Anti-Ökumene 1931

Für den katholischen Stadtpfarrer von St. Agatha war Evangelisches ärgerlich

Der Dorstener und dem Orden der „Steyler Missionare“ angehörige Bernhard Kolanczyk wollte 1931 seine Primiz am Tag Peter und Paul in seiner Heimatgemeinde und Heimatkirche St. Agatha feiern. Primiz ist in der katholischen Kirche die erste feierliche Messe eines neu geweihten Priesters. Doch Pfarrer Ludwig Heming lehnte dies ab, weil es in dessen Familie  eine eingeheiratete Protestantin gab. Dies geht aus Hemings eigenen Eintragungen in seiner Pfarrchronik vom 29. Juni 1931 hervor. Den Fall mit den evangelischen Verwandten des jungen Neu-Priesters bezeichnete er als ein „Ärgernis“, wobei er noch feststellt, dass Familienmitglieder nicht nur protestantisch seien, sondern einer noch einen Zigarrenladen habe und ein anderer eine Leihbibliothek unterhalte. Letztere bezeichnete er als ein „Schulbeispiel einer schlechten Bibliothek“, weil man dort Bücher ausleihen konnte. Daraufhin erweiterte er das protestantische „Ärgernis“ und machte daraus den Plural.
Dafür konnte der junge Steyler Priester Bernhard Kolanczyk natürlich nichts, der, wie erwähnt, seine erste Messe in seiner Heimatkirche feiern wollte, dort wo er herkam, und wo seine Familie und alten Schulfreunde wohnten.

Evangelisch getrautes Ehepaar musste katholisch nachheiraten

Pfarrer Ludwig Heming

Agatha-Pfarrer Ludwig Heming hatte auch nichts gegen den jungen Priester selbst. „Der Primiziant Bernhard kam schon frühzeitig nach Steyl. In den Ferien besuchte er mich regelmäßig und stets erbaute ich mich an seiner Frömmigkeit und Bescheidenheit.“
Doch dessen Familie mochte Heming nicht, wenn er schreibt: „Die Familienverhältnisse aber waren die denkbar schlechtesten. Eine Tochter hatte ein uneheliches Kind, der älteste Sohn heiratete eine Protestantin mit protestantischer Trauung und Kindererziehung.“ Und weiter schrieb Pfarrer Heming in die Agatha-Chronik (bislang unveröffentlicht): „Als nun die Zeit seiner Priesterwehe herannahte, erhielt ich von ihm einen Brief wegen der Feier seiner Primiz in Dorsten. Schweren Herzens antwortete ich ihm, dass es wegen der Vorgänge in seiner Familie besser wäre, wenn er seine Primiz nicht in seiner Heimat feiern würde.“
Die Dorstener katholische Geistlichkeit setzte sich daraufhin zu einem Gespräch zusammen und versuchte, die „Ärgernisse“ für die katholische Kirche auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. In der Chronik schrieb er: „hinwegzuräumen“. Was er darunter verstand, schrieb er auch. Die protestantisch geschlossene Ehe in der Familie des Priesters musste nachträglich katholisch geschlossen und die katholische und nicht die evangelische Erziehung der Kinder sichergestellt sein. Die Leihbibliothek des Bruders des Priesters wurde von der Kirche „für einige Mark angekauft“ und die Bücher, das sagt eine andere Quelle, vernichtet. Die Familie gab dem Druck des Pfarrers nach und ging auf seine Forderungen ein, um dem priesterlichen Sohn, Bruder und Schwager nicht im Wege zu stehen. Daher konnte Agatha-Pfarrer Heming in seine Chronik schreiben: „Und dann konnte ich dem guten Bernhard mitteilen, dass wir es doch noch möglich gemacht hätten, seine Primizfeier hier abhalten zu lassen. Er war sehr erfreut darüber.“

Pfarrer Heming blieb gegenüber der Familie unversöhnlich

Der „gute Bernhard“ wurde im Mödling bei Wien zum Priester geweiht und konnte am Tag Peter und Paul seinen ersten Gottesdienst in der Dorstener Agathakirche abhalten. Feierlich nahm ihn die Kirchengemeinde am Marktplatz in Empfang. Pfarrer Heming hielt die Predigt. Darüber berichtete er in seiner Chronik: „Der Familie habe ich nur mit einem Satze Erwähnung getan.“ Die Kollekte wurde dann als Ehrengabe dem Primizianten übergeben, der sie für die Ausstattung eines China-Missionars zu verwenden hatte. Zum Mittagessen lud die Familie auch Pfarrer Heming ein. Für ihn war dies „selbstverständlich“.  schrieb er über seine Einladung. Und weiter: „Es war ein großes Fest mit vielen fremden Gästen. … Ich habe mich frühzeitig empfohlen. Wie ich später hörte, sollen die Anverwandten sehr angeheitert zur Bahn gegangen sein. Der gute, heilige Bernhard hielt dann später noch eine Predigt in der 11 Uhr-Messe und fuhr bald in die Mission ab.“ Und dann wieder die Unversöhnlichkeit des Pfarrers im letzten Satz seiner Eintragung: „Später tat es mir leid, dass ich die Primiz in Dorsten hatte abhalten lassen, denn wiederum war ein großer Skandal in der Familie vorgekommen.“ – Was das für einer war, blieb Pfarrer Ludwig Heming schuldig. Vielleicht hat ein weiteres Familienmitglied wieder einen dieser ärgerlichen Protestanten geheiratet!

Siehe auch: Ludwig Heming


Quelle: Chronik St. Agatha, geführt von Pfarrer Heming von 1913 bis 1940, weitergeführt von Pfarrer Westhof bis einschließlich 1951, Seiten 120/121

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