Fahrraddiebstähle

Organisierte Kriminalität professioneller Banden mit hohem Schaden

Wo ist der Rest? Foto: Wolf Stegemann

Wo ist der Rest? Foto: Wolf Stegemann

Mit dem neurealistischen und mit einem Oscar ausgezeichneten Kultfilm „Fahrraddiebe“ („Ladri di biciclette“) von und mit Vittorio de Sica hat der Fall von organisierter Kriminalität in Dorsten nichts zu tun, auch nicht die Ermittlungskommission der Polizei EK Bike 2009/10. Hunderte von Fahrraddiebstählen in Dorsten und Umgebung konnten von der Polizei aufgeklärt werden. Sie nahm sechs Tatverdächtige aus Dorsten im Alter zwischen 19 und 28 Jahren fest. Der Schaden, den sie anrichteten, bewegte sich im sechsstelligen Bereich. Die Täter spezialisierten sich auf hochwertige Fahrräder. Zwei der Täter dieser Bande von Fahrraddieben stammten aus Dorsten. Das Schöffengericht verurteilte die beiden Dorstener im Februar 2011 zu sechs Monaten Gefängnisstrafe auf Bewährung. Das Gericht stufte die Täter als „Mitläufer“ ein.  Ein weiterer Täter, ebenfalls „ein kleines Licht“ wurde Mitte 2011 vom Amtsgericht Dorsten zu einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Ende 2014 konnte die Polizei in Dorsten eine professionell agierende kriminelle Bande festnehmen, die sich auf Diebstähle von hochwertigen Fahrrädern spezialisiert hatte.

Fahrraddiebstähle wie eine Seuche

Noch nie wurden in Deutschland so viele Fahrräder gestohlen wie heute. In Deutschland gibt es rund 68 Millionen Fahrräder. Im Schnitt verschwindet hierzulande alle 90 Sekunden ein Fahrrad. 2014 registrierte die Polizei 340.000 gestohlene Fahrräder. Das waren 7,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Spitzenreiter der Diebstähle in Städten sind Magdeburg (1.638 gestohlene Fahrräder), Münster (1.509), Leipzig (1304). Die geringste Aufklärungquote hatte mit 6,9 Prozent Münster zu verzeichnen. Die wenigsten Fahrräder wurden in Wuppertal gestohlen, nämlich 97 Stück.
Auf Grund der festgestellten Dimension im Kreis des Polizeipräsidiums Recklinghausen wurde die Sachbearbeitung durch eine Ermittlungskommission (EK Bike) mit Beamten aus verschiedenen Fachdienststellen fortgesetzt. Unterstützt wurde die Arbeit der EK durch Ermittler aus Borken, da sich auch in diesem Bereich (Borken, Raesfeld, Velen, Oeding) ein Brennpunkt abzeichnete. Die gestohlenen Räder wurden in angemieteten Garagen in Dorsten zwischengelagert und später an Hehler verkauft. Zeitweise mussten sogar Transportfahrzeuge angemietet und eingesetzt werden, um die große Anzahl von gestohlenen Rädern vom Tatort wegtransportieren zu können. Im Februar 2010 konnte die Polizei die Fahrraddiebe festnehmen und ihnen auch Einbrüche in Garagen, Geschäften, Baumärkten und einen Raub nachweisen. Fahrraddiebstähle in Dorsten hatten vor über 80 Jahren schon einmal Hochsaison. Die „Dorstener Volkszeitung“ beklagte am 10. Juni 1932:

„Die Fahrraddiebstähle greifen in unserem Gebiet um sich wie eine Seuche. Es vergeht fast kein Tag, wo nicht ein oder sogar zwei Räder gestohlen werden. In den wenigsten Fällen ist es gelungen, die Täter zu fassen. Vielfach sind diese Diebstähle auf die Leichtsinnigkeit der Besitzer zurückzuführen. Was soll man z. B. dazu sagen, dass eines Morgens vor dem Rathaus vier Fahrräder standen, nicht angeschlossen und ohne Aufsicht. […] Die Radfahrer, die sorgsam mit dem Vehikel umgehen, ersparen der Polizei viel Arbeit und damit der Öffentlichkeit Geld. Es passt zu einem guten Bürger, wenn er auch in dieser Beziehung seine Bürgerpflichten erfüllt.“

In Münster werden die meisten Fahrräder gestohlen

Nach den neuen Zahlen des Landeskriminalamts (LKA) von Mai 2017 wird in Nordrhein-Westfalen alle sechseinhalb Minuten ein Fahrrad gestohlen. 2016 waren dies insgesamt 80.689 Räder. Die Dunkelziffer dürfte nach Meinung von Experten ziemlich hoch sein. Die Aufklärungsquote bleibt dürftig. Nach wie vor wird nur jeder 14. Fahrraddiebstahl aufgeklärt. Mit 5337 Fahrrädern wurden die meisten in der Universitätsstadt und „Fahrradhauptstadt“ Münster gestohlen, Münster ist somit in der Rangliste bundesweit führend. Weitere Städte: Bonn (Anstieg um 8,6 Prozent auf 2866 Fälle), Duisburg (Anstieg um 18,9 Prozent auf 3416 Fälle), Paderborn (Anstieg um 14,2 Prozent auf 1178 Fälle). Im sauerländischen Balve nahmen die Fahrraddiebstähle 2016 um 700 (siebenhundert) Prozent zu. Allerdings kam 2014 dort lediglich ein gestohlenes Fahrrad zur Anzeige. Laut LKA ist der „typische Fahrraddieb“ zwar über 21 Jahre alt, bei 293 angezeigten Fällen hatte die Polizei aber auch Kinder unter 14 Jahren in Verdacht.
2018 wurden in Nordrhein-Westfalen laut Polizei-Kriminalstatistik 71.000 Räder als gestohlen gemeldet, ein Rückgang von 3,5 Prozent im Vergleich zu 2017. Doch die Dunkelziffer dürfte nach Einschätzung von Experten enorm höher sein. Viele zeigen den Diebstahl gar nicht erst an. Fahrraddiebstähle werden immer mehr von Banden organisiert. Die Fahrräder werden gesammelt und versteckt ins Ausland gebracht. Daher wird nicht einmal jeder zehnte Fahrraddiebstahl aufgeklärt. Die Polizei geht nun mancherorts in Nordrhein-Westfalen mit Ermittlungsgruppen gegen Raddiebe vor. Daher ist in Köln (jährl. 9000 Fahrraddiebstähle)  seit 2018 eine sechsköpfige „Ermittlungsgruppe Fahrrad“ im Einsatz. Sie ermittelt seit Juni  2019 gegen vier Jungen im Alter von 12 und 15 Jahren. Die Verdächtigen sollen in 18 Monaten mehr als 100 Fahrräder in Köln gestohlen und im Internet verkauft haben (dpa).


Quellen:
DV vom 10. Juni 1932. – Klaus-Dieter Krause in DZ vom 15. Juni 2010.

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