Steinheim-Institut

Essener Institut erforscht die jüdische Geschichte im deutschen Sprachraum

Das Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte e. V. ist benannt nach dem jüdischen Mediziner, Religionsphilosophen und Gelehrten Salomon Ludwig Steinheim. Das Institut mit Sitz in Essen erforscht die Kultur-, Religions-, Literatur- und Ereignisgeschichte der Juden im deutschen Sprachraum. Das Steinheim-Institut ist Gründungsmitglied der Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft. Es kooperiert in Forschung und Lehre mit der Universität Düsseldorf. Das Institut wurde im Jahr 1986 gegründet, der Eintrag in das Vereinsregister erfolgte am 9. Oktober 1986. Seit 1988 wird es vom Land Nordrhein-Westfalen kontinuierlich gefördert. Es ist seit Mai 2011 im ehemaligen Rabbinerhaus Essen angesiedelt. Das Institut trug bis 2002 zu den Lehrveranstaltungen im Fach „Jüdische Studien“ an der damaligen Geschichte der Universität Duisburg bei. Im Jahr 2003 wurde das Studienfach an die Universität Düsseldorf verlagert, während das Steinheim-Institut An-Institut der Universität Duisburg-Essen blieb und dort regelmäßig Lehrveranstaltungen anbietet. Geleitet wurde das Steinheim-Institut bislang von den Direktoren Julius H. Schoeps (1986-1991, Gründungsdirektor), Claus R. Bärsch (1993-1996, Michael Brocke (1996-2021 und wird seit 2021 von Lucia Raspe geleitet.

Michael Brocke besuchte mehrmals das „jüdische“ Dorsten

Michael Brocke, der das Institut von 1996 bis 2021 ein Vierteljahrhundert lang von 1996 bis 2021 geleitet hatte, auch über seine Emeritierung als Professor für Jüdische Studien an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf hinaus, kam zweimal in den 1980er Jahren und 1997 noch einmal auf Einladung des Journalisten Wolf Stegemann nach Dorsten, der damals die Zeit des Nationalsozialismus in Dorsten für die Buchreihe „Dorsten unterm Hakenkreuz“ aufarbeitete und die Gründung des Jüdischen Museums vorbereitete. Prof. Brocke half ihm bei dieser Arbeit mit Ratschlägen und besuchte auch die jüdischen Friedhöfe in Dorsten und Raesfeld, die ihn sehr interessierten, auch die Orte früheren jüdischen Lebens in der Stadt.

Ein Forschungsschwerpunkt ist die Dokumentation jüdischer Friedhöfe

Zu den Forschungsfeldern gehören die Bereiche Religions-, Literatur- und Kulturgeschichte, Regional-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Antisemitismusforschung, Editionen, Dokumentationen und Bibliographien sowie Weiterbildung und Vermittlung. Ein Forschungsschwerpunkt ist die Dokumentation jüdische Friedhöfe und die hebräische Grabsteinepigraphik. Dies umfasst die Inventarisation noch bestehender und die Rekonstruktion zerstörter Friedhöfe, die Erfassung der Grabinschriften und ihre Übersetzung aus dem Hebräischen. Die Inschriften sind historische Quellen, die nicht nur Beiträge zur jüdischen Sepulkralkultur und zur Genealogie liefern, sondern auch Rückschlüsse erlauben über Geschichte und Kultur der jüdischen Gemeinden. Zu den jüngeren Projekten gehören die Erforschung und Dokumentation deutsch-jüdischer Publizistik des 19. Jahrhunderts sowie das Engagement im Bereich der Digital Humanities für deutsch-jüdische Geschichte und Judaistik.

Soziale Verantwortung im Judentum – Traditionen und Orte

Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz hat den Verbund „Text+“ bewilligt. „Text+“ hat sich zum Ziel gesetzt, text- und sprachbasierte Forschungsdaten langfristig zu erhalten und ihre breite Nutzung in der Wissenschaft zu ermöglichen. Die Initiative startet nach mehrjähriger Vorbereitungszeit und wird zunächst für fünf Jahre durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) gefördert. Das Steinheim-Institut ist in den Feldern „Digitale Editionen“ und „Linked Open ata“ an dem Verbund Text+ beteiligt. Am 4. Dezember.2022 hat die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) das Langzeitvorhaben des Instituts „Steinerne Zeugen digital. Deutsch-jüdische Sepulkralkultur zwischen Mittelalter und Moderne – Raum, Form, Inschrift“ bewilligt. Mit Beginn des Jahres 2023 hatte das Projekt „Soziale Verantwortung im Judentum in Deutschland – Traditionen und Orte als Jewish Heritage?“ die Arbeit aufgenommen. Es ist Teil des DFG-Schwerpunktprogramms „Jüdisches Kulturerbe“.

