Mord und Totschlag

Erstickt, erschlagen, erschossen, vergiftet, ertränkt, erstochen, erwürgt…

Von Wolf Stegemann. – Der Unterschied zwischen Mord und Totschlag im Strafgesetzbuch § 211 stammt noch aus der Nazi-Zeit. Er wurde von der Bundesrepublik übernommen. Wenn zum Beispiel eine Frau nach einem Ehe-Martyrium ihren Haustyrann nachts umbringt, bleibt dem Gericht kaum eine Wahl: Lebenslange Haft für einen Mord aus „Heimtücke“, obwohl dieses Urteil nicht schuldangemessen ist. Der einzige Unterschied zum Nazi-Paragraf: Keine Todesstrafe mehr, sondern lebenslange Haft. Der Druck von Justizkreisen und Anwaltverbänden auf die Regierung wächst, endlich eine Reform der Nazi-Gesetzestexte anzupacken.

Tatort

Änderung des Mordparagrafen im Strafgesetzbuch geplant

Was unterscheidet den Mord vom Totschlag? Das ist beileibe nicht so klar, wie man das von Taten glauben möchte, die im Zentrum des Strafrechts stehen. Die Wahrheit ist: Der Kern des Strafrechts besteht aus problematischen Gummi- und Emotionsformeln, die auf das Jahr 1941, also auf die Nazis, zurückgehen, so Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung. Er schreibt weiter: Die heutige Rechtsprechung zum Mord orientiert sich immer noch, wie zu NS-Zeiten, am Leitbegriff der „niedrigen Beweggründe“, der einen Tätertyp beschreibt – den Typ des Mörders, wie ihn sich die Nazi-Juristen vorstellten und mit Wörtern wie „heimtückisch“ und „aus niedrigen Beweggründen“ beschrieben. Laien halten den Totschlag für eine Tötung im Affekt und den Mord für eine genau überlegte und planvolle Tötung. Das ist gar nicht dumm, genau dies galt nämlich bis 1941. Aber die Juristen zitieren belehrend den seit damals geltenden Paragrafen 211, an dem freilich wild herumdefiniert werden muss, um ihn rechtsstaatlich brauchbar zu machen. Handwerkszeug der Juristen ist dabei nicht selten das Synonymlexikon. Um aus einem Totschläger einen Mörder zu machen, hilft es, die Tat mit möglichst vielen hässlichen Adjektiven zu beschreiben: „verwerflich“, „verächtlich“, „auf tiefster Stufe stehend“ und dergleichen mehr. Mittels solch gesinnungsstarker Wörter macht die Strafe einen drastischen Sprung: Für „Totschlag“ gilt derzeit ein Strafrahmen von fünf bis 15 Jahren, auf „Mord“ steht lebenslang als absolut-exklusive Strafe (Auszug SZ vom 22. Dezember 2013).

Richter müssen sich immer häufiger mit Mord und Totschlag beschäftigen

Die Richter des für Dorsten udn den Kreis zuständigen Landgerichts Essen müssen sich in den letzten Jahren immer öfter mit schweren Straftaten beschäftigen. Die Zahl der Prozesse, in denen es um Mord und Totschlag ging, hat sich in den letzten beiden Jahren deutlich erhöht. Allein letztes Jahr landeten 26 Verfahren vor dem Schwurgericht, steht in der aktuellen Jahresbilanz. Auf der Anklagebank saß unter anderem ein Pizza-Bäcker aus Dorsten. Er hatte den Betreiber einer Konkurrenz-Pizzeria niedergestochen und wurde zu vier Jahren Haft verurteilt. Ebenfalls um eine brutale Messerstecherei ging es bei einem Fall aus Marl: Ein 36-Jähriger hatte auf seinen Nachbarn eingestochen, weil der zu laut war. Die Folge: Anderthalb Jahre Knast. Spektakulär war auch der Prozess um einen brutalen Rentner-Überfall in Marl. Zwei Männer hatten einen 78-Jährigen im Schlaf überrascht, ihm mit dem Tod bedroht und ausgeraubt. – Und jetzt ein Blick nach Dorsten. Einige der hier aufgeführten Delikte sind auch als ausführliche Einzeleinträge in diesem Lexikon zu finden (Stichwort: Morde):

2019 – Leiche im Teich

Im Februar. Campingplatzbetreiber am Brückenweg in Östrich entdeckten im Februar 2019 eine Leiche in einem der Teiche, die im nordwestlichen Bereich des Campingplatzes „Schult im Anker“ liegen. Die Taucher der Feuerwehr zogen dann einen noch nicht identifizierten toten Mann aus dem Wasser. Nach ersten Erkenntnissen gab es keine Hinweise auf ein Fremdverschulden. Doch die Kriminalpolizei nahm Ermittlungen auf.

