Schottergärten

Sie sind verboten – die Dorstener Verwaltung will verstärkt gegen sie vorgehen

Hasenpfad in Holsterhausen – fünf Grundstücke geschottert; Foto (2): Andrea Schüller

Schottergärten mögen etliche Dorstener Hausbesitzer vor ihren Häusern. Sie sind leichter zu pflegen als Grünanlagen. Immerhin sind Vorgärten an Straßen und Wegen im Blickfeld der Passanten. Anderen Dorstenern sind sie ein Dorn im Auge, weil sie die Umweltunverträglichkeit von Stein- und Schotterflächen sehen. Die Stadtverwaltung sah diese Unverträglichkeit allerdings nicht, denn die städtische Wirtschaftsförderungsgesellschaft Windor ließ vor der eigenen Haustür an der Bismarckstraße ein Steinbeet anlegen, was schon 2018 die öffentliche Diskussion anregte. Was anderorts verlangt wird, gilt für die Stadtverwaltung offenbar nicht, lautete damals ein weit verbreiteter Vorwurf. Dorstens Baudezernent Lohse hielt die damalige Diskussion in weiten Teilen unfair, „weil die Gestaltung noch nicht beendet war“, so die Dorstener Zeitung. Danach gab es auch ein paar Pflanzen auf den Windor-Steinen. Das nachfolgende Foto (DZ) zeigt den einstigen Vorgarten des Window-Gebäudes, der heute begrünt ist.

Besichtigungsaktion 2019: Besitzer öffneten ihre Gärten 400 Interessenten

Für die Abschaffung der Schotter-Gärten in Dorsten machte sich im Februar 2020 Franz-Josef Gövert in der Stadtteilkonferenz Hervest stark. Er war bis zu seiner Pensionierung Leiter der kommunalen Grünflächenunterhaltung in Münster. Schotter-Vorgärten seien nicht gut für die Tierwelt  und das Stadtklima. Zudem würden sich die Steine in der Sonne aufheizen und die Wärme in der Nacht wieder abgeben. Allerdings wurden die Aussagen nicht mit Zahlen und Fakten belegt. Wer sein Grundstück zuschottert oder Vorgärten zupflastert, handelt rechtswidrig. Steinwüsten verstoßen gegen Bau- und Planungsrecht – trotzdem gibt es in Dorsten immer mehr zugeschotterten Flächen in allen Stadtteilen. Zahlen gibt es aber nicht. Stadtbaurat Lohse legte im September 2020 den Politikern eine Vorlage mit drei Empfehlungen vor. Nach der Vorlage müssten Dorstener Eigenheimbesitzer dann zwar nicht mit Verboten rechnen, aber doch mit klaren Vorgaben, was bei künftigen Bebauungsplänen in Vorgärten erlaubt sein würde. Zum Beispiel soll ein Pflanzgebot in Vorgärten gemäß Baugesetzbuch gelten. Danach sollen Freiflächen zu mindestens 50 Prozent aus Stauden, Gräsern, Rasen oder Kletterpflanzen bestehen und dauerhaft auch so erhalten werden. Gleichzeitig empfahl die Verwaltung, dass mehr Öffentlichkeitsarbeit für eine naturnahe Gestaltung von Gärten stattfinden solle. Als ein Beispiel wird „Mitte zeigt Gärten“ genannt – 2019 öffneten sieben Gartenbesitzer 400 Besuchern ihre Gartenpforten, damit diese sich anschauen konnten, wie lebens-, liebens- und naturnahe Gartengestaltung sein und aussehen kann. Die Stadtverwaltung selbst bemüht sich, mit gutem Beispiel voranzugehen. Sie hatte 2019 eine Selbstverpflichtung für nachhaltige Gestaltung von eigenen Grünflächen unterschrieben.

