Skatclub „Gemütlichkeit“

Vier alte Herren waren meisterliche Geschichtenerzähler

Der Sklatclub ist schon längst Geschichte und die vier Herren, die dem Namen ihres Skatclubs alle Ehre gemacht haben, sind es auch. Das Skatspiel ohne Hektik gab den Treffen der vier Veteranen, das sie reihum jeden Mittwoch veranstalteten, den Namen. Da war keine Spur von Spielerleidenschaft zu spüren, und auch das Gewinnstreben schied aus. An einem Nachmittag wurden höchstens zwei Mark umgesetzt. Der Name des Clubs der vier älteren Herren führte auf die richtige Spur:„Gemütlichkeit“. Es war kein eingetragener Verein und man hatte das Gefühl, als ob der Name erst bei dem Besuch eines Reporters erfunden wurde.

Die vier Dorstener Poahlbürger, wie sie sich selbst nannten, hatten eben einmal in der Woche das Bedürfnis, ein bisschen zu klönen. Dafür war eine Viererrunde genau das Richtige. Sicherlich gab und gibt es in der Stadt mehrerer solcher Runden. Aber in einem Punkt dürfte die Runde der „Gemütlichkeit“ den Rekord halten. Zählte man ihre Lebensjahre der Vier zusammen, so kam man Anfang der 1970er-Jahre auf die Summe von 303. In diese Summe brachten sich der Schmiede- und Schlossermeister i. R. Gustav Haarmann 72 Jahre ein, sein Vetter Anton Haarmann, Reichsbahnobersekretär a. D., 73 Jahre, Friseurmeister  i. R. Albert Werner 84 Jahre und Reichsbahnsekretär a. D. Johannes Tönnessen 74 Jahre.

Gustav Harrmann war der heimliche Chef des Quartetts

Obgleich die Vier kein Club oder Verein waren, entpuppte sich Gustav Haarmann bald als heimlicher Chef, was er im Wesentlichen seiner Originalität zu verdanken hatte. Der Älteste der Runde, der Friseur Werner Albrecht, hatte immer Bemerkenswertes zu berichten. Als 19-Jähriger tippelte er mit seinem Freund von Köln in die Schweiz. In Wiesbaden wurde Station gemacht. Dort arbeitete er in einem vornehmen Friseursalon. Jeden Morgen hatte er im Villenviertel die Hautevolee zu bedienen. Ein Graf hatte ihm einmal 50 Goldmark für einen Haarschnitt gegeben. Werner Albrecht war auch mal Oberturnwart, leitete eine Radkunsttruppe, die ich acht Minuten 42 verschiedene Figuren gefahren haben soll. Nach einem glanzvollen Auftritt seiner  erfahrenen Radtruppe hatte er aus der Hand des Schwester Kaiser Wilhelms II. einen Silberpokal bekommen, nachdem ihn vorher der Prinz von Schaumburg-Lippe bereits in ähnlicher Form ausgezeichnet hatte.

Hornbläser in der Gesellenkapelle

Gustav Haarmann war 1906 der damals von Lehrer Altenburg geleiteten Knüppelmusik und späteren Gesellenkapelle der Kolpingfamilie beigetreten. Diese Kapelle, in der er 35 Jahre lang als Klarinettist bzw. Hornbläser spielte, erhielt am 10. Mai 1925 den ehrenvollen Auftrag, anlässlich der Eröffnung des Flugplatzes Dorsten-Erle zu spielen. Im feierlichen Gehrock und mit Zylinder nahmen die Kolpingmusiker vor den fünf Flugzeugen Aufstellung. Als dann die Propeller angeworfen wurden, musste ein wahrer Orkan über Menschen und Instrumente hinweggefegt sein. Notenständer purzelten um, Zylinder flogen durch die Gegend, und der Ruß vom Heidekraut überdeckte die vorher schneeweißen Hemden der Musiker. „Wir sahen aus wie die Mohrenköpfe!“

Er blies den Dorstener „Kübelmajoren“ den Marsch

Ihren Höhepunkt erlebte die Gesellenkapelle bei ihrem Einsatz während des Katholiken-Kongresses in Amsterdam. Es war alles wunderbar, nur die Kriegervereinsmützen der Musiker aus Dorsten hatten den Niederländern missfallen und die vorgesehenen Märsche durften sie auch nicht spielen. Die Erlebnisse des Ersten Weltkriegs waren doch noch sehr nah. Dass der Schmied- und Schlossermeister Gustav Haarmann nicht nur mit Amboss und Hammer umzugehen verstand, sondern auch mit Worten, bewies er, als er mit einem Leserbrief in den „Ruhr Nachrichten“ den „Kübelmajoren“ den Marsch blies. Haarmann kritisierte damals den lieblosen Umgang der Männer von der städtischen Müllabfuhr mit den Mülleimern. Wo rohe Kräfte sinnlos walten, so war der Tenor seiner Kritik, da kann kein Mülleimer unversehrt bleiben. Ein großer Teil der Dorstener Müllgefäße hatte einen Knacks in der unteren Hälfte, was der Schmiede- und Schlossermeister auf unsachgemäße Behandlung durch die Müllmänner  zurückführte. Seine Kritik löste damals einigen Wirbel aus, bis in die Amtsstuben hinein. Dem Leiter des Ordnungsamtes gab er zu bedenken, dass man so nicht mit fremdem Eigentum umgehen darf. Die „Kübelmajore“ nahmen Rache auf ihre Art, indem sie Haarmanns Kübel über die Hecke schmissen. Allerdings hatte sich Haarmann mit den Müllmännern bald wieder versöhnt.

Ein Stück Dorstener Geschichte verschwunden

Skatbruder Tönnessen hatte seinen Mülleimer durch sinnvolle Verstrebungen mit Stangen und Draht vor der Zerstörung bewahren können, womit er zu beweisen glaubte, dass die „Kübelmajore“ nicht allein die Schuldigen an den kaputten Mülleimern sein mussten. Offenbar hatten die Mülleimer Konstruktionsfehler. Dass der Gesprächsstoff dieser vier Herren – meist in Platt – nie ausgegangen ist, während sie gemütlich ihren Skat klopften, ist nachzuvollziehen. Mit ihnen ist ein Stück der alten Stadt Dorsten verschwunden.

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