Schneesturm 2021

„Schneeflöckchen, Weißröckchen...“ – „Tristan“ kam aber mit dicken Flocken

Die Winter waren in den letzten Jahren kaum noch als solche zu bezeichnen, wie man sie früher kannte: mit Schneebergen an den Straßenrändern, die manchmal wochenlang liegen blieben und durch Neuschnee immer größer wurden. – In einer seiner oftmals kuriosen Ankündigungen, Meinungsübermittlungen und spontanen Darstellungen teilte Dorstens Bürgermeister Tobias Stockhoff, ein ausgeprochener Facebook-Freak, am 6. Februar 2021 den Dorstenern und der Welt über Facebook mit, dass beim angekündigten Schneesturm namens „Tief Tristan“ die 15 Winterdienstfahrzeuge lediglich die „Hauptstraßen der Innenstadt“ räumen werden. Er verkündete aber auch – und wollte mit der wohl nicht nachzuweisenden Behauptung beschwichtigen, dass „alle Dorstener_innen ihre Mobilfunkgeräte und Akkopacks aufgeladen“ und „die WarnApp NINA installiert“ hätten. Zudem würden die Dorstener_innen „verzichten auf unnötige Autofahrten, um nicht den Verkehr zum Erliegen zu bringen“ und „sich solidarisch und verständnisvoll zeigen“ sowie „hilfsbedürftigen Menschen helfen“. Schließlich kommt der Bürgermeister zu dem Schluss: „Wir in Dorsten wollen stets vor einer möglichen Lage sein, der muss nicht in Panik verfallen, wenn dann doch starker Schneefall, Schneeverwehungen, Eisregen, Stromausfall kommen sollte. Deshalb: Wir in Dorsten wollen stets vor einer möglichen Lage sein, um gut vorbereitet aus Extremsituationen regieren (sic!) zu können.“ Und direkt an die Leser seiner Facebook-Botschaft gerichtet, schreibt er weiter: „Dafür brauchen wir Ihre und Eure Mithilfe. Jede_r ist gefordert!“ Sein Fazit: „Dorsten – die Stadt, die vorbereitet ist!“
Und dann kam der angekündigte und erwartete „Wintereinbruch“ in der Nacht zum 7. Februar 2021, einem Sonntag. Im Bereich von Dorsten allerdings nicht so gewaltig wie erwartet. Ziemlich harmlos sogar mit lediglich rund 10 bis 15 Zentimeter Pulverschnee mit den üblich höheren Schneeverwehungen. Die Beschwichtigungen, damit die Dorstener nicht in Panik verfallen könnten, waren aus der Luft gegriffen, aus der der Schnee in kleinen Flocken herunterwirbelte – auch am darauffolgenden Tag, einem Montag.

Die Vestische stellte den Busverkehr und die Post die Zustellung ein

In Nordrhein-Westfalen wurde in mehreren Städten und Kreisen der Busverkehr eingestellt, so auch in Dorsten. Die Vestischen Straßenbahnen in Recklinghausen verkündeten, man könne den Betrieb erst frühestens am Dienstagmittag wieder aufnehmen, doch der Busverkehr blieb dann doch bis Mittwoch (10. Februar) 8 Uhr morgens eingestellt. Bereits am Montag war die Zustellung der Brief- und Paketpost ausgefallen. Sie gab es erst wieder am Mittwoch. „Die Straßen sind nicht hinreichend geräumt und auch auf den Autobahnen ist kein Durchkommen“, war von der Post zu hören. Insgesamt waren durch die Wetterbedingungen in NRW innerhalb von 24 Stunden insgesamt 720 Einsätze nötig gewesen. In Dorsten waren in der Nacht zum Sonntag die Mitarbeiter mit Räum- und Streufahrzeugen bis 1 Uhr auf der Straße, dann wieder ab 5 Uhr. Und nach einer Mittagspause ging es weiter bis in die Abendstunden.