Ab 2018 – Ein Dorstener Trio beging Raub mit Todesfolge

1. Mai. Zwei Dorstener und eine Dorsstenerin vergifteten einen 58-jährigen Bekannten mit einem Kuchen, in den Methadon gespritzt worden war, um an das Geld des Opfers zu kommen. Der Mann starb an Herzversagen. Die Täter wurden im Juni 2019 zu hohen Freiheitsstrafen wegen Raubes mit Todesfolge verurteilt (siehe: Mordkuchen mit Methadon).
Im September. Ehemann überfuhr seine Frau: Fahrlässige Tötung oder Totschlag? Auf der Zufahrt zum Parkplatz Schloss Lembeck wurde im September 2018 eine 65-jährige Bochumerin von einem Auto überrollt, das ihr 79-jähriger Ehemann fuhr. Die Frau war ihrem Mann heimlich gefolgt, der sich auf dem Parkplatz von Schloss Lembeck mit einer geheimen Geliebten traf. Als seine Frau dann auftauchte, überfuhr er sie. Die Frau erlag ihren schweren Verletzungen. Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Essen beantragte neun Jahre Haft wegen Totschlags. Das Gericht verurteilte den Ehemann allerdings lediglich wegen fahrlässiger Tötung zu drei Jahren Haft. Der Fall liegt jetzt beim Bundesgerichtshof und wird frühestens im September 2020 über das Urteil des Landgerichts entscheiden.

2016 – Dreijähriges Kind getötet

20. Januar: Das Schwurgericht Münster verurteilte im Juni 2018 den 33-jährigen Olfener Ex-Freund einer Wulfenerin wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu sieben Jahren Gefängnis, da er deren dreijährigen Sohn Ilyas im Januar 2016 brutal misshandelt hatte, an deren Folgen das Kind starb. Die Ärzte hatten später einen Schädelbruch und eine massive Hirnschwellung festgestellt. Die Staatsanwaltschaft hatte zehn Jahre wegen Totschlags gefordert. Der Angeklagte hatte im Prozess zunächst von einem Sturz des Kindes, später von einer Panikreaktion gesprochen. Der Tatablauf: Der Täter war mit dem Kind alleine, da seine Freundin spät abends zum Essenholen zu einem Imbiss fuhr. Währenddessen wurde das schlafende Kind gegen 22,20 Uhr wach und schrie. DerMann schlug das dreijährige Kind so fest auf den Kopf, stieß es gegen die Türklinke, so dass es das Bewusstsein verlor. Daraufhin schüttelte er das Kind und brauste es kalt ab, um es wieder wach zu bekommen. Vier Tage später starb es im Krankenhaus. Vor der Urteilsverkündung sagte der Angeklagte: „Es sind Dinge passiert, die nicht hätten passieren dürfen. Durch meinen Schock und meine Panik wusste ich nicht, was ich tat.“ Die Mutter, die nach dem Tod ihres Kindes noch etliche Zeit mit ihrem Freund zusammen war, sprach vor Gericht von einem „Unfall“ (Quelle: Nach Jörn Hartwich in DZ vom 16. Mai und 22. Juni 2018).
17. August: Eine Ehefrau aus Dorsten-Rhade bringt ihren 74-jährigen demenzkranken Mann zur Kurzzeitpflege in ein Pflegeheim in Heiden (Münsterland), da sie ein paare Tage Urlaub machen wollte. Kaum war ihr Mann im Heim untergebracht und sie im Urlaub, wurde ihr Mann mutmaßlich von seinem 83-jährigen ebenfalls an Demenz erkrankten Bettnachbarn mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen. In Münster wurde eine Mordkommission eingesetzt. Der 83-jährige Täter wurde schuldunfähig in der Psychiatrie untergebracht.

