Denkmalschutz

Rat tat sich manchmal schwer mit der Erhaltung historischer Anlagen

Barocke Kreuzigungsgruppe am Philosophenweg; Foto: Wolf Stegemann

Denkmalschutz: Barocke Kreuzigungsgruppe am Philosophenweg; Foto: Wolf Stegemann

Von Wolf Stegemann – Die offizielle Liste mit geschützten Baudenkmalen umfasst 101 Positionen und  498 Gebäude in der Zechensiedlung Hervest sowie 19 Bodendenkmale (Stand 30. Juli 2011). Denkmalschutz dient dem Schutz von Kultur- und Naturdenkmalen. Sein Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass Denkmale dauerhaft erhalten und nicht verfälscht, beschädigt, beeinträchtigt oder zerstört und dass Kulturgüter und Naturerbe dauerhaft gesichert werden. Die rechtliche Definition und Rahmenbedingungen für den Denkmalschutz werden durch das Denkmalrecht festgelegt. Dem kulturellen Wirken einer Gesellschaft kann die Funktion zukommen, anhand dinglicher und sinnlich wahrnehmbarer historischer Zeugnisse über die Geschichte der Gesellschaft zu informieren und somit ein lebendiges Bild der Baukunst und Lebensweise vergangener Zeiten zu erhalten. Denkmalschutz kann auch als Bestandteil der Erhaltung von Lebensqualität betrachtet werden. Basis des Denkmalschutzes ist die Denkmalschutzliste, in der alle geschützten Denkmale verzeichnet sind.

Altes Rathaus sollte abgerissen werden – Dorstener Bürger protestierten

Ruinensprengung am Marktplatz nach der Bombardierung

Ruinensprengung, das Rathaus sollte auch weg!

Durch die Zerstörung der Dorstener Altstadt beim Bombenagriff im März 1945 hat die Dorstener Altstadt nicht mehr viele historische Gebäude aufzuweisen. Die alte Winck’s Mühle und der aus dem 17. Jahrhundert stammende Soldatenfriedhof an der Gladbecker Straße fielen der Ignoranz der Nachkriegspolitiker im Rat und in der Verwaltung der Stadt Dorsten und in der Folge dem Abbruchhammer zum Opfer. Den Abbruch der mindestens aus dem 16. Jahrhundert stammenden alten Stadtwaage, bekannt als Altes Rathaus am Markt, den die Kaufleute forderten, konnte die aufgebrachte Meinung der Bürger 1952 über die “Ruhr-Nachrichten” gerade noch verhindern.

Stadt missachtete bewusst eigene Denkmalschutz-Verordnungen

Denkmalgeschützt mit damals noch denkmalungerechtem Anstrich; Altes Rathaus

Altes Rathaus 1983: Denkmalwidriger Anstrich

In den 1980er-Jahren blieb die Mehrheit des Dorstener Rates stur dabei, die für dieses Bauwerk unpassende tiefblaue Farbe zu erhalten, obgleich die staatliche Denkmalschutzbehörde – selbst die in der eigenen Verwaltung – dieses Blau als falsch und somit nicht denkmalgerecht einstufte. Wegen dieser anhaltenden Sturheit entzog die Denkmalschutzbehörde des Regierungsbezirks Münster der Stadt die regelmäßig avisierten Zuschüsse in Höhe von 10.000 DM, was der Rat wissend in Kauf nahm. Erst durch eine private Initiative bekam das Alte Rathaus 1997 seinen denkmalgerechten steingrauen Anstrich.

Das Rathaus am Gemeindedreieck ist seit 2017 denkmalgeschützt

Das Rathaus und die ehemalige Stadtbibliothek (heute Cornelia-Funke-Baumhaus) sind 2017 in die Denkmalliste der Stadt Dorsten eingetragen worden. Die Gebäude seien „bedeutend für die Geschichte der Menschen und der Stadt“ und vermitteln „einen ausgeprägten Zeugniswert für die städtische Nachkriegsgeschichte“, heißt es in der Beschlussvorlage für den Rat. Für die künftige Nutzung und Sanierung gelten nach der Unterschutzstellung strenge – und vielleicht auch kostspielige – Richtlinien.