Zugeschotterte Flächen verstoßen gegen NRW-Bau- und Planungsrecht

Dennoch ist die Handhabung der Hausbesitzer mit Schotterflächen nach wie vor umstritten und dennoch heiß begehrt. Besitzer nennen sie Schotterbeete, Naturschützer Steinwüsten. Eigentümer berufen sich auf ihr Rechtsempfinden, auf ihrem Grundstück tun und lassen können, was sie wollen. Zweifellos gibt es die Begrünungspflicht im Vorgartenbereich nach Landesbaurecht. Ein Recht auf einen Schottergarten, wie viele Eigentümer annehmen, gibt es nicht. Zugeschotterte Flächen verstoßen laut Leitfaden des Städte- und Gemeindebundes NRW gegen Bau- und Planungsrecht. Das könne mit einem Bußgeld und einer Rückbauverpflichtung belegt werden, sagt der Bund. Stadtverwaltung und Politik in Dorsten wollen Eigentümer aber nicht schikanieren, sondern zum Umdenken bewegen: zum Beispiel durch Ausloben von Preisen für gelungene Vorgartengestaltung. Oder Ermunterung zum ökologischen Gartenbau. Ziel sei es, den Grünanteil zu bewahren und nach Möglichkeit zu erhöhen. Der Dorstener Bruno Lindemann stellte an die NRW-Bauministerin Scharrenbach (CDU) Anfang Dezember 2020 die Frage: „Ist es nicht sinnvoller, wenn die Versiegelung schon bei der Baugenehmigungsvergabe vermieden wird, statt nach der umweltschädlichen Fertigstellung?“ Ihre antwortete, dass bei der Vorstellung der Novelle der Landesbauordnung ab 2021 Maßnahmen gegen Schottergärten greifen sollen. Am 1. Juli 2021 soll die neue Landesbauordnung in Kraft treten. „Dem Grunde nach sind sie heute schon nicht zulässig“, betonte die Ministerin. Jetzt schon sei vorgeschrieben, nicht überbaute Flächen zu begrünen und wasseraufnahmefähig zu gestalten (Foto: Hasenpfad Holsterhausen).

Bei Schottergärten scheiden sich in der Dorstener Politik die Geister

Soll den Schottergärten-Besitzern in Dorsten eine Frist für den Rückbau gesetzt oder Aufklärung und das Prinzip Freiwilligkeit … werden, darüber diskutierten Dorsten Lokalpolitiker Mitte November 2021 im Umwelt- und Plamungsausschuss. Trotz des Verbots greifen Hausbesitzer bei der Gestaltung ihrer Vorgärten immer öfter zu Kies und Schotter.
Was soll und kann die Politik vor Ort tun, um den leblosen grauen Steinwüsten und deren Eigentümern Einhalt zu gebieten? Diese Frage führte zu unterschiedlichen Reaktionen der Parteienvertreter. Ein zum Teil satirisch anmutender Vorschlag der Partei feat.Die Linke: Die Stadt solle die Eigentümer auffordern, solche Steingärten entweder als Parkplätze zu asphaltieren oder so zu bepflanzen, wie es das Gesetz vorsieht. Zusätzlich sollten Geldbußen fällig werden. Das würde über das Ziel hinausschießen, meinten die Grünen und forderten „mehr Augenmaß“. Die Stadt solle die Eigentümer von derart bebauten Grundstücken auf den rechtswidrigen Zustand hinweisen und „eine angemessene Frist zur Beseitigung setzen“. Dies sei aus Klimaschutzgründen notwendig und sinnvoll, auch unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips. Die SPD brachte finanzielle Anreize statt Strafen ins Gespräch und die CDU forderte eine „bessere Aufklärung“ statt einer „kompletten Kontrolle“ der Bürger.

Stadt legte am „Treffpunkt Altstadt“ selbst einen Schotterplatz an

Schotterflächen sind umstritten, weil unökologisch und ästhetisch fragwürdig. Die Stadt Dorsten hat dennoch den Vorplatz am neuen Treffpunkt Altstadt als Schotterfläche angelegt. Die Dorstener Zeitung fragte in einem Artikel am 25. Juli 2022, warum die Stadtverwaltung dann im Außenbereich des neuen „Treffpunkts Altstadt“ ein großes Schotterfeld angelegt hat? Die Pressestelle der Stadt beantwortet dies so: Diese Schotterfläche „sieht zwar aus wie ein Schottergarten, ist an dieser Stelle aber keine Garten- beziehungsweise Grünfläche“. Vielmehr handele es sich hier um einen „Vorplatz“. „Das heißt, die Fläche soll bewusst Platzcharakter aufweisen, den Treffpunkt Altstadt zur Innenstadt hin öffnen und sie soll auch nutzbar sein.“ Bei Veranstaltungen könnten dort zum Beispiel Tische oder Stände aufgebaut werden. Immerhin: „Eine zur Bestimmung der Fläche passende Bepflanzung“ soll zusätzlich noch kommen. Zum ästhetischen Aussehen des Schotterplatzes äußert sich die Stadt nicht. Nur so viel: Die Planung der Außenanlagen sei „passend zur Architektur des Gebäudes“ erfolgt. Michael Kleins Fazit im DZ-Artikel: Dorsten: die Stadt, in der es anscheinend „gute“ Schotterflächen und „böse“ Schotterflächen gibt – je nachdem, wie man ihren Bestimmungszweck definiert.