2014 – Mordversuch an einem Zeitungsboten

März: Als versuchten Mord bewertet die Staatsanwaltschaft das brutale Zusammenschlagen eines 73-jährigen Zeitungsausträgers in der Olbergstraße in Holsterhausen. Der erst 17-jährige Täter aus Dorsten begegnet dem Opfer in den Morgenstunden mit einem kurz zuvor in der Bonifatiusstraße gestohlenem Motorroller. Als der Zeitungsbote dem jungen Mann bei der vermeintlichen Panne helfen will und dabei entdeckt, dass der Motorroller gestohlen war, schlägt ihn der 17-Jährige so brutal zusammen, dass das Opfer im Universitätsklinikum Münster notoperiert werden muss. Der Täter entkommt mit dem Fahrzeug des Zusammengeschlagenen.

2013 – Dorstener erstickt seine Schwiegermutter

6. Juni: Ein 49-jähriger Dorstener erstickt seine Stiefmutter (69) nach einem Streit mit einem Kissen. Der Mann bewohnt in seinem Elterhaus eine Kellerwohnung. Als er aus der oberen Wohnung etwas mitnehmen will, kommt es zu dem Streit. Zwei Tage später sucht der offenbar psychisch kranke Mann ein Krankenhaus in Hamm auf und offenbarte sich einem Arzt.

2012 – Abscheuliches Mordkomplott einer Dorstenerin in Berlin

21. März:  Eine Mountainbikerin entdeckt am Fuße des Feuerwachturms in der Hohen Mark die Leiche einer Frau. Die Kriminalpolizei geht von einer Selbsttötung aus.
29. Mai: in einer Erdgeschosswohnung eines Mehrfamilienhauses an der Barkenberger Allee 37 in Wulfen wird ein 26-jähriger Serbe, der knapp drei Wochen zuvor im niedersächsischen Bad Zwischenahn bei Oldenburg seine 24-jährige Ex-Freundin niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt hat, von Spezialkräften aus Oldenburg und Essen festgenommen.
10. Juni: In Essen wird der 42-jährige Dorstener Tischler Volker W. festgenommen, dem die Polizei zur Last legt, die seit dem 28. Mai vermisste 58-jährige Monika O. getötet zu haben. Die Leiche der Frau wird in den Morgenstunden des 10. Juni im Keller eines Wohnhauses in Essen-Altenessen entdeckt. Der Dorstener, der in dem Haus wohnt, ist erst vor drei Monaten unter strengen Auflagen aus der Haft entlassen worden. Wegen Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch verbüßte er eine zweijährige Haftstrafe.
20. Juni: Die 27-jährige Dorstener Fleischverkäuferin Tanja L., ihr Bruder, ihr heimlicher Geliebter aus NRW, deren Mutter und ein Knast-Kollege ihres Bruders schmieden ein Mordkomplott in Berlin-Lübars, demzufolge die befreundete Pferdewirtin Christin R. vor den Augen aller durch einen gedungenen Mörder für 500 Euro erwürgt wird. Tanjas heimlicher Geliebter ist noch mit dem Opfer liiert. Durch den Mord will er an die Lebensversicherungen des Opfers kommen, um mit seiner neuen Geliebten, der Dorstenerin, einen Reiterhof in Westfalen zu kaufen. Im Prozess, der noch anhält, tritt die Dorstenerin als geständige Kronzeugin auf. Sie bekommt 14 Jahre Gefängnis, alle ihre Komplizen lebenslänglich.
20. Dezember: Ein 48-jähriger Paderborner wird in Dorsten von Spezialkräften der Polizei festgenommen. Der Mann wird verdächtigt, am Vortag in Düsseldorf-Angermund drei Schüsse auf einen 36-jährigen Kölner abgegeben zu haben. Hintergrund der Tat ist ein privates Kreditgeschäft.

2010 – Verweste Leiche an der Gladbecker Straße

10. März: Spaziergänger finden in einem Waldstück an der Gladbecker Straße eine stark verweste Leiche, die teils mit Erde und Laub überdeckt ist. Bereits zwei Tage später kann die Identität festgestellt werden. Es handelt sich um einen 40-jährigen Mann aus Dorsten, der seit September 2009 vermisst wird.
28. Juli: Die 33-jährige Jessiva Awara, zugewandert aus Kamerun, wird um 22.40 Uhr in ihrer Schermbecker Wohnung erstochen aufgefunden. Für Hinweise setzt die Staatsanwaltschaft Duisburg 1.500 Euro Belohnung aus.