Stadt wollte denkmalgeschützes Haus in der Innenstadt abreissen

Sollte abgerissen werden, Besitzer wehrte sich; Foto: Gerd Jägering

Sollte abgerissen werden, Besitzer wehrte sich

Ebenfalls in den 1980er-Jahren sollte die Straße „An der Vehme“ begradigt und das noch bestehende historische Gebäude aus dem Komplex des alten Xantener Speichers aus dem 16. Jahrhundert abgerissen werden. Die privaten Besitzer (Familie Jägering) wehrten sich erfolgreich gegen die städtische Absicht und konnten das geschichtlich wertvolle und bewohnte Gebäude vor dem Abbruch retten. Private Denkmal-Eigentümer bekundeten über die Zeitungen mehrmals ihren Unmut darüber, dass die Stadt als Untere Denkmalschutzbehörde von ihnen die Einhaltung des Denkmalschutzgesetzes verlangte, sich aber selbst nicht daran hielt. Der Redaktionsleiter der Ruhr-Nachrichten fing einen Artikel über Denkmale mit dem Satz an: „Die Frage, wie Dorsten mit seinen Denkmalen umgeht, lässt sich mit wenigen Worten beantworten: Nicht auf die feine Art“ (RN 15. März 1991).

Respektloser Umgang mit dem Altstadt-Ehrenmal

Hindenburg-Denkmal (heute verschwunden)

Hindenburg-Denkmal (heute verschwunden)

Im Jahre 1985 veröffentlichte die Stadt Dorsten ihre erste Denkmalschutzliste. Von 130 geplanten Objekten wurden 81 erfasst. Heute sind 99 Positionen plus Gebäude der Zechensiedlung Hervest-Dorsten in der Denkmalliste vermerkt, die gesetzliche Grundlage des Denkmalschutzes ist – privat wie öffentlich. Darunter sind Wohnhäuser, Höfe, Mühlen, Kirchen, Bildstöcke, alte Denkmale und Grabmonumente. Augenfälligste unter Denkmalschutz stehende Gebäude (siehe unten anhängende Liste) sind beispielsweise das bereits genannte Alte Rathaus am Markt, das Amtsgericht, das Gebäude des Xantener Speichers, Schloss Lembeck, die Tankstelle aus den 1950er-Jahren an der Bochumer Straße, in der seit 2011 Pommes und Currywurst verkauft werden, der alte Wasserturm der Bahn, das frühere Pfarramt von St. Agatha (heute Zentral-Rendantur des Dekanats), aber auch der in einer Kiste liegende zerstörte Rest des einstigen Denkmals „Germania“, das bis 1951 noch an der Gahlener Straße stand, dann abgebrochen und im städtischen Bauhof dem Verfall anheim gegeben wurde. Respektlos umgegangen wurde ebenfalls mit dem Altstadt-Ehrenmal, dessen Platten mit den Namen der Toten des Ersten Weltkriegs durch Diebstahl verschwanden und auf dem Schrottplatz von „Vater Philipp“ auftauchten. Erst durch die neuen Tafeln von Tisa von der Schulenburg (Sr. Paula) wurde wieder eine Beziehung der Altstädter zu ihrem Ehrenmal hergestellt. Das Hindenburg-Denkmal, das im Bereich Maria Lindenhof stand, ist nach 1945 restlos verschwunden.

Bundesländer haben die Hoheit über den Denkmalschutz

Denkmal-Plakette NRW

Denkmal-Plakette NRW

In Deutschland liegt die Gesetzgebungskompetenz für Denkmalschutz und Denkmalpflege bei den Bundesländern. Sie ist Teil der Kulturhoheit der Länder. So gibt es in Deutschland 16 Denkmalschutzgesetze, die die Begriffe Kulturdenkmal und Denkmalschutz jeweils unterschiedlich definieren. Wenn die Gesetze im Detail also unterschiedlich gestaltet sind, so beruhen sie dennoch auf inhaltlich einheitlichen Grundprinzipien. Alle Gesetze definieren den Denkmalschutz als ein öffentliches Interesse und befassen sich mit dem Schutz inländisch gelegener Kulturdenkmale. An den unter Denkmalschutz gestellten Gebäuden und Fundstätten werden sichtbar Denkmalplaketten angebracht, die in Dorsten das Landeswappen von Nordrhein-Westfalen mit der Aufschrift „Denkmal“ aufweisen. Diese Kennzeichnung ist von der „Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten“ (1954) abgeleitet.

