Hochwasserschutz

Emscher/Lippe-Hochwasserprognosen in kürzeren Zeitabständen berechnen

“Land unter” beim früheren Wasser- und Schifffahrtsamt in Dorsten (Hochwasser)

Im Sommer während der Flutkatastrophe waren die Systeme an Emscher und Lippe zwar gut aufgestellt und haben funktioniert. Und ein wenig Glück war auch dabei. Denn mit den Wassermengen, die beispielsweise in Hagen heruntergekommen waren, hätte es auch rund um die Emscher große Probleme geben können. Berechnungen haben ergeben, dass es allein im Teil der Emscher zwischen Holzwickede und Gelsenkirchen Gebäudeschäden in Höhe von rund 600 Millionen Euro gegeben hätte. Besser aufgestellt ist man an der Lippe, auch wenn es dort zahlreiche Nebengewässer wie Seseke in Lünen, Mühlenbach in Datteln oder Stever in Haltern gibt, die ebenfalls viel Wasser bei Starkregen mit sich bringen und jeweils auch zu einem reißenden Gewässer werden könnten: Doch selbst den Hagener Regenmengen hätten die Schutzvorkehrungen laut Berechnungen an der Lippe standgehalten. Deichabschnitte müssen überströmungssicher ausgebaut und der Ausbaugrad der Deiche an einigen Stellen erhöht werden – zum Beispiel auf ein Hochwasser, das statistisch gesehen alle 500 Jahre vorkommen kann. Bisher sind die Deiche an der Emscher auf ein Hochwasser alle 200, an der Lippe alle 250 Jahre ausgelegt, was immer noch deutlich über dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestmaß liegt.

Kommunen sind gefordert: Gründächer, Entsiegelungen, Bebauungspläne

Darüber hinaus müssen die 190 Kilometer Deiche teilweise sanfter abfallen, verstärkt und bruchsicherer gemacht, weitere Rückhaltebecken gebaut (aktuell gibt es ein Volumen von fünf Millionen Kubikmetern) und mehr Flächen für die Versickerung in den Städten geschaffen werden. Denn die Wasserwirtschaftsexperten sind sich einig darüber, dass in Zukunft solche schweren Naturereignisse wie im Juli 2021 noch öfter und vielleicht sogar schlimmer auftreten werden. Hochwasserprognosen müssen in Zukunft in deutlich kürzeren Zeitabständen berechnet werden. Waren es bisher 30 Minuten, so strebt der Emscher-Genossenschaft und Lippe-Verband (EGLV) 15 Minuten an. Bus Jahresende 2021 dürften die Rechnerkapazitäten sowie die vom Deutschen Wetterdienst übermittelten Daten zur Verfügung stehen. Aktuell beträgt (auch wegen der zahlreichen Retentionsbecken/Rückhaltebecken) die Vorlaufzeit an der Lippe sechs Stunden. An der Emscher hat man hingegen nur etwa die Hälfte der Zeit zur Reaktion. Aber auch die Kommunen sind gefordert. Die Lage mache es erforderlich, so der EGLV, dass unter anderem Gründächer, Entsiegelungen und Entflechtungen in den Flächennutzungs- und Bebauungsplänen der Kommunen festgeschrieben werden.

An Emscher und Lippe: 500 Millionen Euro für den Hochwasserschutz

Im Jahr 2021 sind Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV) bei der Hochwasserlage glimpflich davongekommen. Die Verbände wollen das Glück nicht überstrapazieren und ziehen Konsequenzen. Die Erfahrungen und Erkenntnisse vom Juli 2021 haben die Wasserverbände in der darauffolgenden Zeit in die Tat umgesetzt und zum Beispiel die „Roadmap Krisenhochwasser“ aufgesetzt. Der Aktionsplan sieht unter anderem die Schaffung von mehr Retentionsflächen vor, die im Ernstfall kontrolliert geflutet werden können. Mehr Raum für Wasser, 30 zusätzliche Pegel im EGLV-Gebiet, um die Hochwasser-Warnung zu verbessern, die Ertüchtigung von Deichen oder die Anpassung der Hochwasserschutzanlagen an extreme Wetterlagen, die in Folge des Klimawandels häufiger auftreten, gehören dazu. Finanzierung und Flächenknappheit sind dabei im dicht besiedelten und stark versiegelten Ruhrgebiet zentrale Fragen. Unterstützung wird von der NRW-Landesregierung gefordert. Zu den Investitionen in die ökologische Infrastruktur gehört auch der Ausbau des Hochwasserschutzes durch das Land. Denn in den Jahren etwa bis 2035 stehen erhebliche Investitionen en, um den Hochwasserschutz zu gewährleisten. Allein die „Roadmap Krisenhochwasser“ sehe bis 2037 Investitionen in Höhe von rund 500 Millionen Euro vor.
Darüber hinaus gelte es, das Schwammstadt-Prinzip in jeglicher Stadt- und Bauleitplanung zu etablieren. Regenwasser soll demnach nicht mehr in die Kanalisation abfließen, diese im Extremwetter-Fall überlasten und zur Kläranlage geleitet werden. Die Schwammstadt-Maßnahmen (u. a. Dach- und Fassadenbegrünungen, Entsiegelung von Flächen, Bau von unterirdischen Speichern, Anlegen von Versickerungsmulden, Überflutungs- und Wasserflächen) sorgen dafür, dass Regenwasser lokal zurückgehalten und gespeichert wird, Straßengrün bewässert oder über Verdunstung die Temperatur in den überhitzten Wohnquartieren im Sommer kühlt. Die Folgen des Klimawandels wie Hitze, Dürre oder Starkregen sollen so abgedämpft werden.

Siehe auch: Hochwasser
Siehe auch: Hochwasser Juni 2016
Siehe auch: Dauerregen 2016
Siehe auch: Lippe-Ökosystem
Siehe auch: Hochwasserschutz Altstadt


Quelle: Randolf Leyk in SZ vom 8. Okt. 2021

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