2009 – Frau tötet ihren Freund mit einer Flaschenscherbe

12. Oktober: In der Clemens-August-Straße tötet eine 31-jährige Frau unter Alkoholeinfluss ihren 38-jährigen Freund mit einer Flaschenscherbe im Verlauf einer Auseinandersetzung. Der Notarzt kann nur noch den Tot des Opfers feststellen. Die Frau wird festgenommen.  – Im ersten Prozess vor dem Schwurgericht Essen fordert der Staatsanwalt wegen Mordes 14 Jahre Freiheitsentzug. Das Gericht verurteilt sie 2010 zu zehn Jahren Gefängnis. Anfang 2011 hebt der Bundesgerichtshof das Urteil auf und empfiehlt dem Essener Gericht, ein neues psychiatrisches Gutachten einzuholen, um die Frage zu klären, inwieweit die Angeklagte überhaupt in der Lage gewesen war, ihr Handeln zu erkennen. Sie wird in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik untergebracht.

2008 – Türke schneidet seiner Frau die Kehle durch

Januar: Nach dem Tod eines 15 Tage alten Säuglings durch ein „Schütteltrauma“ ermittelt die Polizei gegen die Eltern. Das Verfahren wird eingestellt, weil nicht zu klären ist, ob Vater oder Mutter (die einzigen Tatverdächtigen) Hand an den Jungen gelegt haben. Die beiden älteren Kinder, zeitweise vom Jugendamt in Obhut genommen, kehren wenig später zur Mutter zurück.
Juni: Ein Wulfener (21) tötet im Wahn seine Mutter (56). Er hielt sie für einen Dämon und erschlug die Frau mit einem Beil. Im Dezember beginnt vor dem Landgericht Essen der Prozess gegen den jungen Mann. Beobachter des Prozesses erwarten, dass er dauerhaft in einer Psychiatrie untergebracht wird.
Oktober: Auf der Hohenkampbrücke schlagen Jugendliche einem 53-jährigen Mann mit einem Hammer ins Gesicht. Die Tat als solche löst schon Entsetzen aus. Wenig später nimmt die Polizei drei Jugendliche in Haft und offenbart weitere Hintergürnde: Das Trio war in Mordabsicht unterwegs, wollte Verwandte berauben, auch umbringen, und traf nach zwei „Fehlschlägen“ das vollkommen unbeteiligte Opfer. Der Mann wird durch die Hammer-Attacke schwerstens verletzt.
29. Dezember: Ein 29-jähriger Türke ersticht in der Dorstener Fußgängerzone seine von ihm im Dorstener Frauenhaus getrennt lebende 27-jährige Ehefrau auf offener Straße und schneidet ihr im Beisein des fünfjährigen Kindes die Kehle durch. 2009 verurteilt ihn das Essener Schwurgericht zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe.

2007 – Mann erschießt seine Frau auf offener Straße

2. Juni: In einer Wohnung in Recklinghausen werden zwei 23- bzw. 24-jährige Männer erstochen aufgefunden. Spezialkräfte verhaften Tage später einen 22-Jährigen in Barkenberg als mutmaßlichen Täter.
30. September: Der 56-jährige Hervest-Dorstener Norbert O. erschießt seine von ihm getrennt lebende 49-jährige Ehefrau auf offener Straße in Herne-Baukau. Er wird wegen Totschlags zu elf Jahren Haft verurteilt. Im Zuge der Ermittlungen wird durch DNA-Spuren festgestellt, dass der Täter zwischen 1996 mit derselben Waffe Banken in Gelsenkirchen, Bottrop und Köln überfallen hatte. Im Januar 2012 wird er vom Landgericht Essen dafür zu weiteren vier Jahren verurteilt. In der Revisionsverhandlung wird Anfang 2013 das Urteil rechtskräftig bestätigt.

2005 – Weibliche Leiche unter der Hohenkampbrücke

11. Januar: Joggerinnen entdecken in einem Straßengraben an der der Gälkenheide einen unbekannten Toten, der einem Verbrechen zum Opfer fiel.
30. März: Arbeiter finden an der Uferböschung der Hohenkampbrücke eine weibliche Leiche.