Denkmalgeschütztes Eigentum ist oft finanzielle Belastung

Die Denkmaleigenschaft belastet in der Regel die Denkmaleigentümer, weil sie aufgrund der Denkmalschutzgesetze zum Erhalt ihres Eigentums verpflichtet sind. Das beschränkt die Eigentümer in ihrem Nutzungsrecht. Dies ist aber nur im Rahmen des Zumutbaren rechtlich zulässig. Häufig kollidiert der Denkmalschutz mit den Interessen einer wirtschaftlichen Nutzung, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der Heizkosten. So sind denkmalgeschützte Wohnhäuser im Unterhalt wesentlich teurer, was oft dazu führt, dass überhaupt keine Erhaltungsmaßnahmen mehr durchgeführt werden, um zu warten, bis zum Beispiel Holzwürmer das „Problem der alten Fenster“ lösen.

Über die Denkmalwürdigkeit eines Gebäudes entscheidet nicht die Stadtverwaltung, sondern das Amt für Denkmalpflege in Münster. Das letzte Wort hat dann jedoch der Rat. Bei Restaurierungen übernimmt die öffentliche Hand ein Drittel der Investitionssumme. Aber das eigentliche Problem bei der Erhaltung von Denkmalen ist nicht primär Geld, sondern man steht vor dem Dilemma, dass der langsame Verfall von Naturstein-Denkmalen zwar verzögert, doch grundsätzlich nicht aufgehalten werden kann. Zudem sind die öffentlichen Kassen klamm und es gibt für den Erhalt von Denkmalen kein oder kaum noch Geld.

Hervest-Dorstener Gartenstadtsiedlung steht unter Denkmalschutz

Hervest-Dorstener Gartenstadtsiedlung steht unter Denkmalschutz

Offizielle Denkmalschutzliste der Stadt Dorsten (Stand 2012)

Altstadt: Amtsgericht, Agathakirche, Wohnhaus Alleestraße 30, Wohnhaus An der Vehme 5, Sühnekreuz am der Stadtmauer am Westwall, ehem. Lohmühle an der Gladbecker Straße 88, Fachwerkhaus an der Kirchhellener Allee 60, Altes Rathaus (ehem. Stadtwaage) am Markt, Stadtmauerreste am Westgraben und Südgraben. Jüdischer Friedhof in der Hasselbecke, Reste des aufgelassenen Friedhofs an der Feldhausener Straße, historisches Straßennetz im Altsstadtkern, Empfangsgebäude Bahnhof Dorsten, Auf der Bovenhorst 21, Wohn- und Geschäftshaus, Lagerhalle an der Alleestraße 15 (Beisenbusch), Wohnhaus am Alter Postweg 12, Wohnhaus an der Kirchhellener Allee 66, Wohnhaus an der Kirchhellener Straße 46, Wohnhaus an der Gahlener Straße 6, Wohnhaus an der Alleestraße 7, Wohnhaus an der Alleestraße 9, Wohn- und Geschäftshaus an der Essener Straße 24, Ursulinenkloster in der Ursulastra0e 8-12, Wohnhaus an der Kappusstiege 19 (Seidemannsche Haus), ehem. Pfarrhaus An der Vehme 1, Wohnhaus am Alter Postweg 10.

