Band der „Neuen Deutschen Härte“ 1989 in Dorsten gegründet
Formiert wurde „Stendal Blast“ 1989 in einem stillgelegten Silo in Dorsten, in dem die damals noch unbekannte Band nach dem Vorbild verschiedener Avantgarde- und Industrial-Bands, wie den „Einstürzenden Neubauten“, den „Krupps“ oder „Throbing Gristle“, erste musikalische Versuche startete. Warum die damaligen Bochumer Oberstufenschüler sich ausgerechnet Dorsten zum Gründungsort gewählt haben, ist nicht bekannt, allerdings hat dies eine Vorgeschichte. Die damals 18-jährigen Kaaja Hoya, Marc Degens, Hajo Mönninghoff und Torsten Franz gaben ihr erstes Konzert mit Sägen und Posaunen auf dem Heinrich-Heine-Platz in Düsseldorf. Dort wurden sie von Anwohnern wegen des Krachs verscheucht und fanden in einer alten und schmutzigen Halle in Dorsten Unterschlupf. Wo, das ist hier noch unbekannt. In Dorsten konnten sie ungestört Musik nach ihrem Verständnis machen. Das taten sie bis 1994 mit Instrumenten wie Baumsägen, Vogelkäfigen und einer alten Waschmaschinentrommel. Sie nannten sich „Stendal Blast“, was so viel wie Oralsex impliziert. Spätestens nach 1994 eroberten sie von Dorsten aus mit der „Neuen Deutschen Härte“ und elektronischen Klängen Deutschlands Szene.
Erstes Stück „Mehr als Liebe ist Hass“ entstand noch in Dorsten
Dabei verfolgte die Band kein besonderes Konzept. Ihre Lieder wiederholten sich zunächst nie, da sie improvisierten. Erst mit dem Stück „Mehr als Liebe ist Hass“ (1992) aus der Feder des späteren Frontman-Sängers Kaaja Hoyda begann die Band, reproduzierbare Lieder zu komponieren. So finden sich auf dem ersten Demo-Tape „Müll“ (1993) mit „Die Krise“, „Kalter Kebap“ und „Er kommt nie mehr zurück“ Stücke, die die Band auf einer kurzen Tour mit der Formation „Calva Y Nada“ aufführte. Das Demoband erreicht auch das Münchner „Label Gymnastic Records“ (später Chrom Records), bei dem die Band 1994 ihren ersten Plattenvertrag unterzeichnete.
Album „Morgenrot“ von der Kritik gelobt, von den Fans verschmäht
Im Zuge der Aufnahmen zum Album „Was verdorrt“ gaben sich die Mitglieder den Namen „Stendal Blast“, inspiriert durch ein Gedicht des Lyrikers Paul Anton Bangen. Das Album erschien 1995 und ist deutlich elektronisch orientiert. Hoydas Texte sezieren hierauf menschliche Beziehungen und prangern Werteverfall und gesellschaftliche Kälte an. Allerdings entwickelt er nur selten ein konkretes Gegenmodell. Das zweite Werk „Alles Liebe“ erschien 1998 auf Chrom Records und wurde von der Band in einem kleinen Heimstudio selbst produziert. Möglichst groß sollte die künstlerische Freiheit sein. Daher verzichtete das Label darauf, einen Produzenten zur Bedingung zu machen. Mit „Alles Liebe“ und der Auskopplung „Öl“ wandte sich die Band der „Neuen Deutschen Härte“ zu. Insbesondere der Song „Öl“ ist einer der Schlüsseltracks für die neue musikalische Ausrichtung der Band. Mit „Morgenrot“ (2000, Chrom Records) gelang „Stendal Blast“ ein von der Kritik gelobtes Album, das jedoch von der Hörerschaft verschmäht wurde. Die Platte wurde zum kommerziellen Tiefpunkt der Band. Hoydas Texte sind weniger kryptisch, die Arrangements sind wesentlich ruhiger als bisher; der Sound ist elektronisch, weniger rockig. Dennoch stieg das Album für vier Wochen in die „Deutschen Alternative Charts“ ein.
Mit dem Werk „Fette Beute“ (2002, Moonstorm Records) schloss die Band an den Erfolg von „Alles Liebe“ an. Durchgehend kommen Gitarren zum Einsatz, der Sound ist härter und experimenteller. Der Titelsong „Fette Beute“ ebnete sich den Weg in die Alternative-Clubs und brachte „Stendal Blast“ wieder ins Gespräch. Auch, weil die Band für den Track „Nur ein Tag“ Alexander Veljanov, den Sänger der Band „Deine Lakaien“, als Duett-Partner gewinnen konnte. Den Titel „Adieu“ bezeichnete Kaaja Hoyda indes in mehreren Interviews als eines der Schlüsselstücke zum bisherigen Gesamtwerk. Es geht um den Tod und die Abhängigkeit des Menschen vom Zufall. Der fünfte Longplayer „Schmutzige Hände“ erschien 2004 auf dem Label Dark Dimensions. Mit dem Titel „Fährmann“ gelang der Band ein veritabler Hit.
Abschiedskonzert 2013 in der Leipziger Moritzbastei
Der Track „Die totale Disko“ führte die Band wieder in das Umfeld der „Neuen Deutschen Härte“ und damit zu ihren Wurzeln zurück. Als Bonus-Tracks gibt es zwei Titel, die gemeinsam mit der Formation „Blutegel“ aufgenommen wurden. Als wichtigsten Titel benannte Hoyda in verschiedenen Interviews das Stück „My private Puff“, in dem er die Zeit in seiner Wohnung auf dem Hamburger Steindamm verarbeitet, einem berüchtigten Drogen-Strich. Am 4. Oktober 2013 spielte die Band in der Leipziger Moritzbastei ihr Abschiedskonzert. Zuletzt war die Band besetzt mit Kaaja Hoyda (Gesang, Musik, Texte). Markus Anton Müller (Keyboard) und Bernhard Lottes (E-Gitarre). Die in Dorsten gegründete Band war verhasst und verehrt sowie wird nach ihrer Auflösung auch vermisst. Mehr als 20 Jahre hat die Band um den Musik-Anarcho Kaaja Hoyda gewirbelt, provoziert und überrascht. Viele Musikjournalisten zählen „Stendal Blast“ zu den innovativsten und wichtigsten deutschen Acts in ihrem Bereich, obwohl sich diese Bedeutung noch nicht in einer Chart-Platzierung niedergeschlagen hat. 2005 wurde die Band vom Deutschen Generalkonsulat San Francisco und dem Goethe-Institut mit Unterstützung durch das Bundesland Nordrhein-Westfalen auf eine Konzertreise in die USA eingeladen, wo sie die deutsche Sprache repräsentierte.