2004 – Spielhallenaufsicht in Holsterhausen erstochen

6. November: Am Wulfener Markt wird ein junger Mann tot aufgefunden, der eines gewaltsamen Todes gestorben ist.
1. Dezember: In Holsterhausen wird nachts die 65-jährige weibliche Spielhallenaufsicht erstochen und beraubt. Die Leiche wird in unmittelbarer Näher in der Eschenstraße aufgefunden. Der oder die Täter sind bislang nicht ermittelt worden.

2000 bis 2003 – Zehnjähriger Junge verwest in Wohnung 

1. Januar 2000: In den Morgenstunden schlagen drei Jugendliche im Alter von 17, 18 und 20 Jahren am Dorstener Bahnhof einen 56-Jährigen brutal zusammen, so dass dieser wochenlang im Koma liegt. Die drei Schläger kommen in U-Haft und werden später verurteilt. Der 17-Jährige erhängt sich im Juni 2000 in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Wuppertal.
2. September 2000: Die stark verweste Leiche des 10-jährigen Ali C., der seit Juli 1999 vermisst wird, wird in einer Dorstener Mietswohnung gefunden. Der Mörder Karsten B. aus Dorsten wird am 21. März 2001 zu einer lebenslangen Freiheitsstraße verurteilt.

Der Dorstener Kindermörder könnte entlassen werden: Karsten B. war 23 Jahre alt, als er im Juli 1999 ein Kind bestialisch tötete und die Leiche des Jungen in der Tiefkühltruhe in seiner Dorstener Wohnung versteckte, nachdem er den zehnjährigen Ali C. grausam gequält, sexuell missbraucht und dann erdrosselt hatte. Ein Jahr lang lebte der Täter mit der Leiche des Kindes in der Wohnung. Die Schwurgerichtskammer Essen verurteilte den Dorstener im März 2001 zu einer lebenslangen Haftstrafe mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Das erschwert eine Entlassung aus dem Gefängnis nach 15 Jahren. Gänzlich verwehrt ist so beurteilten Straftätern die Aussicht auf eine Entlassung dennoch nicht. Eine Vollstreckungskammer und die Staatsanwaltschaft prüfen daher auf Antrag des Inhaftierten, ob er unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt werden kann. Das wird wohl nicht sein, denn der Täter bekannte sich auch nach Jahren Gefängnisaufenthalt offen dazu, dass er gewalttätige Neigungen habe und Lust verspüre, wenn er an die Einzelheiten der Ermordung des Kindes zurückdenke. Deshalb unterschrieb Karsten B. ein Papier, das er seinem Anwalt übergab, dass er niemals aus der Haft entlassen werden wolle. Weil Karsten B. zu Zeiten seines Prozesses in Essen voll geständig und laut zweier Gutachter schuldfähig im Sinne des Gesetzes ist, musste sich kein forensischer Experte mit B.s sadistischer Neigung befassen, sodass der Öffentlichkeit einiges erspart bliebt, so heute der damalige Richter des Schwurgerichts, wie die grauenhaften Details des Mordes an dem Jungen Ali. Der zehnjährige Ali lebte mit sechs Geschwistern und seiner Mutter in einem Dorstener Heim für Asylbewerber und hielt sich des Öfteren mit einem seiner Brüder in der Dorstener Innenstadt auf. Dort begegnete er auch seinem späteren Mörder Karsten B. Der Junge war arglos, als er mit B. in dessen Wohnung ging. Das wurde ihm zum Verhängnis (nach Claudia Engel in DZ vom 19. Januar 2019).

1999 –Türke erschießt seinen Vater auf offener Straße

5. Juli: Wegen versuchten Mordes werden zwei Dorstener Jugendliche zu je viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie im März 1998 einen Gullydeckel von der Wedenhofbrücke auf ein vorbeifahrendes Auto geworfen und den Fahrer schwer verletzten.
25. Oktober: In Hervest-Dorsten erschießt ein 20-jähriger Türke im Streit seinen Vater auf offener Straße.

1996 bis 1997 – Mord in der rechtsradikalen Szene

15. März 1996: der 25 Jahre alte Martin Kemming, Aussteiger aus der rechtsradikalen Szene, wird im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses in Rhade erschossen. Wenige Stunden später nimmt die Polizei den rechtsradikalen Gladbecker Täter Thomas Lemke im Sauerland fest. Daraufhin kann eine Serie von Morden aufgeklärt werden.
27. Mai 1997: Die Essener Jugendstrafkammer verurteilt einen 19-jährigen Dorstener zu sieben Jahren Haft, der bei einem Wohnungseinbruch im Januar 1996 die Wohnungsinhaberin erschlagen hatte.
Mitte 1997: Auf dem Weseler Campingplatz Grav-Insel stößt bei einer Auseinandersetzung ein 30-jähriger Dorstener einem Bekannten aus Gelsenkirchen ein Messer in den Rücken. Das Schöffengericht Wesel verurteilt ihn Anfang Februar 1998 zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung.

