Rechtsprechung im Schloss

Deflorationen, Alimente, Mord, Totschlag, Beleidigungen und Diebstahl

Die Schlossherren von Lembeck waren in der Herrlichkeit die Gerichtsherren. Gericht wurde auf Schloss Lembeck abgehalten. In den Gräften des Schlosses fanden während der Hexenprozesse die „Wasserproben“ statt (siehe Hexenverfolgung). Im 16./17. Jahrhundert war der heutige Schlaunsche Festsaal die Gerichtsstube, die Verliese waren darunter im Keller (heute Teil des Schlossrestaurants). Belegt ist für Lembeck auch der so genannte „Spanische Mantel“. Es war ein Kasten in Form einer zweigeteilten, großen hölzernen Tonne, die oben eine Öffnung für den Kopf hatte und die Füße des Delinquenten berührten gerade noch den Boden. So musste er in der Tonne verbringen, vielleicht Stunden oder Tage. Die Rechtssprechung auf Schloss Lembeck ist bis heute ein kaum aufgearbeitetes Thema, die Akten werden restriktiv unter Verschluss gehalten. Der frühere Schlossverwalter Hugo Hölker konnte in die Gerichtsakten von Schloss Lembeck einsehen und einige Fälle darstellen, die im „Heimatkalender für die Herrlichkeit Lembeck und Dorsten“ veröffentlicht wurden. Hier gekürzte Auszüge:

Unterhaltsklagen

Lehne des Richterstuhls mit dem Bildnis des Bernhard von Westerholt zu Lembeck

Richterstuhls mit dem Bild Bernhard von Westerholts

Im Beisein des Lembecker Pastors Gerhart Harde, Küster Pauwell und Heinrich Lochumb einigten sich Henrich Holtkamp und Mette Balkenberg 1586 wegen ihres Kindes. Die ledige Mutter erhielt 13 Taler und musste dafür das Kind anderthalb Jahre „wohl und redlich, wie es einer treuen Mutter gebühret“, aufziehen. Danach hatte der Vater das Kind „in Verwahrung“ zu nehmen. Solche außerehelichen Schwangerschaften waren „brüchtenfähig“, das heißt (meist für die Frau) strafbar. Die Strafe bestand vor allem aus Arbeitsleistungen, die für das Haus Lembeck zu verrichten waren. Geradezu als ein Casanova entpuppte sich Gert Hoke, der es im Jahre 1703 mit gleich zwei Alimentenklagen gleichzeitig zu tun hatte. Er musste der Greite Patthoff „wegen geschehener Defloration“ zwölf Reichstaler und zwölf Scheffel Roggen zahlen. Das Kind wurde den Eltern des Gert Hoke „aufs Haus geschickt“. An die zweite Geliebte musste er schon 17 Reichstaler und zwölf Scheffel Roggen zahlen. Darüber hinaus hatte er das Tauflager und die Brüchten alleine zu übernehmen. Während des Kindsbetts hatte er „ein Viertel Bier“ und „dann und wann, solange der Kram währte, eine Kanne Milk“ zu geben. Das Haus des Hoke, wo sie als Magd diente, hatte sie sofort zu verlassen. Sie musste das Kind mitnehmen und hatte es „ehrlich aufzuziehen“.

Mordprozesse, Mörderey und Diebstahl, Folter und Anklagen

Gerichtsbuch in Lembeck

Gerichtsbuch in Lembeck

Im März 1587 begann ein Prozess gegen Johan Mengels, nachdem bei Borken ein Junge ermordet aufgefunden worden war. Mengels wurde der Tat verdächtigt, in der Freiheit Raesfeld aufgespürt, mit Genehmigung der Schlossherrin von Raesfeld durch den Fronen gefangen genommen und nach Lembeck gebracht. Obwohl Mengels kein unbeschriebenes Blatt war, konnte ihm der Mord an dem Jungen nicht nachgewiesen werden. Bei der Untersuchung kam aber zutage, dass er vor längerer Zeit einen Soldaten ermordet hatte. Dafür musste er jetzt eine Strafe von acht Talern bezahlen, so dass er als freier Mann die Lembecker Gerichtsstube wieder verlassen konnte. Zu einem umfangreichen Verfahren kam es im Dezember 1587. Johann N. und Johann H. waren der Mörderey und des Diebstahls angeklagt. Nachdem sie „peinlich“ (Folter) verhört worden waren, bekannte sich Johan H. zu allen acht Anklagepunkten für schuldig. Darunter war ein Mord an einem Soldaten, den er in Hervest „doitgeslagen und in die Lippe gesmeten“ hatte. Seine Beute bestand lediglich aus einem „Daaler und einer blauen Buxe, so er angehabt“. Gefährlich wurde für ihn seine Aussage, der Satan habe ihn „verfort sein Steifkind“ zu ersticken. Denn dadurch machte er sich der Hexerei verdächtig. Sein Kumpan Johan N. gestand ohne Einschränkung gleich acht Viehdiebstähle. Im Gerichtsprotokoll steht, dass er „noch etzliche Rinder, Schape und Ihmen [Bienen] gestoelen, unnötig, sie alle hier zu erzelen“. Das Todesurteil lautete: „Johan H. ist mit dem Rade durch verstoißen seiner Glieder vom Leben zum Tode zu richten! Johan N. zum Tode am Galgen.“ Nach Bezahlung von zehn Talern wurden die beiden Verurteilten zum „Tod mit dem Swert“ begnadigt. Das Urteil vollstreckte der Coesfelder Scharfrichter Hans Vos am „Stocker Berge“.

Schmähworte

Beleidigungen durch Schmähungen („Smeheworte“) spielten vor Gericht eine große Rolle und gaben immer wieder Prozessen den Anlass. Harmlos waren die Schmähungen „Schelm“, „Drietsack“, Riegendrieter“, „Hundsvott“ oder „Schapdieb“. Wurde eine Frau allerdings eine „Zaubersche“ gescholten, hatte sie als denunzierte „Hexe“ das Schlimmste zu befürchten (siehe Polizeiwesen; siehe Rechtsstreit um ein jüdisches Geleit ab 1602; siehe Rechtswesen).


Anmerkung:
Die Abkürzung der Namen der beiden Verurteilten Johann N. und Johan H. ist vom Autor Hugo Hölker übernommen werden, der dies vermutlich aus der Absicht tat, heutige Nachfahren der Mörder aus dem 16. Jahrhundert zu schützen.

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