Geiger, Carl

Reicher Dorstener Apothekersohn lebte als Pilger in dörflicher Armut

Von Wolf Stegemann – 1815 in Dorsten bis 1889 in Marpingen; Diakon, Ehemann und Pilger. – Über ihn und sein Leben ist wenig bekannt und in Archiven sucht man vergebens nach Informationen. Nur die letzten Jahre seines Lebens sind dokumentiert, weil sich der Dorstener Apothekersohn Carl Jakob Maria Geiger mit Inbrunst einer Marien-Erscheinungsgeschichte hingegeben hat, die ihn im letzten Lebensjahrzehnt in das saarländische Marpingen geführt hatte. Die Gemeinde hatte damals gerade 1.800 Einwohner, davon 90 Prozent Katholiken. Die meisten waren Bergleute, die wenigsten Ackersleute. Der Ort wurde schlagartig bekannt, als am Abend des 3. Juli 1876 drei achtjährige Schulmädchen „die Allerseligste Jungfrau Maria“ erschienen war. Der Ortspfarrer war anfangs skeptisch, später schenkte er der Erscheinungsgeschichte Glauben. Unter den zahlreichen Pilgern, die aus Deutschland und dem Ausland nach Marpingen kamen, befand sich auch der Dorstener Diakon Carl Geiger, der von der Marienerscheinung offensichtlich so angetan war, dass er sich in dem saarländischen Ort niederließ.

Er lebte mit Diakon-Weihen nach den Idealen des Franziskus

Alte Apotheke Geigers in Recklinghausen

Alte Apotheke Geigers in Recklinghausen

Carl Jakob Maria Geiger war der 1815 geborene Sohn des Dorstener Apothekers Jakob Geiger und dessen Ehefrau Franziska Rhodius, Apothekertochter in Dorsten, deren Vater Valentin Rhodius 1832 in Recklinghausen die aus dem Jahre 1740 stammende „Alte Apotheke“ übernommen und sie in die Breite Straße verlegte hatte, wo sie heute noch besteht.
Carl Geiger wollte eigentlich Priester werden. Er studierte Theologie in Leuven (Belgien) und erhielt die Weihen zum Diakon. Aus gesundheitlichen Gründen musste er allerdings seinen Priesterwunsch aufgeben. Geiger lebte in Paris, Köln und Münster. Was er beruflich tat, ist nicht bekannt. Doch brachte er es zu erheblichem Vermögen, bevor er sich in Marpingen niederließ. Man sah ihm und seinem Lebensstil seinen Reichtum nicht an, schrieben die Weitenbacher Franziskanerinnen in Marpingen in ihre Chronik: Er „lebte aber selbst in großer Armuth“. Geiger soll das „Franziskus-Ideal vorgeschwebt haben. Deshalb legte er für sich selbst das Gelübde der Armut im Geiste des hl. Franziskus ab und wollte seinen Lebensabend mit Werken der christlichen Liebestätigkeit in Marpingen verbringen. Mit seinem Geld begünstigte Geiger nur franziskanische Genossenschaften.

Geiger gründete das katholische Schwesternhaus in Marpingen

Marienfigur in Marpingen (2009)

Marienfigur in Marpingen (2009)

Damit er seine christliche Mission  noch effektiver gestalten konnte, kaufte er im Jahre 1886 ein Haus, das erst 1876 von den Eheleuten Schirra erbaut worden war. Bis zu diesem Erwerb wohnte Geiger als Mieter in dem Schirra-Haus. Der Haus-Bauer Jakob Schirra wurde aber bereits 1880 von seinem Schwiegersohn erstochen, der dann zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt wurde und im Staatsgefängnis Trier starb. Die Witwe heiratete erneut, konnte aber das Haus finanziell nicht halten. Daher verkaufte sie es für 2.835 Mark an den Mieter Carl Jakob Maria Geiger, der in dem Haus mit den dazugehörenden Stallungen und dem Garten das erste katholische Schwesterhaus in Marpingen vornehmlich für Krankenpflege errichtete. Geiger vermachte danach das gesamte Anwesen der Pfarrgemeinde. Sein Wunsch, eine Niederlassung der Franziskanerschwestern aus dem Mutterhaus in Aachen zu errichten, erfüllte sich nicht, denn der Bischof genehmigte eine Franziskanerinnen-Niederlassung aus dem holländischen Heithuizen, die in Marpingen ambulante Krankenpflege sowie eine Kinderbewahr- und Nähschule errichteten. Der Stifter Carl Geiger hatte Wohnrecht im Schwesternhaus.

Bismarck: Soldaten gegen Volksfrömmigkeit

Carl Geiger lebte nicht mehr lange. Denn auch die Aufregung über das verschleppte kirchliche Anerkennungsverfahren der Kranke heilende Marienerscheinung, die ihn in das saarländische Dorf geführt hatte, machte ihm gesundheitlich zu schaffen. Dass die katholischen Pilgermassen aus ganz Europa in das kleine Bergbaudorf („saarländisches Lourdes“) strömten, unterdrückte die Bismarcksche Regierung im Zuge des einsetzenden Kulturkampfes auch mit Soldaten. Die katholische Kirche versäumte eine fundierte Prüfung der wundersamen Erscheinung. Darüber starb Carl Geiger im Alter von 74 Jahren. Auf seinem Grabstein in Marpingen steht:

„Hier ruhen die sterblichen Überreste des Ehrwürdigen Herrn Diakon Carl Jakob Maria Geiger, geboren am 6. Februar 1815, gestorben am 7. Juli 1889. Vergesset Euren Wohltäter nicht in Euren Gebeten!“

Nachtrag: Am Ort der früheren Erscheinung von 1876, wo jetzt eine Kapelle steht, soll Maria zwischen Mai und Oktober 1999 erneut drei Frauen dreizehn Mal erschienen sein und ihnen Botschaften übermittelt haben. Am 8. August 1999 pilgerten mehr als 20.000 Menschen zur Marienkapelle, um dem Ereignis beizuwohnen. Eine Übernatürlichkeit der Erscheinung, an die Carl Jakob Maria Geiger glaubte, wird von der katholischen Kirche nicht anerkannt, eine kirchenamtliche Untersuchungskommission stellte 2005 Zweifel am behaupteten Erscheinen einer himmlischen Person fest. – Auch in Dorsten-Holsterhausen soll es 1949 eine Marienerscheinung gegeben haben, die von der katholischen Kirche nicht anerkannt wurde.

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