Perspektive Haus

Von Erziehungshilfe und Mutter-Kind-Gruppe zum Flüchjtlingsfamilien-Heim

Seit Februar 2009 gibt es an der Straße „An der Molkerei“ das „Perspektive-Haus Erziehungshilfen GmbH“ mit einer Mutter-Kind-Gruppe und einer Babyschutzstelle mit insgesamt 26 Plätzen: die  Initiativgruppe hat jeweils sieben Plätze für Mütter und Kinder; die Babyschutzstelle hat vier Plätze und sechs in Appartements (vollstationäre Mutter-Kind-Betreuung). Die Konzeption sieht eine Betreuung innerhalb eines Vier-Phasen-Modells vor. Das multiprofessionelle Team besteht u. a. aus Krankenschwestern und Hebammen. Absoluten Vorrang haben Hilfe und konsequente Haltung zur Wahrung des Kindswohls nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG). Angeschlossen ist die „Perspektive Individuelle Erziehungshilfen GmbH“. Sie ist ein freier Träger der Jugendhilfe in der Betreuung von Pflegefamilien. Die Gruppe vermittelt im Auftrag der Jugendämter und in Zusammenarbeit mit ihnen Kinder in Pflegefamilien, die über eine besondere pädagogische Eignung oder berufliche Qualifikation verfügen. Zu den Initiativen unter Leitung von Hildegard Overfeld und Susanne Selting (Stand 2010) gehört auch die Hilfe für Frauen, denen eines oder mehrere Kinder vom Gericht oder Jugendamt weggenommen wurden. In dem „Mutter-Kind-Haus“ in Dorsten waren bis dahin vornehmlich Frauen aus Nachbarstädten untergebracht. Seit 2010 wendet sich die Initiative auch direkt an Dorstener Frauen.

Erfahrungen von Maria Frenzel und Barbara Maas

„Frauen, denen ein Kind weggenommen wurde, stehen oftmals anschließend alleine da und wissen gar nicht, wie es weiter gehen soll oder kann. Mitunter werden sie nicht einmal zu Hilfeplangesprächen zwischen neuer Pflegefamilie und Jugendamt eingeladen und sind somit kaum in die weitere Entwicklung ihres Kindes einbezogen“, so Hildegard Overfelds Erfahrungen in der WAZ vom 15. Oktober 2010. Fachlich unterstützt wird das Projekt von der Dipl.-Pädagogin Maria Frenzel und der Sozialarbeiterin Barbara Maas. Die Initiative arbeitet eng mit dem Verein „Frauen helfen Frauen“ (Frauenhaus) und dem Kinderschutzbund zusammen. Keineswegs will die Dorstener Initiative gegen das Jugendamt Stimmung machen, sondern mit ihm gemeinsam Perspektiven erarbeiten.
Im Mai 2011 veranstaltete der Verein im Wulfener Gemeinschaftshaus eine Fachtagung zum Thema „Bindung – Fundament für das ganze Leben“, an der mehrere hundert Personen teilnahmen. Referent war  der als „Bindungspapst“ apostrophierte Dr. Karl-Heinz Brisch aus München, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Jugendpsychotherapie. Die Bindung für Kinder, so das Grundargument, sei ein Grundbedürfnis wie Essen und Trinken. Organisiert wurde die Tagung von der Dorstener Arbeitsgruppe Bildung und Erziehung, der Vertreter aller Vereine und Institutionen angehören, die sich mit Familienarbeit befassen.

Das Mutter-Kind-Haus soll eine Flüchtlingsunterkunft werden

Die Stadt Dorsten hatte das Haus erworben, nachdem es als Mutter-Kind-Haus aufgegeben wurde, um dort eine Unterkunft für Flüchtlingsfamilien zu schaffen. Bevor die neuen Bewohner einziehen können, sind allerdings noch Umbauten erforderlich. Laut Information der Stadt sollen zwölf Wohneinheiten für maximal 50 Personen und Räume für Betreuungsdienste eingerichtet werden. Über diese Pläne wurden Anwohner am 1. September 2023 in einer Versammlung in der Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde Dorsten in der Straßennachbarschaft informiert. Dazu wurden nur Anwohner zugelassen. Die Polizeisicherte dies Versammlung, zu der auch die Presse keinen Zutritt hatte. In den Online-Medien verdichte sich die die Kritik mancher Anwohner. Bekannt ist auch, dass einige der veröffentlichen Stimmen nach der Veröffentlichung wieder entfernt wurden (Quelle: DZ vom 2. Sept. 2023).

Zur Rechtslage: Das Achte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) ist der Artikel 1 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG; Volltitel: „Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts“). Das KJHG umfasst die bundesgesetzlichen Regelungen in Deutschland, die die Kinder- und Jugendhilfe betreffen. Dieses 1990 vom Bundestag verabschiedete Gesetzeswerk trat am 1. Januar 1991 in den westlichen Bundesländern in Kraft und löste u. a. das bis dahin geltende Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) von 1922 (in der Fassung von 1963) ab. In den neuen Bundesländern erlangte das Gesetz bereits mit dem Beitrittstermin am 3. Oktober 1990 seine Gültigkeit.
Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) ist ein Artikelgesetz mit insgesamt 24 Artikeln. Der Kern des Gesetzes ist der Artikel 1 mit über 100 Einzelparagraphen. Die übrigen Artikel beinhalten Änderungen anderer Gesetze, zum Beispiel des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) sowie die Übergangs- und Schlussvorschriften. Im Zuge der gesetzlichen Neuordnung der Kinder- und Jugendhilfe waren diese Änderungen anderer Gesetze notwendig geworden, da sie im Widerspruch zu den neu gefassten Regelungen standen. Wenn umgangssprachlich vom „KJHG“ oder vom „Kinder- und Jugendhilfegesetz“ gesprochen wird, ist der Kern des Gesetzes, sein Artikel 1 (SGB VIII) gemeint. Mit dem KJHG (SGB VIII) wurde die politische und fachliche Kritik an der Kontroll- und Eingriffsorientierung des JWG aufgenommen und ein Leistungsgesetz für Kinder, Jugendliche und ihre Familien geschaffen, das auf Unterstützung und Hilfsangebote setzt. Das Inkrafttreten des KJHGs wird daher auch als Paradigmenwechsel in der Kinder- und Jugendhilfe angesehen.

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