Kohlhaus

Niederlassung an der Lippe versorgte den Niederrhein mit Kohlen

Das Kohlhaus am Kanal 1972

Romantisches Ambiente: Das abgerissene Kohlhaus-Idyll an der Lippe bzw. am Kanal um 1920

„Im Jahr des europäischen Friedens, unter der Herrschaft Friedrichs des Großen, durch F. Wanters, westfälisch-preußischer Provinzial-Architekt erbaut worden.“ Der Hausstein mit diesem in Latein eingemeißelten Satz war bis zur Auflösung des Heimatmuseums im Jahr  2003 dort zu sehen. Er zierte früher das von Wassergräben umzogene 60 m lange Kohlhaus an der Lippe. Heute scheint der Stein verschwunden zu sein. Das Kohlen-Haus stand zwischen dem heutigen Tennisplatz und dem Bootshaus des Rudervereins am Kanal. Das Haus diente der königlich-preußischen-klevisch-märkischen Kriegsdomänenkammer als Umschlagsplatz der 1765 gegründeten Kohlenniederlassung an der Lippe sowie als Wohnhaus für Beamtenfamilien. Von hier aus wurden die preußischen Gebiete links und rechts am Niederrhein versorgt, Kohlen bis Kleve und nach Holland verkauft. Die Kohlen kamen vom märkischen Gebiet (Bochum) über den eigens 1765 gebauten Gahlener Kohlenweg zum Kohlhaus, wo sie verschifft wurden.

Freimaurer und leidenschaftlicher Jäger

Bis zum Jahr 1787 wurde die Niederlassung von den beiden Rendanten Johann Heinrich Haller und G. Geissel verwaltet. Beide Familien wohnten im Kohlhaus. 1787 wurde das Monopolrecht des Staates für den Verkauf der Steinkohle aufgehoben und das Kohlhaus mitsamt dem Kohlenhandel an den Kaufmann Johann Abraham Arntzen verkauft, in dessen Familie der Betrieb in wesentlich geringerem Umfange aufrechterhalten wurde. Nach seinem frühen Tod ging das Haus an seine Söhne Johann Peter und Wilhelm Gerad über. Die Witwe heiratete den königlich-preußischen Kriegskommissar Friedrich Ludwig Schöplenberg aus Kleve. Die Familie vergrößerte in den folgenden Jahren durch Ankäufe das Anwesen. Bis 1827 bewirtschafteten die beiden Brüder das Gut gemeinsam, danach übernahm der Ältere das Gut und die Kohlenniederlassung. Er war Freimaurer und ein leidenschaftlicher Jäger. Johann Peter Arntzen starb mit 81 Jahren kinderlos und vererbte das Kohlhaus an die Kinder seines jüngeren Bruders, von denen keiner mehr im Kohlhaus wohnte. Es wurde verpachtet. Bereits 1847 war die Köln-Mindener Eisenbahnstrecke dem Verkehr übergeben worden, wodurch dem Lippehandel eine mächtige Konkurrenz vor allem für die Frachtschifffahrt erwuchs. Schon 1864 wurde auf der Lippe keine Kohlen mehr transportiert.

Sommerhaus wurde schon 1911 abgerissen

Wegen Überschuldung wurde das Haus 1876 zwangsversteigert und von dem Kriegsgerichtsrat F. Liebrecht erworben, der es an den Dorstener Bankier Franz Josef de Weldige-Cremer verkaufte, der das Haus zeitweise bewohnte und das Land an Nachbarn verpachtete. Er verkaufte einen großen Teil des Grunds 1884 an den Landwirt Johann Heinrich Heselmann und 1888 das Gebäude an den Kaufmann Hans Zichner aus Düsseldorf, dessen Sohn bis 1897 im Kohlhaus wohnte. In jenem Jahr ging das Gut an Johann vorm Walde aus Essen-Borbeck, der es vorerst verpachtete und es ab 1909 zusammen mit seinem Sohn bewirtschaftete. Eine besondere Zierde des Gutes war das am oberen Rand des Eichenwäldchens gelegene Sommerhaus. Es war massiv gebaut, achteckig, und mit einem schmalen Türmchen versehen. Es wurde 1911 abgebrochen.

Haus stand dem Kanal im Weg

Hartnäckig hält sich das Gerücht in Publikationen von Heimatvereinen, dass Kaiser Napoleon I. während seiner Besichtigungsreise am Niederrhein und an der unteren Lippe hier Kaffee getrunken und im Kohlhaus genächtigt haben soll, was mit Sicherheit eine Legende ist. Denn Nachweise hierüber gibt es nicht, wohl aber Fakten, dass Napoleon weder hier noch in Dorsten gewesen war. – Weite Flächen des Gutes standen dem Kanalbau und der Lippeverlegung im Wege, so dass 1925 der Staat das Anwesen kaufte. Übrig blieben 56 Morgen Land, das Felix vorm Walde nun vom Staat pachtete, bewirtschaftete und im Kohlhaus wohnte. Im Rahmen der Kanalregulierung wurde das historische Kohlhaus 1972 abgerissen. Heute sind noch der ehemalige Obstgarten des Kohlhauses sowie die das Haus umgebenden Wassergräben zu sehen.


Quellen:
P. Heckermann „Vom Gahlener Kohlhaus“ in HK Dinslaken 1939. – Gerda Illerhus „Abschied von einem Stück Dorstener Geschichte“ in Vestischen Kalender. – Dr. Bette „Gahlener Kohleweg oder Emscher Schifffahrt“ in HK Dinslaken 1960. – Otto Ernst Erley „Märkische Steinkohle für klevische Lande“ in RP (in 3 Fortsetzungen). – Wolf Stegemann „Bei schwerer Erntearbeit sangen wir fröhliche Lieder. Heinrich Wellmann, Gutsverwalter vom alten Kohlhaus, erinnert sich“ in RN vom 9. Oktober 1982.

Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Email this to someone