“ (1969) wurde als herausragende wissenschaftliche Arbeit gewürdigt. Oelmüller organisierte einige Kolloquien, bei welchen er Fachleute verschiedener Disziplinen und philosophischer Schulen zur Diskussion zentraler Gegenwartsprobleme zusammenführte. Neben seinen zahlreichen eigenen Arbeiten, in denen er seine breite Kenntnis der neueren Philosophie für systematische Fragen fruchtbar machte, hat er der Gegenwartsphilosophie durch zwei Großunternehmen gedient. Zum einen organisierte er eine Folge von Kolloquien, bei welchen er Repräsentanten verschiedener Disziplinen und philosophischer Schulen zur Diskussion zentraler Gegenwartsprobleme zusammenführte, zum anderen gab er eine Reihe „Philosophischer Arbeitsbücher“ heraus, die fast zu allen philosophischen Disziplinen wichtige Texte geeignet präsentieren.
Hat Oelmüller mit dem ersten Projekt den innerphilosophischen und interdisziplinären Dialog über wichtige Sachfragen und so das systematische Philosophieren gefördert, so beförderte er mit dem zweiten Unternehmen die Philosophiedidaktik und die angemessene Präsenz der Philosophie auch außerhalb der Universität, besonders in den Schulen. Mit dem Schöningh-Verlag verband ihn eine lange Zusammenarbeit. In den letzen Jahren beschäftigten ihn vor allem die Fragen nach dem Leid der Menschen, nach dem Bösen und Übeln in der Welt, und dies im Kontext der noch immer unerledigten Theodizeeproblematik. Der Titel der zu seinem 65. Geburtstag 1995 erschienenen Festschrift fasst seine Hauptintention glücklich zusammen: Philosophische Orientierung.

Buchtitel Willi OelmüllerWerke: „Friedrich Theodor Vischer und das Problem der nachhegelschen Ästhetik“, Kohlhammer Stuttgart 1959. – „Die unbefriedigte Aufklärung – Beitrag zu einer Theorie der Moderne von Lessing, Kant und Hegel“, Suhrkamp 1969. – „Kirche im Prozess der Aufklärung: Aspekte einer neuen politischen Theologie“, Kaiser München 1970 (zusammen mit Johann Baptist Metz, Jürgen Moltmann). – „Was ist heute Aufklärung?“, Patmos Düsseldorf 1972. – „Fortschritt wohin? – Zum Problem der Normenfindung in der pluralen Gesellschaft“, Patmos Düsseldorf 1972. – „Weiterentwicklungen des Marxismus“, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1977. – „Wozu noch Geschichte?“, Fink München 1977. – „Thodizee – Gott vor Gericht?“ (Hrsg.), Fink München 1990. – „Worüber man nicht schweigen kann. Neue Diskussionen zur Theodizeefrage“ (Hg.), Fink München 1994. – „Philosophische Aufklärung. Ein Orientierungsversuch“, Fink München 1994. – „Grundkurs philosophische Anthropologie“, Fink München 1996 (zusammen mit Ruth Dölle-Oelmüller). – „Negative Theologie heute – die Lage der Menschen vor Gott“, Fink München 1999.

Gott passt nicht zu uns

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ veröffentlichte am 16. Juli 1993 unter dem Titel „Gott passt nicht zu uns“ einen Text, der sich mit Prof. Willi Oelmüllers Philosophie über das Böse und Üble in der Welt auseinandersetzt:

Nehmen wir an, ein Mensch denkt das Folgende: Die UNO ist eine Folge des Zweiten Weltkriegs, die Menschenrechte wurden weltweit zur Norm. Das Ende der kolonialen Reiche ist eine Folge des Zweiten Weltkriegs. Die Existenz des Staates Israel ist eine Folge der Judenvernichtung Hitlers und eine Folge des Zweiten Weltkriegs. Dass die Polen in sicheren Grenzen leben können, ist eine Folge des Zweiten Weltkriegs.
Der Zweite Weltkrieg hat Millionen Menschen das Leben gekostet, war insofern etwas Grauenvolles und Schlimmes. Aber er war nötig und insofern etwas Gutes. Ohne die UNO, die natürlich zur Weltregierung – nach Kant eine Bedingung „ewigen Friedens” – weiterentwickelt werden muss, gibt es keine Chance, eine ökologische Katastrophe des Globus zu verhindern. Schauen wir nur aus einer hinreichend weiten Perspektive, am besten gleich aus dem Blickwinkel der Ewigkeit, dann müssen wir zugeben: Das Übel ist die Bedingung des Guten. Der Mensch, der die Ereignisse der Geschichte so liest, als folgten sie einem sinnvollen Plan, hat wahrscheinlich Leibniz gelesen: Nach Gottfried Wilhelm Freiherr von Leibniz, 1646 bis 1716, ließe sich Auschwitz verrechnen.
Folgten wir dem Gedanken: Aus Übeln entsteht Segen, dann schauten wir auch schon halb und halb der Regie in die Karten. Voila. Auch Aids hat sein Gutes: Wenn der Schwarze Kontinent erst entvölkert ist, kann die Sahelzone sich ökologisch erholen. Daneben ist die Krankheit eine Bremse gegen die grassierende Schweinerei. Nur nicht sentimental werden, die Bilanz des Leidens wird positiv sein! Es gibt Leute, die solches Denken für Gottvertrauen halten.
Der Philosoph Willi Oelmüller, seine Kollegen Hans Michael Baumgartner, Peter Koslowski, Hermann Lübbe, Odo Marquard und Robert Spaemann saßen mit den Theologen Walter Sparn, Gerhard Sauter, Thomas Pröpper und Johann Baptist Metz und anderen zusammen, um sich über die Theodizee zu streiten. „Theodizee” ist eine Begriffserfindung von Leibniz. Es gibt eine Theodizeefrage und eine Theodizeeantwort. Die Frage: Wie kann ein Gott, von dem es heißt, er sei allgütig und liebe die Menschen, einen Weltlauf zulassen, in dem so viel Blut und Tränen fließen? Wie kann er das Böse zulassen, wenn er doch – und das soll doch auch von ihm gelten – allmächtig ist?
Die Antwort: Gott weiß es, er ist nämlich auch allwissend. Wir aber wissen es nicht. Aus Bösem entsteht Gutes. Zwar ist die Welt nicht ein Paradies – es gibt das Böse, zweifellos. Aber das Böse ist nötig. Ohne Hunger keine Arbeit, ohne Arbeit kein Leben. Wir leben zwar nicht in einer durchgängig guten, aber in der „besten aller möglichen Welten”.

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