Die extreme Wetterlage forderte auch einen Toten in NRW

Am Sonntag wurde die Polizei in NRW von Sonntagmorgen bis Montagmorgen zu 507 witterungsbedingten Unfällen gerufen. Der Schaden belief sich auf insgesamt 1,7 Millionen Euro. Neben 37 leicht verletzten Personen gab es auch einen Toten. Er war in Duisburg mit seinem Wagen von der Straße abgekommen und in einen Bach gerutscht. Auf den Autobahnen herrschte Chaos. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer riet den vom Schneechaos betroffenen Menschen, zum Start der neuen Arbeitswoche in Absprache mit dem Arbeitgeber besser zu Hause zu bleiben. Bereits ab Dienstag gab es keinen oder kaum noch Neuschnee, nur noch eine klirrende Kälte, die bis zum Wochenende mit Frost teilweise bis zu 15 Minusgraden anhielt und den Schnee auf der Straßen verharschte, was den Verkehr erschwerte. Ab 9. Februar hatte sich das Wetter weitgehend beruhigt. In der Landesmitte ging die Temperatur in NRW stellenweise auf minus 15 bis minus 20 Grad zurück. Doch wenige Tage später, wurde es von einem Tag auf den anderen sommerlich warm. Erstmals in der Geschichte der Wetteraufzeichnungen stellten Messstationen an sechs hintereinander folgenden Tagen Temperaturen von bis zu plus 20 Grad fest. Am Samstag, den 20. Februar, nachmittags und 15.09 Uhr, zeigte die Thermometer-Tafel an der Borkener Straße in Holsterhausen 21.9 Grad. Abend kam in den ZDF-19 Uhr-Nachrichten die Information, dass die heißeste Temperatur in Deutschland in Göttingen mit 20 Grad gemessen wurde.

Rückblick:
Bei klirrender Kälter erfroren in Dorsten Menschen: 1858, 1860 und 1997

Alle Kinder, die im Grundschulalter waren, hatten in Deutschland noch keinen normalen Winter erlebt. Das ist schon verrückt. Wir erleben gerade das Ende des 10. zu warmen Winters in Folge. Das gab es noch nie und es bedeutet, dass das Jahrzehnt 2010 bis 2020 keinen einzigen kalten – oder sagen wir normalen – Winter hatte.Den meisten Spaß am Winterwetter hatten wohl die Kinder. Die bekannten Pisten in Dorsten, u. a. im Bürgerpark Maria Lindenhof, waren tagsüber gut besucht. Viele Mädchen und Jungen haben wahrscheinlich noch nie so viel Schnee in Dorsten gesehen. Den letzten bemerkenswerten Schneewinter in Dorsten mit Dauerfrost bis zu 15 Minusgraden gab es 2012, was vor allem den Kanalschiffen zu schaffen machte. Die Stadt hortete 1400 Tonnen Streusalz. Zwei Jahre zuvor, 2010, gab es am Hl. Abend in Dorsten ein Schneechaos mit 30 Zentimeter Neuschnee. Am 26. November 2005 zog über das Münsterland das sogenannte „Münsterländer Schneechaos“, das auch in Dorsten Schaden anrichtete. Ein Schneesturm über Dorsten sorgte 1978 für ein Durcheinander in der Stadt. Telefonmasten knickten um. 1945/47 gab es den schwersten Winter des 20. Jahrhunderts, der auch Opfer kostete. Opfer gab es auch im 19. Jahrhundert. Am 18. Januar 1858 erfror in Eiseskälte in Lembeck-Specking ein Soldat, als er zu Fuß von Haltern in sein Elternhaus nach Lembeck lief. Am 26. Januar 1860 erfror ein Holsterhausener in kalter Winternacht am Freudenberg. Und im Winter 1996/97 erfroren zwei Bewohner der städtischen Obdachlosenunterkunft in ihren Betten an der Apostelstiege, was die Stadt der Presse gegenüber zuerst abstritt, dann aber doch zugeben musste.

Siehe auch: Wetter (Essay)
Siehe auch: Wetterrekorde 2011
Siehe auch: Schneesturm 1978
Siehe auch: Schneechaos 2010

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