Die verpasste Chance des Dorstener Kunstpublikums und der Stadt
Die persönliche Bekanntschaft des Dorstener Journalisten Wolf Stegemann mit dem Künstler Joseph Beuys brachte die Idee hervor, im Mai 1983 auf dem Dorstener Marktplatz einen Tag lang mit Joseph Beuys und einer Schar von Mitstreitern der „Freien Universität“ und „Zone Fluxus West“ ein Happening zu veranstalten. Die terminlichen, inhaltlichen und organisatorischen Konzeptionen wurden ausgearbeitet. Der Dorstener Bildhauer Antonio Filippin (heute auf den Seychellen) war ebenso dabei wie Beuys-Meisterschüler Johannes Stüttgen (Gelsenkirchen).Vorangegangen war die in den „Ruhr-Nachrichten“ veröffentlichte Frage an Joseph Beuys, ob er denn auch nach Dorsten käme, wenn seine Kunst hier abgelehnt werden würde, und er Anpöbelungen befürchten müsste, wie es damals gegenüber Beuys mitunter üblich war. Wörtlich: „Ja, Ablehnung bin ich gewohnt. Da ich ein Hase bin, kann ich auch Haken schlagen!“ Unter Mitwirkung und Begleitung des WDR sollte ein Kunst-Happening stattfinden, das diesen Tag Dorsten zu einem Kunst-Magneten auch über die Region hinaus gemacht hätte.
Kulturdezernent zeigte kein Interesse am Beuys’schen Dorsten-Projekt
Der Journalist stellte das Konzept dem damaligen Kulturdezernenten der Stadt Dorsten, Werner Mörs (CDU), vor, um die Genehmigung zu erhalten, den Marktplatz nutzen zu können. Mörs winkte ab, da die Dorstener Kunstszene kein unterstützendes Interesse zeigte und keine Hand rührte, dem Beuys’schen Dorsten-Projekt in irgendeiner Weise näher zu treten. Außerdem lag ihm Beuys nicht. Mörs sah keine Möglichkeiten, den Marktplatz für eine Kunstaktion zur Verfügung zu stellen. Beuys war enttäuscht und die anderen Organisatoren sicherlich noch mehr. Kurz darauf gelang Beuys mit einer von der internationalen Kunstkritik bejubelten Ausstellung in New York der Durchbruch seiner Kunst und Idee vom erweiterten Kunstbegriff. Die „Times“ titelte mit seinem Konterfei, was als „internationale Inthronisation“ gilt. Für Dorsten war die Chance verpasst. Beuys ließ sich nicht mehr bewegen, nach Dorsten zu kommen, obgleich er solchen Vorhaben in der Provinz landauf landab stets aufgeschlossen war. Er hatte seinen Haken geschlagen. So blieb es bei einem Interview mit Beuys in den Dorstener „Ruhr-Nachrichten“ Ende Februar 1983.
Als „Rosine“ Dorstener Kunstveranstaltungen bezeichnete der Dorstener Kunstverein nur fünf Jahre später – Beuys war bereits 1986 gestorben – den Vortrag mit dem niederländischen Beuys-Kenner und Beuys-Freund Hans van der Grinten (heute Beuys-Museum Schloss Moyland), zu dem der Kunstverein eingeladen hatte. Die Dorstener Kunstinteressierten füllten das Forum des Bildungszentrums und diskutierten mit dem Referenten über Beuys und seinen Kunstbegriff. Zeit seines Lebens war der Beuys’sche Kunstbegriff mit Filz, Hut und Hase sowohl verachtet als auch von einer immer größer werdenden Kunstkennerschaft angenommen und erfreute sich seit dem Tod des Künstlers einer breiten Wertschätzung.
Siehe auch:
Künstler, bildende (Artikelübersicht)