Holsterhausen: Wohnhaus Borkener Straße 96, ehem. Bonifatiusschule, Meilenstein am Freudenberg, Zechenhaus an der Hauptstraße 5, Haus Hagenbeck, Hagenbecker Straße 111, Wohn- und Wirtschaftsgebäude an der Hauptstraße 38, Steinkreuz an der Hauptstraße/Pliesterbecker Straße, Mehrfamilienhaus an der Hauptstraße 2, Bergarbeiterwohnhaus Koldenfeld 2 und an der Hauptstraße 1, Stationskapelle am Emmelkämper Weg/Am Steinwerk, Alte Pfarrkirche St. Antonius an der Hauptstraße 26, katholische Kirche St. Antonius an der Hauptstraße 34, Hof Rasche an der Luisenstraße 42, Kapelle St. Anna an der Schermbecker Straße/Emmelkämper Weg, Stationskapelle am Stiller Weg 55 (Hof Keller).

Wulfen: Empfangsgebäude Bahnhof Wulfen am Kleinen Ring 48, Wohnhaus (ehem. Bauernhaus) am Matthäusplatz 5, Steinkreuz an der Hervester Straße/Im Wauert, Bildstock (Pörtnerskrüz) am Burgring 9, Kriegerdenkmal an der Hervester Straße/Orthöver Weg, Wohnhaus am Burgring 24, katholische Kirche St. Matthäus am Matthäusplatz 1.

Altendorf-Ulfkotte: Kriegerdenkmal an der Altendorfer Straße, Kötterhaus im Achterfeld 39a (19. Jh.), Wohnhaus im Schlatt 43a, katholische Heilig-Kreuz-Kirche.

Hardt: Haus Hofrogge an der Bestener Straße, Vennemannshof an der Bestener Straße 65, barocke Kreuzigungsgruppe am Philosophenweg (18. Jh.), Glocke der Siechenkapelle am Birkenhahnweg/Haselhuhnweg, Villa an der Hafenstraße 56.

Rhade: Forsthaus am Hakenweg 95, Friedhofsportal am Höfer Weg, Wohnhaus an der Debbingstraße 13,  Fachwerkhaus am Urbanusring 10, Rhader Mühle an der Lembecker Straße 140, Wohnhaus mit Stallgebäude an der Lembecker Straße 38, Stallgebäude an der Debbingstraße 10, Wohnhaus am Urbanusring 11, katholische Kirche St. Urbanus am Urbanusring 12.

Feldmark: Ehem. Wasserturm am Wasserturm 20, Tankstellenanlage an der Bochumer Straße 52, Villa (Keller) Im Ovelgünne 14, Wohnhaus an der Marker Straße 1, Wohnhaus an der Bochumer Straße 21.

Deuten. Kötterhaus am Deutener Weg 9 (18. Jh.), Brennerei an der Weseler Straße 433, Wohnhaus und Tüshaus-Mühle an der Weseler Straße 433, katholische Herz-Jesu-Kirche, Wienbecker Mühlenhof an der Weseler Straße 78-82.

Lembeck: Bildstock (Pörtnerskrüz) am Michaelisweg 12, Bildstock (Pörtnerskrüz) am Kaisersweg, doppelseitiger Bildstock am der Mergelkuhle 38, Zweiständerbau am Endelner Weg/Im Zitter, Midlicher Mühle am Midlicher Bach 5, St. Michaeliskapelle an der Rhader Straße 132, Schloss Lembeck an der Wulfener Straße,  Bildstock (Pörtnerskrüz) an der Rekener Straße 2, katholische Kirche St. Laurentius an der Schulstraße 1, Bildstück (Pörtnerskrüz) am Speckinger Weg, Steinkreuz am Speckinger Weg 91.

Hervest: Wohnhaus an der Dorfstraße 4, Gaststätte Jägerhof an der Dorfstraße 3, Zeche Fürst Leopold an der Halterner Straße, ehem. Postamt am Holzplatz 17, Hofanlage an der Wienbecke 171, kath. Kirche St. Paulus, Fachwerkhaus (Pütter) am Hellweg 204, ehem. Marienschule an der Bismarckstraße 72, katholische Pfarrkirche St. Josef an der Josefstraße 1, Stationskapelle am Kapellenweg/Orthöve, Stationskapelle am Orthöve/Hof Kemna, Wohnhaus an der Paulusstraße 9, Hof Schulte-Tenderich an der Tenderichstraße 1, Bergarbeitersiedlung als Denkmalbereich (20. Jh.).


Siehe auch:
Denkmale (Artikelübersicht)

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