Michaelisstift

In Lembeck als Domizil für die gräflichen Witwen Merveldt gedacht

Michaelisstift Lembeck um 1930

Ansicht des Michaelisstifts Lembeck um 1930 mit Kapelle

1702 starb mit Freiherrn Dietrich Konrad von Westerholt der Lembecker Zweig dieses Geschlechts im Mannesstamm aus. Die Erbtochter heiratete 1709 den Freiherrn Theodor Ferdinand Dietrich von Merveldt. Die Witwe des letzten Westerholt auf Lembeck und Schwiegermutter des ersten Merveldt, Freifrau Maria Anna Theodora geborene Freiin von Wallbot-Bossenheim zu Gundenau, wohnte auf dem Gut Hagenbeck bei Holsterhausen und leitete von dort aus die ihr hinterlassenen Güter. 1727 baute sie in der Bauerschaft Endeln in Lembeck ein kleines herrschaftliches Haus als Witwensitz, der aber nie bezogen wurde. Zugleich errichtete sie eine Kapelle. Als Baumeister holte sie Johann Conrad Schlaun. An Michaelis 1727 wurde die Kapelle geweiht. Die von der Witwe 1738 entworfene Michaelisstiftung sah vor, dass der Witwensitz auch anderen Familienangehörigen im Krankheitsfall als Domizil dienen sollte. Außerdem konnten fünf Witwen, ledige Töchter oder „verschämte Arme“ unterstützt und fünf Waisenkinder aufgenommen und zur Schule geschickt werden. Nach dem Tod der Stifterin 1742 stellte sich heraus, dass für eine solche Stiftung kein ausreichendes Vermögen mehr da war und deshalb der Schwiegersohn den Willen der Verstorbenen als Stiftung übernahm.

Alters- und Waisenhaus für Bewohner her Herrlichkeit Lembeck

Erst 1830 wurden die verfallenden Gebäude ausgebessert, ein neues Wohngebäude erstellt und in der Kapelle die Familiengruft angelegt. Graf Ferdinand Anton von Merveldt stiftete 1842 ein Alters- und Waisenhaus für die Bewohner der Herrlichkeit. Aus der Stiftung hat sich auch ein Krankenhaus entwickelt, dessen erster Arzt Dr. Heinrich Muess war. Im gleichen Jahr kamen zwei Clemensschwestern aus Münster und für die Waisenkinder wurde eine Lehrerin eingestellt. Die gräfliche Witwe Sophie, eine Schwester des Bischofs von Ketteler in Mainz, erwirkte beim Papst, dass Besucher der Kapelle Ablässe erhielten.
1943 fielen Brandbomben auf das Haus, die aber keinen großen Schaden anrichteten. Immer mehr Bombenopfer aus der Umgebung wurden im Krankenhaus aufgenommen. Die Schwestern mussten sich häufig am Lembecker und Rhader Bahnhof um die Verletzten kümmern, die der Bombardierungen der Züge ausgesetzt gewesen waren. Im Februar 1945 wurde das Haus durch die Wehrmacht als Lazarett beschlagnahmt. Das Haus füllte sich schon am nächsten Tag mit 200 verwundeten Soldaten, die auch in der Kapelle lagen. Schon einen Monat später wurde das Lazarett geräumt, weil die Amerikaner nahten, und einen Tag später besetzten alliierte Kampftruppen Lembeck und die Bewohner des Michaelisstifts mussten das Haus (ausschließlich Keller, Küche und Kinderheim) räumen. Kranke, Schwestern und Angestellte kamen im Keller oder bei Nachbarn unter. Nach acht Tagen wurde das Haus wieder freigegeben.

Ansicht des Michaelisstifts 2013, Foto: JF

Von 1998 bis 2013 Kloster der Karmelitinnen

Danach wurde die Stiftung, die Träger des Krankenhauses (1968: 38 Betten, 1969: geschlossen) und des Alten- und Kinderheims (1968: 20 Plätze, 1977 geschlossen) war, in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts umgewandelt. 1960 hatte das 1968 aufgelöste und in ein Altenheim umgewandelte Krankenhaus 48 Betten. Das Altenheim wurde 1995 sozialverträglich geschlossen und die letzten fünf Ordensschwestern verabschiedet. 1998 zogen zwölf Karmelitenschwestern aus Bonn-Pützchen ein, denen ihr dortiges Kloster zu groß geworden war. Sie meditieren, betreuen Gäste, stellen Kerzen und Handarbeiten her, die sie verkaufen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Auch kümmern sie sich um die Kapelle. Sie geben jungen Frauen, die sich für den Karmel interessieren, die Möglichkeit, maximal drei Monate in der Gemeinschaft zu leben. Anfang 2013 verkündeten die Karmelitinnen, dass sie Ende des Jahres das St. Michaelisstift wieder verlassen und den malerisch gelegenen Karmel am Mittellandkanal in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover beziehen wollen. Die hohen Heizkosten für die alten Räumlichkeiten in Lembeck-Endeln seien der Grund für den Wegzug nach 15 Jahren. Die Priorin teilte mit, dass sich der Konvent in Lembeck „sehr wohl gefühlt“ habe und viele Freundschaften geschlossen worden seien.

Ab 2016 Unterkunft für Flüchtlinge

Nach einem zweijährigen Leerstand mietete die Stadt Ende 2015 das Stift als Unterkunft für Flüchtlinge. Ab Januar 2016 werden dort etwa 100 Flüchtlinge untergebracht. Das Stift an der Rhader Straße verfügt auch über Gemeinschaftsräume für Sprach- und Spielkurse für Kinder, zudem über Räume für den Hausmeister und der Flüchtlingsberatung der Caritas.

Umbau ab 2020: Fünf Wohnungen werden eingerichtet

Das Michaelisstift hat Mönche und Nonnen, Alte, Kranke und Kinder beherbergt, dann Flüchtlinge. Seit Mitte 2020 wird das leerstehende Haus umgebaut. Es sollen fünf Wohnungen entstehen, wie der Besitzer, Graf von Merveldt, Ende Mai 2020 mitteilte. Die Gebäudesubstanz besteht aus Fachwerk, aus Sand- und Ziegelsteinen. Im Haus gibt es Böden aus Eichenholz. All das sei erhaltenswert und mache den besonderen Charme des Hauses aus, so Ferdinand von Merveldt. Es wird mit einer Bauzeit von etwa zwei Jahren gerechnet.

Michaelis-Kapelle mit Hochaltar und alten Gemälden

Die einfache Kapelle mit Apsis besitzt ein stuckiertes Tonnengewölbe mit Gemälden. Neben der steinernen Michaelis-Darstellung über dem Portal sind die barocken Elemente im Hochaltar, die geschnitzte Kommunionbank und das Chorgestühl erwähnenswert, die bei einer Neuausstattung im 19. Jahrhundert eingearbeitet wurden. Die spätgotische Anna Selbdritt entstand im 15. Jahrhundert, die barocken Heiligenfiguren entstammen dem 18. Jahrhundert.


Siehe auch:
Lembeck, Schloss


Quellen:
Prof. Dr. Albert Weskamp „Die Michaeliskapelle und das neben ihr errichtete Kranken- und Waisenhaus“ in HK 67. – Hugo Hölker „Michaeliskapelle in Lembeck“ in HK 1997. – Archiv Schwiedereck, Nachlass Hugo Hölker.

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