AfD-Sonderparteitag gefordert

Richtungsstreit in der Kreis-AfD über die Rechtslastigkeit 2024 ausgebrochen

Die AfD im Kreis Recklinghausen stehe viel zu weit rechts. So äußerte sich ein Mitglied der Partei, das anonym bleiben will, gegenüber der Dorstener Zeitung (DZ) im November 2024. Ein Sonderparteitag solle verhindert werden. – Das AfD-Mitglied, das namentlich nicht genannt werden will, wäre nicht das Erste, das der Partei wegen rechtsextremer Positionen den Rücken kehrt. Das werde aber nicht passieren: „Wenn alle Leute, die so wie ich denken, sagen: ,Ich gehe‘ – dann wird diese Partei noch radikaler.“ Das Mitglied (Name ist der DZ-Redaktion bekannt) möchte die AfD im Kreis Recklinghausen nach eigener Aussage „zurück in der bürgerlich-konservativen Ecke“ sehen. Dies habe ein Teil der Mitglieder mit einem Antrag auf einen Sonderparteitag vermeintlich versucht zu erreichen. Den wolle der aktuelle Kreisvorstand, der „einen radikalen Kurs, der noch weiter rechts liegt, als ihn die AfD im Osten mit Herrn Höcke pflegt“, verhindern, mindestens aber verzögern. Das Mitglied wird im Gespräch mit dieser Redaktion sogar noch deutlicher.
Ist das Mitglied vielleicht einfach in der falschen Partei? „Ich bin nicht in der falschen Partei. Ich hätte nie geglaubt, dass solche Züge in einer Partei in Deutschland möglich sind.“ Das Mitglied mache vor allem an Personen fest, dass es solch extreme Strömungen gibt: „Wer ist stramm rechts? Wer ist im besten Fall nicht geimpft? Wer lehnt GEZ-Gebühren ab? Wer hat ,Remigration‘ auf dem Oberarm tätowiert?“ Eine kleine Mehrheit (55 zu 45 Prozent) drücke „auf ihre Weise alles weg“, was gemäßigt sei.

63 Mitglieder fordern Sonderparteitag per Unterschriftenliste

Mit einer Unterschriftenliste zur Einberufung eines außerordentlichen Parteitags, die der DZ-Redaktion vorlag, versuche man, dem entgegenzuwirken. 63 Mitglieder haben unterzeichnet, darunter auch die vier Mitglieder der AfD-Fraktion im Kreistag: Marco Gräber (Fraktionsvorsitzender), Tobias Köller (Fraktions-Vize), Heribert Leineweber und Lutz Wagner. Im Detail heißt es in dem Antrag auf Satzungsänderung: „Der Vorstand der Alternative für Deutschland im Kreis Recklinghausen gründete vor 1,5 Jahren eine Satzungskommission, um wichtige Satzungsthemen zu erarbeiten. Bis heute gibt es leider keinerlei Ergebnisse dieser Kommission, weswegen wir uns gezwungen sehen, diese selbst einzubringen, damit unsere Partei zukunftssicher aufgestellt und arbeitsfähig gehalten wird.“
Der Kreisvorstand aber habe „Angst vor dieser Auseinandersetzung“, so das Mitglied. Aber woran macht das Mitglied das aus? Schließlich lässt der Antrag auf einen außerordentlichen Parteitag nicht unbedingt darauf schließen, dass man gegen rechtsextreme Strömungen vorgehen will. Man habe nicht „mit der Tür ins Haus fallen wollen“, so das Mitglied, den Antrag deshalb „offen formuliert“. Aber man habe wohl Lunte gerochen, unterstellt das Mitglied. „Das bekomme ich gespiegelt.“

Vorstand „im krassen Höcke- und Helferich-Lager“

Der gesamte Kreisvorstand sei „im krassen Höcke- und Helferich-Lager“. MdB Matthias Helferich war im Februar 2024 Gastredner bei einer Dialog-Veranstaltung der AfD im Bürgerhaus Süd in Recklinghausen. Thema des Dortmunder Anwalts: „Verfassungsschutz, Vorfeld und Volk“. Helferich ist aber wohl seiner eigenen Partei zu heiß: Laut Medienberichten hat das Landesschiedsgericht der AfD der Forderung des nordrhein-westfälischen AfD-Vorstands stattgegeben, Helferich die Mitgliedsrechte zu entziehen. Und das sei quasi die Vorstufe zum Parteiausschluss. Das Kreis-Mitglied beklagte, dass es „keine Inhalte, keine Programmatik“ gebe. Auch Markus-Julius Maximus Alinaghi und Steffen Christ, die zuletzt eine AfD-Gruppe im Kreistag gegründet hatten, würden „für diese krasse Entwicklung stehen“. Das Mitglied gab an, das Ruder herumreißen zu wollen, damit die Partei „nicht isoliert in der rechten Ecke“ stehe. Aktuell aber sehe es so aus: „Wenn ich sagen würde, dass wir Migration brauchen, würde ich von der Bühne gebrüllt.“
In einem Schreiben, das der DZ-Redaktion ebenfalls vorlag, informierte die Kreis-AfD ihre Mitglieder über den Antrag für einen Sonderparteitag, den eine „ausreichende Anzahl von Mitgliedern“ unterschrieben hatte. Deshalb werde man dem „natürlich“ nachkommen, obschon ein außerordentlicher Kreisparteitag „mindestens 5000 Euro“ kosten würde. Geld, so heißt es, das man lieber in den Wahlkampf stecken würde. Auch werde es als AfD schwierig, für „unsere mittlerweile 400 Mitglieder“ eine geeignete Räumlichkeit zu finden. In dem Schreiben steht: „Wir bitten daher um Entschuldigung, dass wir dem Antrag auf einen außerordentlichen Kreisparteitag, mit den dementsprechenden negativen finanziellen Auswirkungen für unsere Partei leider nachkommen müssen.“

Kosten und Kapazitäten sind „fadenscheinige Argumente“

Das AfD-Mitglied hält das für „fadenscheinige Argumente“. Seine Recherchen hätten sowohl geringere Kosten („maximal 1000 Euro“) und mehrere freie Termine im Bürgerhaus Süd ergeben. Nach seiner Beschwerde beim Kreisverband hatte sich das Mitglied außerdem an den Bezirksverband und schließlich auch an das Landesschiedsgericht gewandt. Antworten habe es keine gegeben. Der Kreissprecher der AfD, Udo Pöpperling, teilt auf Nachfrage der DZ-Redaktion mit: „Der AfD Kreisverband Recklinghausen richtet noch in diesem Monat einen Kreisparteitag aus. Die entsprechenden Einladungen wurden bereits an die Mitglieder versandt. Auf diesem werden selbstverständlich auch die in Ihrer E-Mail angesprochenen, wichtigen Satzungsfragen behandelt. Der Kreisvorstand hat ausdrücklich satzungskonform gehandelt.“ – Explizite Fragen zu dem beantragten Sonderparteitag beantwortet der Sprecher nicht.


Quelle: RN (DZ) vom 9. November 2024

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