Lippeschifffahrt

1526 mussten 225 Schiffe städtischen Lippezoll entrichten

Inserat, das 1898 Vergnügen verspricht

Inserat, das 1898 Vergnügen verspricht

Trotz geringer Wasserführung mit einem Wasserstand von 0,9 bis 1,5 m und einer Breite von lediglich 15 bis 35 m war die Lippe bis zu den 1870er-Jahren ein Verkehrsweg von überregionaler Bedeutung. Die Lippe war der einzige Schifffahrtsweg des Vests. Schon 1462 wurden in Dorsten kurfürstliche und städtische Lippezölle erhoben, und im Jahr 1526 ist nachgewiesen, dass 225 Flussfahrzeuge („Vlothe“) Abgaben leisteten.

Im 19. Jahrhundert setzten sich der preußische Minister vom und zum Stein sowie der westfälische Oberpräsident von Vincke für die Förderung des Schiffsverkehrs auf der Lippe ein. Drei Schifffahrtsunternehmen erhielten das Recht, Güter stromauf- und stromabwärts zu versenden. Die Gründe für den sich stets ausweitenden Handel auf der Lippe waren vielschichtig: Das Salz der Gruben bei Unna und Weil musste zum Rhein transportiert werden, ebenso das Erz des märkischen Sauerlandes, dann Holz aus dem Lippegebiet und Agrarprodukte aus der südmünsterländischen Getreideregion. Auch brachte der holländische Handel Konsumgüter nach Dorsten.

Lippeläufe 18. Jahrhundert

Lippeläufe auf Karten (1707 oben) und 1735

Die Interessengegensätze der Anrainerstaaten waren für die Lippeschifffahrt hinderlich. Es gab einen 400-jährigen Streit um Nutzungsrechte, Zölle, Abgaben und Uferordnungen. Erst als 1815 das gesamte Gebiet preußisch geworden war, konnte die Lippeschifffahrt planmäßig ausgebaut werden. 1820 sind zur Aufrechterhaltung des Transportverkehrs auf der Lippe Schleusen eingebaut worden. Der Verkehr steigerte sich 1850 auf über hundert Schiffe auf der Lippe. 1853 begann auf der Lippe die Lippedampfschifffahrt. Eine Fahrt auf der Lippe von Lippstadt nach Wesel, am Nordrand des Vests vorbei, dauerte damals fünf Tage. Zu Tal bildete die Strömung eine natürliche Triebkraft. Die Geschwindigkeit betrug, unterstützt durch die Zugkraft von Pferden (Treideln), etwa fünf Kilometer in der Stunde. Das Befahren der Lippe erforderte mancherlei fahrtechnische Kenntnisse und Fähigkeiten. Gefürchtet war das Festfahren auf Sand, das bei unzureichender Kenntnis der Fahrrinne leicht möglich war. An besonders gefährlichen Stellen wurde einem Lotsen die Lenkung des Schiffes übertragen. Große Vorsicht verlangte auch das Überwinden der Stromschnellen und bei stärkeren Strömungen, zum Beispiel bei den Papensteinen bei Hervest und einer Stelle zwischen Dorsten und Gahlen.

Das Flößen von Lippstadt nach Wesel dauerte acht Tage

In sehr trockenen Sommern lag die Schifffahrt lahm, ebenso in strengen Wintern, in denen der Fluss zugefroren war. Bei niedrigem Wasserstand übten die Lippeschiffer die Holzflößerei aus. Das Floß wurde mit Stangen und dem Steuer, „Lapp“ oder auch „Striek“ genannt, gelenkt. Es kam vor allem darauf an, die zahlreichen Kurven geschickt zu nehmen, sonst saß man fest. Das Flößen dauerte von Lippstadt nach Wesel etwa acht Tage bei einer tagtäglichen Fahrzeit von 12 Stunden. Von Wesel gingen die Schiffer, als die Eisenbahn noch nicht fuhr, zu Fuß zurück, sogar bis nach Lippstadt. An Sonntagen stellten die Schiffer ihre Schiffe gerne Vereinen zu Ausflügen zur Verfügung. Überhaupt ging es sonntags „an Land“ lustig zu. An einem Sonntag in den 1870er-Jahren lagen in Ahsen an der Lippe vier Schiffe und etwa 70 Flöße, um am Montag weiterzufahren. Sonntagabend war Tanz in den kleinen Wirtschaften angesagt.

Dampfschiff auf der Lippe 1909

Dampfschiff auf der Lippe 1909

Nach Einführung der Dampfschiffe in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es ab der Jahrhundertwende ruhiger auf der Lippe. Es gab bald keine Lippeschiffe mehr. Die Technik trat auch hier ihren Siegeszug über die heute anmutende romantische Lippeschifffahrt an. Der Lippe-Seitenkanal übernahm die Funktion der Lippeschifffahrt.

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