Epping, Joseph

Holsterhausener Schneiderbursche in Privataudienz vom Papst empfangen

Epping und sein Freund rühren die Werbetrommel

Epping und sein Freund rühren die Werbetrommel

Von Wolf Stegemann – 1898 in Holsterhausen bis 1964 ebenda; Schneidermeister und Wandergeselle. – Bevor Joseph Epping 1928 heiratete und sich als Schneidermeister niederließ, zog es den Holsterhausener hinaus in die Welt. Vier Jahre lang war er von 1921 bis 1925 unterwegs. Sein Wanderbuch des katholischen Gesellenvereins ist voller Stempel und Zeugnisse einer arbeitsamen und sicherlich auch abenteuerlichen Wanderschaft im Norden Deutschlands, in Oberbayern und durch Österreich, entlang an der Donau bis zum Schwarzen Meer nach Konstantinopel, mit dem Schiff nach Alexandrien in Ägypten, nach Kairo und ins Heilige Land nach Jerusalem, nach Beirut und zurück nach Rom und Neapel, nach Berlin, wo er bleiben wollte und dann doch zurück nach Holsterhausen ging.

In Holsterhausen nannte man ihn den “Hofschneider von Kairo“

Er führte Tagebuch, das leider nicht vollständig ist, und hatte auch eine Leica-Kamera dabei, mit der er viele Aufnahmen machte, sei es vor den Pyramiden in Ägypten oder vor dem Sultanspalast in Konstantinopel oder auf dem Kamel in der Wüste. „Kleider machen Leute“ heißt die Novelle von Gottfried Keller, in der ein Schneiderlein durch seine selbst genähte prächtige Kleidung mehr scheint, als er in Wirklichkeit ist. Bei Joseph Epping war es umgekehrt. Er nähte für die anderen prächtige Kleider. In Holsterhausen sprach man von ihm als den „Hofschneider von Konstantinopel und Kairo“, denn er hat auf seiner jahrelangen Wanderschaft als Schneider Kleider für Hofbeamte genäht.

Reise mit dem Ziel in die osmanische Hauptstadt Konstantinopel

In der Wüste

Mit Kamel und Schlips auf dem Weg zu den Pyramiden

Vorerst blieb er aber in Deutschland, arbeitete zusammen mit seinem Freund als Wandergeselle in Solingen, Berlin, Stettin, Lübeck, Erfurt, Bad Kissingen, Ingolstadt, Augsburg, München, Oberammergau und Bad Reichenhall, wo sie für längere Zeit Arbeit fanden. In der Freizeit machten sie fidele Musik bei Feiern im Gesellenverein und Ausflügen ins Gebirge. Von Bad Reichenhall machten sich die beiden auf die Wanderschaft in das nahe Salzburg und nach Graz, über Maria Zell, und erreichten Mitte September 1921 Wien. Dort gerieten sie am 27. September in eine „großköpfige Kundgebung gegen den Versailler Frieden“. Erst im Mai des anderen Jahres konnten sie ihre Reise entlang der Donau mit dem Ziel Konstantinopel fortsetzen. Im Juni überquerten sie „mit einem kräftigen Heimatlied“ die österreichisch-ungarische Grenze bei Ödenburg. Epping schwärmte nicht nur von den vielen Kirchen und Klöstern, vor allem vom opulenten Frühstück: „Brot, Speck, Paprika und Wein.“ Irgendwann bestiegen die beiden einen Donaudampfer Richtung Budapest, wo sie die geschichtsträchtigen Kirchen, Klöster Brücken, Badeanstalten und den Prunk der Schlösser besichtigten. Weiter ging es 1924 mit dem rumänischen Dampfer „Donreista“ und nach 20 Stunden Fahrt kamen sie in Konstantinopel an. Der Holsterhausener Schneiderbursche schwärmte in seinem Tagebuch ausführlich über die Paläste und Moscheen in Konstantinopel. Vom deutschen Generalkonsulat erhielten die beiden Unterstützung und Essensmarken, denn es dauerte ein paar Tage, bis sie Arbeit fanden. Joseph Epping verkaufte seinen Mantel.

Epping und sein Wanderfreund

Epping und sein Wanderfreund in Berchtesgaden

In der Stadt am Bosporus traf er auf eine große deutsche Gemeinde, zu der viele ehemalige deutsche Soldaten gehörten, die in türkischen Kriegsdiensten standen und nicht mehr nach Deutschland zurück konnten oder wollten. Joseph Epping und sein Freund Theo schlossen sich den Hamburger Zunftgesellen (Schwarze Brüder) an. So lebten die beiden inmitten der deutschen Gemeinde, machten Ausflüge und nahmen am geselligen und sozialen Leben am Bosporus teil. Im Herbst schnürten die beiden Rastlosen ihr Bündel und dampften mit der „Merano“ über Rhodos, Zypern, Beirut und Jaffo nach Alexandria und Kairo, wo sie Arbeit fanden und sich auf die Weiterreise nach Jerusalem vorbereiteten. Hier endet das Tagebuch Eppings, aber die Bilder in einem voluminösen Fotoalbum erzählen die Geschichte weiter. Als die beiden im Herbst 1925 nach Palästina wanderten, besuchten sie in Jerusalem neben dem muslimischen Tempelberg die christlichen Pilgerstätten: Via Dolorosa, Grabeskirche, Zionsberg und den Ölberg; die Geburtskirche und die Milchgrotte in Bethlehem. Sie waren auch in Nazareth und am See Genezareth. Über Rom kehrten die beiden Wandergesellen nach Berlin zurück, das sie am 25. November 1925 erreichen. Kurz vor der Rückkehr nach Berlin gab es für den Wanderburschen Joseph Epping einen großen Tag in Rom, wo er im Haus des katholischen Gesellenvereins wohnte. Als Papst Pius XI. erfuhr, dass der Holsterhausener Schneidergeselle aus dem Heiligen Land kommend in der ewigen Stadt weilte, empfing er ihn am 22. November 1925 in Privataudienz unter der Pilger-Empfangsnummer 036690, gewährte ihm den Sakramentenempfang und den Jubiläumsablass. Geistlich so gestärkt, kam Joseph Epping drei Tage später in Berlin an.

In der Reichshauptstadt wollte sich der Holsterhausener als Schneider selbstständig machen, besuchte aber vorher noch einmal Holsterhausen. In seinem Heimatdorf an der Lippe wurde er überredet, doch auf heimischer Scholle selbstständig zu werden und nicht in der großen Stadt. Epping ließ sich gerne überzeugen, blieb in Holsterhausen, gründete eine Familie und hielt vor und nach dem Zweiten Weltkrieg Vorträge über seine abenteuerlich Wandergesellen-Reise nach Konstantinopel, Ägypten und ins Heilige Land. – Joseph Epping starb unerwartet 1964.

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