Zur Sache:
Schottergärten haben künstlerischen Ursprung im 21. Jahrhundert

Als Inspirationen für die im 21. Jahrhundert aufgekommenen Schottergärten sehen Gartenbauer architektonische Gestaltungen in repräsentativen Großanlagen, die Architektur und bauliche Kunstwerke hervorheben sollten. Im Jahr 2006 setzte der Künstler Wolfgang Göddertz durch, dass auf einem Kreisverkehr in Wesseling, auf dem sich sein Kunstwerk „Rheinwellen“ befindet, die Bepflanzung mit Stiefmütterchen durch Kies ersetzt wurde, was den Unmut von Anwohnern hervorrief. Er empfand die Gestaltung wie einen kleinstädtischen Vorgarten als „kitschig“. Die Gartengestaltung mit strengen, geraden Linien und absoluter Unterordnung des Bewuchses wird gern mit einer retromodernen Architektur kombiniert, die in der Werbung von Architekten oft als Bauhausstil vermarktet wird. Dieser Architekturstil hat nach dem Jahr 2000 eine deutliche Renaissance erfahren. Tatsächlich weisen jedoch Wohnsiedlungen der Klassischen Moderne oft gerade ein hohes Maß an Begrünung auf, z. B. mit Gärten, die möglichst viel Selbstversorgung ermöglichen sollten. Gestaltung von Gartenflächen mit losem Gestein war nicht typisch. Die heutigen Schottergärten wurden allerdings geradezu erahnt in einer filmischen Persiflage der Klassischen Moderne: Architektur mit einem charakteristischen Schottergarten ist die Villa Arpel im Film „Mein Onkel“ des französischen Regisseurs Jacques Tati von 1958. Eine Miniatur der Filmkulisse ist als Museumsstück erhalten.

Wilder Pflanzenwuchs auf Steinfläche und die Folgen

In Schottergärten soll durch Wegnahme des Wachstum ermöglichenden Bodens unerwünschter Pflanzenwuchs von vorneherein verhindert werden. Allerdings bilden sich aus Staub, Laub und sonstigem organischem Material nach einigen Jahren keimtaugliche Untergründe oberhalb des Bodenvlieses, und Pflanzensamen werden eingeweht. Zum Hinauszögern dieses Prozesses ist eine regelmäßige Reinigung der Flächen, beispielsweise mit Laubbläsern, nötig. Die Entfernung der Unkräuter zwischen Steinbrocken ist deutlich erschwert, so dass ihre Bekämpfung alternativ durch Abflämmen oder, illegal, durch Herbizide erfolgt. Vor allem in feuchten, schattigen Lagen und bei hellen Gesteinen, bildet sich eine störende Patina aus Schmutz und Algen, die durch aggressive chemische oder mechanische Mittel, wie Hochdruckreiniger, entfernt werden muss. Die verwendeten Pflanzen sind nicht immer an das harte, wüstenartige Kleinklima auf den Steinflächen angepasst und müssen mit zusätzlichem Pflegeaufwand erhalten werden. Der für Formschnitte häufig verwendete Buchs ist durch eingeschleppte Schädlinge und Krankheiten extrem pflegeaufwändig geworden. Gartenratgeber empfehlen teilweise, die Schotterflächen nach rund 10 Jahren zu ersetzen, teils auch schon nach drei Jahren.


Quellen: Claudia Engel in DZ vom 11. Febr., 28. Aug., 8. und 10. Dez. 2020. – Zur Sache: Wikipedia (Aufruf Schottergärten 2020). – Michael Klein in DZ vom 18. Nov. 2021.

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