„Als Institut, das sich mit der Geschichte von Jüdinnen und Juden in Deutschland seit dem Mittelalter beschäftigt, sehen wir mit Entsetzen, wie sich der Antisemitismus auch hierzulande wieder zunehmend öffentlich zeigt und jüdisches Leben bedroht. 85 Jahre nach den Novemberpogromen 1938 müssen Jüdinnen und Juden heute wieder um ihre Sicherheit fürchten. Wir sind dankbar für alle, die in diesen Tagen und Wochen mutig und entschieden gegen Hass und jegliche Form von Antisemitismus auftreten.“  – Lucia Raspe, 2023.

Publikationen: Neben Einzelpublikationen gibt das Institut die wissenschaftlichen Buchreihen „Schriften, minima judaica, Netiva“, „Bibliographien“ sowie die unentgeltliche Vierteljahreszeitschrift „Kalonymus“ heraus.
Bibliothek und Archive: Die „Daniel J. Cohen Bibliothek“ des Steinheim-Instituts umfasst über 20.000 Bücher zur deutsch-jüdischen Geschichte. Das Archiv beherbergt verschiedene Bestände: Das Jonas Cohn Archiv wurde im Jahr 2001 dem Steinheim-Institut überlassen. Es umfasst den wissenschaftlichen und einen großen Teil des privaten Nachlasses des Philosophen Jonas Cohn. Zu diesem Nachlass gehören Tagebücher, Erinnerungen, Handschriften, persönliche Dokumente und Briefe aus den Jahren von 1893 bis 1947. – Das Gidal-Bildarchiv beinhaltet die Sammlung des Fotojournalisten Nachum Tun Gidal, Bilder aus dem Nachlass der Schauspielerin Ruth Klinger, Fotos mit dem Schwerpunkt Osteuropa aus der Sammlung Werner Seewi und die Bildersammlung aus dem Nachlass Georg Goldsteins. Es umfasst 3000 Bilder und wird immer wieder erweitert. – Der Nachlass der Schauspielerin und Kabarettistin Ruth Klinger umfasst Programme, Noten, Kritiken und Verträge des jüdisch-literarischen Kabarett „Kaftan“, persönliche Aufzeichnungen, Briefe und journalistische Arbeiten von Ruth Klinger. – Im Nachlass des Arztes und Fotografen Georg Goldstein findet man eine umfangreiche fotografische Sammlung (Privatfotos seiner Familie, Reisefotos, Bilder aus dem Leben der jüdischen Gemeinde Düsseldorfs 1934–1936, Fotos aus Palästina bzw. Israel 1936-1953, Briefe, Bücher und eine Sammlung von Zeitungen und Zeitungsausschnitten. – Die druckgrafische Sammlung Jakob Steinhardts von insgesamt 87 Arbeiten wurde im Jahr 2001 zwischen der Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum Duisburg und dem Steinheim-Institut aufgeteilt. Die 31 in den 1950er Jahren in Israel entstandenen Arbeiten sind in den Räumen des Steinheim-Instituts zugänglich.
Datenbanken und Online-Ressourcen: Über die Website lassen sich der Bibliothekskatalog durchsuchen, das Gidal-Bildarchiv, der Haskala-Katalog (eine Sammlung hebräischer Schriften jüdischer Aufklärer in Deutschland) und die epigraphische Datenbank „epidat“ mit mehr als 44.000 erfassten Grabinschriften (Stand: Februar 2022), und zwar als Volltextsuche wie auch über verschiedene Indices (Namenslisten, hebräischer Wortindex, Abkürzungsverzeichnis). Der Rabbiner-Index erschließt das gedruckt erschienene „Biographische Handbuch der Rabbiner“, ein bio-bibliographisches Verzeichnis aller Rabbiner, die seit der Aufklärungszeit im deutschsprachigen Raum gewirkt haben. Die Website des Instituts bietet einen Zugang unter anderem zum „Kalonymus“-Heftarchiv, zum „Compact Memory“, zur „Bookplate Collection“, zur Sammlung „Rare Books and Manuscripts“ des Jewish Theological Seminary und zu jiddischen Drucken der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main.

Siehe auch: Jüdisches Museum Westfalen (Artikelübersicht)
Siehe auch: „Dorsten unterm Hakenkreuz“
Siehe auch: Wolf Stegemann


Quelle: Wikipedie (Aufruf 2024) –

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