Medikamenten-Mangel

Ab Ende 2022 fehlen in Apotheken Arzneimittel: „Echt dramatische Lage!“

In den Apotheken in Dorsten fehlen hunderte Medikamente, was Apotheker „dramatisch“ nennen. Denn nicht nur Fiebersäfte sind rar. Tagesbilanz von Gerrit Nattler (Elisana-Apotheke): „Bei etwa einem Drittel der 40 Patienten war das gewünschte Medikament nicht vorrätig!“ Normalerweise waren immer mehr als 90 Prozent der gewünschten Medikamente da, die dann aber binnen vier Stunden nachgeliefert werden konnten. Ende 2022 standen im
Apotheken-Verbund allerdings über 400 Artikel überhaupt nicht zur Verfügung. Gerade im Bereich Antibiotika, fiebersenkenden Mitteln für Kleinkinder und bei Herzmedikamenten führt dies nach Ansicht des Dorstener Apothekers zu einer unhaltbaren Situation. Die Ursache für die dramatische Lage der Apotheken liegt vor allem im Preisverfall vieler Arzneimittel. Die Krankenkassen zahlen für viele Basismedikamente heute nur noch Centbeträge. Daher bleibt insbesondere den sogenannten Generikaherstellern nichts anderes übrig, als in Asien zu produzieren oder zumindest die Wirkstoffe dort zu beziehen. Viele Medikamente werden in China hergestellt. Wegen der Null-Covid-Politik in China und der allgemeinen Lieferketten-Problematik kommt die Ware nur verzögert oder in geringeren Mengen in Deutschland an. Auch, weil Deutschland die Medikamente in China sehr billig einkaufen. Zehn fiebersenkende Zäpfchen für Kleinkinder kosten mittlerweile weniger als einen Euro, rechnet Nattler vor. „Bonbons sind doppelt so teuer.“ Immerhin reagiert nun die Politik und will für die Herstellung der Medikamente in China mehr bezahlen, wie es beispielsweise andere Länder tun, darunter Österreich. Dass in dieser Phase zusätzlich zu den steigenden allgemeinen Kosten und Personalkosten jetzt noch die Vergütung für die Apotheken ab Februar 2023 sinkt, spreche für eine geringe Wertschätzung der Apotheken in Deutschland, so Gerrit Nattler in der „Dorstener Zeitung“.

Medikamentenmangel: Regierung plant Pflicht zur Lagerhaltung

Zum Vermeiden von Engpässen bei wichtigen Medikamenten sollen nach Plänen des Bundesgesundheitsministeriums neue Regeln für Vorräte als Sicherheitspuffer kommen. Zum Auffangen kurzfristiger Störungen in der Lieferkette oder kurzzeitiger größerer Mehrbedarfe werde „eine Pflicht zur mehrmonatigen Lagerhaltung“ eingeführt, heißt es in einem Referentenentwurf für ein geplantes Gesetz. Demnach sollen Krankenkassen und Pharmabranche in Rabattverträgen generell eine „kontinuierliche, versorgungsnahe Bevorratung“ von bestimmten Arzneimitteln vereinbaren.

Fehlende Medikamente: Kinderärzte schickten 2023 Hilferuf

Zuerst wurde der Fiebersaft knapp, dann bekamen viele Eltern in der Apotheke auch keine Antibiotikasäfte mehr für ihre Kinder. Daher haben Kinder- und Jugendärzte aus mehreren europäischen Ländern (Deutschland, Frankreich, Österreich, Schweiz, Südtirol/Italien) am 27. April 2023 in einem Brief an die Gesundheitsminister ihrer Länder appelliert, gegen die Knappheit bei Kinderarzneimitteln vorzugehen. Es ist von dortigen Kinderarztverbänden unterschrieben. „Die Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen ist durch den Medikamentenmangel europaweit gefährdet. Eine schnelle, zuverlässige und dauerhafte Lösung ist dringend erforderlich!“, heißt es in dem Schreiben. Es fehle an Fieber- und Schmerzmedikamenten in kindgerechter Darreichungsform. Auch das Antibiotikum Penizillin gebe es derzeit nicht. Der Versorgungsmangel mit Antibiotikasäften für Kinder in Deutschland ist seit Ende April sogar offiziell: Das Bundesgesundheitsministerium hatte im Bundesanzeiger, der amtlichen Verkündungsplattform der Bundesrepublik, bekanntgemacht, dass derzeit ein solcher Versorgungsmangel bestehe. Die Ursachen für Lieferengpässe bei Arzneimitteln seien vielfältig, heißt es vom Bundesgesundheitsministerium. Verwiesen wird etwa auf „Engpässe bei Grundstoffen“ oder auch „Produktionsprobleme“. Ein Sprecher der Ärzteschaft erläuterte in den Rundfunk- und TV-Nachrichten, dass sich Deutschland endlich unabhängig machen müsse von den Produktions- und Zulieferländern wie China und Indien.


Quellen: DZ vom 3. Dez. 2022 und 30. April 2023

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