1990 bis 1995 – Pärchen tötet Barkenberger mit Messer

11. August 1990: Ein junges Pärchen ohne festen Wohnsitz (sie 14, er 27 Jahre alt) wird der Tat verdächtigt, einen Barkenberger mit 23 Messerstichen getötet zu haben.
2. Mai 1995: Geplanter Mord durch Messerstiche und Eisenstangen an einem indischen Asylbewerber aus Dorsten in Krefeld durch eine Gruppe indischer Asylbewerber aus Dorsten und Umgebung. Motiv: Vergeltung wegen Ehrverletzung (Beziehungstat).

1980 bis 1989 – Freundin in den Blauen See geschubst

25. Dezember 1982: Wegen Totschlags wird die 46-jährige Mutter von sieben Kindern, Brigitte M., zu vier Jahren Gefängnis verurteilt.
18. April 1983: Der 23-jährige Dorstener Andreas B. schubst seine 25 Jahre alte Freundin Ilona S. bei einem Picknick mit Alkohol und Tabletten am Ufer des Blauen Sees in Holsterhausen über die Böschung ins Wasser. Dann geht er weg und erzählt in der Dorstener Stadtstreicherszene, dass „Ilona in der Lippe schwimmt“. Zwölf Tage später wurde die bereits verweste Leiche in Höhe „Im Ap“ in Gahlen angeschwemmt. Im März 1984 fand die Verhandlung vor der Strafkammer II des Essener Landgerichts statt. Er wurde wegen Totschlags verurteilt.
23. April 1983: Eine Massenschlägerei zwischen Pakistani und Deutschen in Barkenberg fordert ein Todesopfer. Der Pakistaner Rham Bhagu stirbt an einem Messerstich. Der Täter, ein 36-jähriger Recklinghäuser, wird zu fünf Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
17. Dezember 1983: Der 21-jährige englische Soldat Marc G., der in der Muna in Wulfen stationiert ist, ersticht nachts um 2.50 Uhr in Rhade die 31-jährige Taxifahrerin Elke Z. aus Deuten. Das Schwurgericht Essen verurteilt ihn im März 1985 zu zehn Jahren Freiheitsstrafe
und sofortiger Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
28.  Oktober 1984: Der 31-jährige Dorstener Pflasterer Reinhard S. erschießt in einer Holsterhausener Gastwirtschaft nach einer Auseinandersetzung den 28-jährigen Klaus R. aus Dorsten.

1972 bis 1979 – Türke schießt Türken in den Kopf

1. Januar 1973: In der Silvesternacht wird die 44-jährige Dorstenerin Edith B. brutal ermordet. Ein 26-jähriger Dorstener kann bereits am nächsten Tag als Täter ermittelt werden. Der Tat an der Kanalbrücke ist ein Streit um Bezahlung des „Liebesdienstes“ vorausgegangen.
13. Juli 1974: Nach einem Streit wird der 59-jährige Wulfener Schuhmacher und Organist Wilhelm Brüggemann in seiner Wohnung von dem 19-jährigen Lothar Reissig erwürgt. Der Täter wird später zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.
13. April 1976: In Barkenberg wird die 36-jährige Hausfrau Anita Jakobsmeier getötet. Nach 40 Monaten nimmt die Polizei in Flensburg den 21-jährigen Zimmermann Reiner K. aus Dorsten fest, der auch eine 64-jährige Witwe aus Lindau (Rheinland-Pfalz) ermordet hatte. Ihm kann der Mord in Wulfen nachgewiesen werden.
15. September 1977: In der Nähe des Forsthauses Freudenberg finden Pilzsucher eine stark verweste Frauenleiche. Es wird festgestellt, dass der Fundort nicht der Tatort ist. Bei der Leiche handelt es sich um die 19-jährige Bochumerin Monika Rösner.
1. Mai 1978: Der 31-jährige Türke Ahmet G. tötet auf der Halterner Straße in Hervest-Dorsten den 32-jährigen Landsmann Mehmet K. durch Kopfschuss. Der Täter kann fliehen.
11. Oktober 1978: Im Wulfener Gewerbegebiet „Im Köhl“ werden die Geschäftsführerin und der Betriebsleiter aus Eifersucht erschossen. Der tatverdächtige Ehemann der Frau tötet sich zwei Tage später in seiner Wohnung in Seppenrade, als die Polizei ihn festnehmen wollte.

