Jochmaring, Franz

Rabiater Pfarrer ohrfeigte die Gläubigen in der Kirche

1752 in Dorsten bis 1807 in Herbern; streitsüchtiger Pastor. – Wer glaubt, Geistliche wie „Don Camillo“ oder „Father Brown“ wären eine Erfindung von Schriftstellern, der irrt. Denn der Dorstener Franz Joseph Jochmaring, Pfarrer in Herbern, war ein westfälische Don Camillo, der kräftig Ohrfeigen an seine Gottesdienstbesucher austeilte und auch sonst sehr starrköpfig und unbeherrscht war.

Laden im Häuschen an der Ecke Recklinghäuser Straße

Elternhaus von Franz Jochmaring in Dorsten

Elternhaus von Franz Jochmaring in Dorsten

Franz Josef Jochmaring (auch Jochmardink) verlor im Alter von neun Jahren beide Eltern. Das als „Jochmaring’sche“ bekannte Eckhaus Südgraben/Recklinghäuser Straße gehörte noch vor dem letzten Krieg den Geschwistern Jochmaring. Sie hatten dort einen Laden, in dem es alles zu kaufen gab. 1773 bat der Student Jochmaring um Studienbeihilfe aus der Kridt`schen Stiftung. Als er auf das nächste Jahr vertröstet wurde, beantragte er als Schüler der Physik am Gymnasium Petrinum um Aufnahme in das Herberner „seminarium pauperum“. Das wurde ihm gewährt, denn es war ein Seminar für Arme. 1774 begann er ein Studium der Theologie und musste die Abschlussprüfung 1778 mit Genehmigung des Bischofs wiederholen. Der Student war für 1779 als Vikar in Herbern vorgesehen, wurde aber auf seine Intervention hin sofort Pfarrer. Das ist ein ungewöhnlicher Aufstieg für einen jungen und unerfahrenen Geistlichen. Pastor Jochmaring wird als nassforsch und draufgängerisch, aber auch als hoch intelligent beschrieben, der stets den direkten Weg suchte, um etwas durchzusetzen. Das war genau der Mann, den das Generalvikariat in dieser Zeit des politischen Umbruchs brauchte. Das Pfarramt in Herbern war vom Vorgänger verschludert worden. Jochmaring sollte wieder Ordnung schaffen. Eine Aktennotiz des Generalvikariats charakterisiert ihn treffend als „stolz“ und „von bekannter Schlauigkeit“.

Maulschellen für Alte und Junge, Frauen und Männer

Gerichtsakte Lembeck

Untersuchungsakte gegen FRanz Jochmaring 1805

Bezeichnend für Jochmarings direkte Art ist ein Vorfall, der an „Don Camillos“ erinnert: Beim Ostergottesdienst 1802 gab es beim Austeilen der Kommunion ein Gedränge, das zu einer Schlägerei in der Kirche ausartete. Danach kam es zur Gerichtsverhandlung beim Generalvikariat. Anlass war die Anordnung Pastor Jochmarings an die Gläubigen, sich in einer geordneten Reihe zur Kommunionbank hin bewegen zu wollen, und nicht in stürmendem Gedränge, wie sie es vom Vorgänger des Pfarrers gewohnt waren. Da sich die „Communicanten“ an die Anweisung des Pfarrers nicht hielten, rastete Jochmaring aus. In den Gerichtsakten des Bistums steht, dass „der Pastor Ohrfeigen vertheilte, links und rechts, an Jung und Alt, an Männer und Frauen“. Vorerst blieb dies aber ohne Folgen. Als Ende des Jahres beim Weihnachtsgottesdienst Pastor Jochmaring bei gleichem Anlass wieder Ohrfeigen austeilte, erhoben vier geohrfeigte alte Männer beim Generalvikar in Münster offiziell Klage. Da Münster von 1801 bis 1806 preußisch besetzt war, musste der Vorfall nun offiziell untersucht und Zeugen vernommen werden. Die Zeugin Hohebohmer sagte u. a. aus: „Ich muss übrigens bemerken, dass der Schlag, welchen ich vom Pastorn erhalten habe, mich nicht sehr geschmerzet, dass ich dershalben durchaus nicht aufgebracht gegen den Pastorn gewesen war.“ Gleichzeitig forderte sie aber 40 Reichstaler für erlittenen Schaden und für die Reisekosten. Als Gerichtsbote zwischen dem Generalvikariat und dem ohrfeigenden Pastor fungierte pikanterweise Jochmarings Küster. Franz Joseph Jochmaring wurde vom Kirchengericht verurteilt, 47 Reichstaler zu bezahlen, die sein Küster bei ihm eintreiben musste. Seine Untergebenen behandelte Pfarrer Jochmaring ähnlich rüde. Der Kaplan La Pierre beschwerte sich, dass der Pastor über seine Arbeit selbstherrlich entscheide. Als Jochmaring sich 1798 in die Besetzung einer Pfarrstelle in Nordkirchen einmischte und für seinen Freund Theodor Hamburg intervenierte, wurde er mit 25 Talern Strafe belegt.

Ihm wurden auch böse Geschichten angedichtet

Auch Mitglieder seiner Pfarrgemeinde wurden von der Streitsucht des Pastors nicht verschont. Einmal brachte die Gemeinde ihn, dann er einzelne Gemeindeglieder vor das weltliche Gericht. Als das Pfarrmitglied Mathias Werschewag aus des Pastors Teich einen 12 Pfund schweren Karpfen gestohlen hatte und die „Unverschämtheit besessen“ hatte, seine Spuren auch noch zu verwischen, zeigte ihn der Pastor mit neun Anklagenpunkten bei der Polizei an. Der Ruf des in Dorsten geborenen Pfarrers war so schlecht, dass man eine Geschichte, die sicherlich nicht in dieser Zeit passierte, Pastor Jochmaring zuschrieb:

„An einem Sonntage nämlich wird unter dem Hochamt beim Evangelium plötzlich die Sturmglocke gezogen. Durch die Kirche verbreitet sich alsbald die Kunde, dass böses Volk, Spitzbuben und Raubgesindel im Kirchspiel sein Unwesen treibe. Alles strömt aus der Kirche und Pfarrer Jochmaring, der das Hochamt zelebriert, fährt nicht weiter fort, sondern legt hurtig die Paramente ab und zieht mit seinen Parochianern ins Kirchspiel, um die Spitzbuben aufzusuchen. Man findet sie in einem Versteck, macht mit ihnen kurzen Prozess und sie für alle Zeit unschädlich, d. h. tot, kehrt dann zum Dorf in die Kirch zurück und der Pfarrer fährt mit dem Hochamte fort.“

Einen wahren Hintergrund wird diese Geschichte sicherlich gehabt haben, aber Jochmaring ist der Vorfall, wann auch immer er passiert sein mochte, nicht in die Schuhe zu schieben. Noch lange nach Jochmarings Tod hörte man im Dorf Herbern zum sonntäglichen Hochamt, das „Evangeliums-Läuten“, das an jenen Vorfall erinnert haben soll. Franz Joseph Jochmaring, 1752 in Dorsten geboren, starb 1807 im Alter von 52 Jahren, nachdem er ein Jahr lang krank war.

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