Justiz NRW / Personalnotstand

Überlastung sorgt für Frust bei der Polizei und verzöger die Strafverfolgung

Pensionierungswelle: Brandenburg sucht RichterImmer wieder wird beklagt, so auch Mitte des Jahrs 2023, dass es im Land Nordrhein-Westfalen immer mehr offene Stellen und Fälle in der Justiz gebe. Der Richterbund sieht viel  Mängel und eine „ungeheure Schieflage“ bei der Besoldung. Die Engpässe haben Auswirkungen auf Prozesse. Die Überlastung der Justiz in NRW sorgt für Frust bei der Polizei und für Verzögerungen in der Strafverfolgung. 2023 hatte NRW 1480 Planstellen für Staatsanwälte, 304 mehr als 2018. Zum Jahresbeginn 2023 waren davon über 200 unbesetzt, Mitte 2023 waren es noch 120. Zudem fehlten 372 Rechtspfleger und Amtsanwälte. Im März 2023 gab es 226.000 unerledigte Fälle – ein Plus von 34 Prozent in zwei Jahren, die allerdings in die Corona-Zeit fielen.

Es fehlen 200 Planstellen bei der Staatsanwaltschaft

Mitte 2023 waren also landesweit 120 Stellen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte unbesetzt. Zugleich stieg die Zahl der Ermittlungsverfahren: 2022 gab es einen Zuwachs von 8,4 Prozent. Inzwischen sei auch eine Vollbesetzung in den Staatsanwaltschaften völlig ungenügend, beklagte der Richterbund NRW: Es müssten 200 weitere Planstellen geschaffen und natürlich auch besetzt werden. In NRW gab es Mitte 2923 eine Lücke von 320 Staatsanwälten, die in Vollzeit arbeiten. Die Staatsanwaltschaften seien „stark belastet“, hatte Landesjustizminister Benjamin Limbach (Grüne) in einem Interview mit den Ruhr-Nachrichten (Dorstener Zeitung) erklärt und angekündigt, dass „nachjustiert werden müsse. Weil das Land aber schon die vorhandenen Posten nicht besetzt bekommt, versucht man dies zunächst nur in bescheidenem Rahmen. Für das 2024 beantragte das Justizministerium 20 zusätzliche Stellen für Staatsanwälte. Ob sie bewilligt werden, ist angesichts der Haushaltslage unklar. Durch Personalmangel werden Gerichtsverfahren später eröffnet oder ziehen sich in die Länge. Folgen hat das beispielsweise, wenn Verdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen, weil deren Dauer gesetzlich nicht mehr vertretbar ist. Im vergangenen Jahr geschah das nach Zahlen des Richterbundes deutschlandweit mindestens 73 mal, Tendenz steigend. Die meisten Fälle meldete Bayern mit 15 Entlassungen.

Richterbund kritisiert Besoldung und fordert ein Umdenken der Politik

Erfahrungsgemäß werden Urteile eher milder, wenn eine Tat länger zurückliegt, und Zeugen sich in Prozessen schlechter erinnern können. Ein Ärgernis auch für die Ermittler, die Verdächtige vor die Justiz bringen. „Dadurch wird die Beweisführung schwieriger, gegebenenfalls sogar eine Verurteilung verhindert“, sagte Michael Mertens, NRW-Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. SPD und FDP sehen Innen- und Justizminister in der Pflicht, für mehr Personal zu sorgen. Der Landesvorsitzende des Richterbunds Friehoff forderte zudem ein Umdenken der Politik bei der Besoldung: „Wenn wir Richter und Staatsanwältinnen ordentlich bezahlen würden, hätten wir auch mehr Bewerber.“ In der freien Wirtschaft erwarteten fähige Kräfte Einstiegs-Jahresgehälter von 110.000 bis 140.000 Euro brutto. Ein Staatsanwalt fängt laut Besoldungstabelle bei 56.300 Euro an. Nach einem Aufstieg, etwa zum Oberstaatsanwalt an einem Landgericht, und in der höchsten Erfahrungsstufe liegt er noch bei unter 100.000 Euro.

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