1961 bis 1969 – Dorstener schneidet einer Frau die Kehle durch

1961: Wegen versuchten Mordes verurteilt die Jugendstrafkammer beim Landgericht Essen einen 16-jährigen Dorstener, der unter Vormundschaft des Bottroper Jugendamts steht, zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe.
24. Dezember 1963: Ein 30 Jahre alter Mann schneidet einer 21-jährigen Coesfelderin, die zu Besuch bei Freundinnen in Dorsten war, bei ihrer Ankunft hinter dem Coesfelder Bahnhof die Kehle durch und fährt anschließend mit dem Zug nach Dorsten.
14. August 1964: Auf einem Waldweg beim Dorf Hervest wird der in seinem Wagen schlafende Handelsvertreter Aloys Rave von einem bis heute unbekannten Täter getötet.
22. Juni 1965: Bei Altschermbeck wird der 27 Jahre alte Dreher Bernd Heppelmann aus Duisburg das Opfer eines Verbrechens. Der Gelegenheitsarbeiter Josef Underberg aus Uefte erschießt das Opfer in dessen Wagen und vergeht sich an dessen Braut. Die Leiche wird in der Nähe des Kommunalfriedhofs in Holsterhausen gefunden. J. Underberg wird im Mai 1966 wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilt.
7. Mai 1966: Der 19-jährige Schüler Gerfried Müller aus Dorsten erschießt im Jagdrevier seines Vaters in „verkannter Notwehr“ mit der Pistole den Bottroper Fotografen Kochmann und wird im Juli 1967 vom LG Essen zu zwei Jahren Gefängnisstrafe verurteilt.

1953 bis 1958 – Totschlag beim Schützenfest im Lippetal

2. November 1953: Auf der Bundesstraße 224 wird zwischen Erle und Rasfeld der 31-jährige Ludwig W. aus Altschermbeck nachts  tot aufgefunden. Die Polizei stellt fest, dass das Opfer von einem Fahrzeug angefahren und in den Straßengraben gelegt worden war. Der Fahrer begeht Fahrerflucht.
1953: Das Essener Schwurgericht verurteilt den 25-jährigen staatenlosen Theodor Leschzuk aus Dorsten wegen Tötung seiner Ehefrau unter Zubilligung von mildernden Umständen zur Höchststrafe von fünf Jahren Gefängnis und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte für fünf Jahre. Motiv ist eine krankhafte Eifersucht.
1955:  Totschlag beim Schützenfest der Altstadtschützen im Lippetal.
1957: Ein Polizeioberwachtmeister wird in der elterlichen Wohnung schwer verletzt aufgefunden. Aus seiner Dienstpistole sind fünf Schüsse abgefeuert worden, einer davon hat ihn am Kopf schwer verletzt.
15. Dezember 1958: Nachts gegen 2.30 Uhr wird die Leiche des Lageristen Ludwig Becker auf der Borkener Straße zwischen Lippe- und Kanalbrücke aufgefunden. Die Polizei vermutet Raubmord, da die Geldbörse des Toten fehlt. Der Fall wurde nie aufgeklärt.

(Kein Anspruch auf Vollständigkeit)

Zur Sache:
111 Morde und 192 Mordversuche an (Ex-)Partnerinnen im Jahr 2019

Rund 130 Frauen werden pro Jahr von ihren Partnern oder Ex-Partner umgebracht. Das ist der Durchschnitt der Zahlen des Bundeskriminalamtes von 2016 bis 2019. Sie bedeuten: Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Hinzu kommt, dass es etwa im vergangenen Jahr auch noch 192 Mordversuche an (Ex-)Lebensgefährtinnen gegeben hat. Es ist ein Problem, das seit langem bekannt ist. Doch es wird nicht genug getan, um die Frauen zu schützen. Weltweit wurden 2017 von insgesamt 87.000 getöteten Frauen 60.000 von ihrem Partner, ehemaligen Partner oder einem Familienmitglied getötet.

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