Glasmeier, Heinrich

Von Hitlers Fahrer zum Rundfunkintendanten aufgestiegen

Heinrich Glasmeier mit Propsagandaminister Josef Goebbels

Heinrich Glasmeier mit Propagandaminister Josef Goebbels

Von Wolf Stegemann – 1892 in Dorsten bis 1945 bei Linz/Österreich; Archivar und Reichsrundfunkintendant. – Zu einer schillernden Persönlichkeit des Dritten Reiches entwickelte sich der Dorstener Apothekersohn Dr. Heinrich Glasmeier, der sich vor 1933 in der westfälischen Adelsgeschichte und im Heimatbund betätigte. Nach 1933 ernannte ihn NS-Propagandaminister Goebbels zum Reichsrundfunkintendanten und Leiter des Bruckner-Stifts bei Linz. Beim Herannahen sowjetischer Truppen suchte er den Freitod. Er ging zu Fuß an die nahe Front und galt als verschollen. Glasmeier war NSDAP-Wahlhelfer, 1932 Hitlers Fahrer beim Wahlkampf in Lipper Land, Stadtverordneter in Münster, Mitglied des Provinziallandtags, Reichsintendant des Deutschen Rundfunks, Generaldirektor des Reichsinstituts des Deutschen Rundfunks (Reichsrundfunk-Gesellschaft), „Beauftragter des Führers“ und schließlich SS-Hauptsturmführer.

Zur Demokratie hatte der Archivdirektor keinen Zugang

Dr. Heinrich Glasmeier

Dr. Heinrich Glasmeier

Am 5. März 1892 in der Lippestraße geboren, studierte Glasmeier in München und Münster, promovierte 1926. Bis 1919 besaßen seine Eltern an der Lippestraße eine eigene Drogerie (später Bonato). Bereits als Kriegsfreiwilliger diente er von 1914 bis 1918 bei den 8. Husaren und beteiligte sich danach in Freiwilligenverbänden an der Niederschlagung der Spartakisten-Unruhen und der Roten Ruhrarmee. 1923 nahm er eine Stelle im gräflich-landsbergischen Archiv an, wurde ein Jahr später Archivdirektor der Vereinigten Westfälischen Adelsarchive und betätigte sich ab 1926 im Nebenamt als Leiter der Archivberatungsstelle der Provinz Westfalen. Zur demokratischen Gesellschaftsordnung der Weimarer Republik fand der Archivdirektor der Vereinigten Westfälischen Adelsarchive politisch keinen Zugang; den fand er zu seinen Hobbys: Reiten und Rassenkunde. Als Archivar gab Glasmeier mehrere heimatkundliche Schriften heraus und verfasste Aufsätze in der Fachliteratur. 1932 trat er der NSDAP bei (Mitgl.-Nr. 891.960) und avancierte bald zum Gaukulturwart und Gaugeschäftsführer beim NSDAP-Gau Westfalen-Nord. Zudem half er als SS-Führer mit, die SS-Organisation in Westfalen aufzubauen. Während der für die NSDAP so entscheidenden Landtagswahlen hatte Heinrich Glasmeier als Hitlers Fahrer das ihn für die Zukunft prägende „Führererlebnis“. Glasmeier machte sich auch als Parteiredner für die NSDAP verdient, so dass die Partei ihn nach der Machtübernahme 1933 mit der Intendanz des Westdeutschen Senders (heute WDR) in Köln belohnte. Politisch missliebige Mitarbeiter warf er sofort hinaus, wie sich Dr. Wilhelm Tigges erinnerte. Zu ihm sagte Glasmeier in soldatischer Kürze: „Sie sind politisch unzuverlässig. Räumen Sie sofort den Arbeitsplatz, und verlassen Sie das Haus binnen 20 Minuten.“

Glasmeiers NS-Ideologie war total. Wenn Glasmeier für kurze Zeit in Ungnade fiel, dann deshalb, weil er im Verdacht stand, größere Geldbeträge des Senders unterschlagen zu haben. 1935 konnte Glasmeier an seinen Schreibtisch zurückkehren, da man einen „anderen Schuldigen“ fand, der dem katholischen Zentrum angehört hatte. Die Hauszeitschrift des Rundfunks schrieb am 15. Mai 1935 im üblichen Nazi-Jargon:

„Damit ist ein Zustand beseitigt worden, der von böswilligen Gerüchtemachern weidlich ausgenutzt wurde, nicht nur, um den Intendanten persönlich, sondern auch den Nationalsozialismus in übler Weise in den Schmutz zu ziehen …“

Glasmeier hatte bei Goebbels eine ziemlich große Narrenfreiheit

H. Glasmeier in SS-Uniform, links Minister Goebbels

H. Glasmeier in SS-Uniform, links Minister Goebbels

1937 wurde Dr. Heinrich Glasmeier „Reichsintendant des Deutschen Rundfunks“ in Berlin. Adolf Hitler selbst gewährte dem Dorstener bis zum Zusammenbruch des Reichs Narrenfreiheit. Diese konnte er im Chorherren-Stift St. Florian bei Linz austoben, wo er 1942 das Bruckner-Stift gründete. Glasmeier wollte die besten Musiker aus Europa dort zusammenrufen. Doch der Dorstener Apothekersohn kam über die eigene Selbstdarstellung nicht hinaus. Lediglich das Konzert zum Geburtstag des Führers am 20. April 1944 war der einzige Auftritt des Stifts-Orchesters. Anschließend mussten die Musiker als Volkssturmmänner Schanzen ausheben. Heinrich Glasmeier und seine „Stiftsherren“ zeigten sich in selbst entworfener Kostümierung nach dem Bilde des Erasmus von Rotterdam. An Wänden und Decken ließ Glasmeier sein Familienwappen in Gold anbringen und ein Tafelservice für 50 Personen mit dem Glasmeier’schen Familienwappen vergolden; Besteck aus massivem Gold durfte nicht fehlen. Der Führer persönlich erlaubte ihm diese Extravaganzen kurz vor Kriegsende. Als der sowjetische Geschützdonner bereits zu hören war, verschwand Dr. phil. Heinrich Glasmeier spurlos. Er wurde später mit Datum 4. Mai 1945 für tot erklärt. Seine Tochter über ihren Vater: „Er wollte seinen Führer nicht überleben.“


Quellen:
Wolf Stegemanns Gespräch mit der Familie, Münster 1984. – Wolf Stegemann „Sein Aufstieg war steil, sein Ende ruhmlos“ in „Dorsten unterm Hakenkreuz“ Bd. 3, 1985. – Ders. „Hitler gewährte einem Dorstener Narrenfreiheit“ in RN vom 3. August 1985. – Wolf Stegemann/Maria Frenzel in „Lebensbilder aus sechs Jahrhunderten Dorstener Stadtgeschichte“, 1997. –  Literatur: Norbert Fasse „Dr. Heinrich Glasmeier: ein führender Kopf der Republikgegner“, „Glasmeier, Max von Landsberg und die Adelsvereinigungen“, „Glasmeier und die Landtagswahl in Lippe“, „Exkurs: Die Rundfunkkarriere des Dr. Heinrich Glasmeier“ in „Katholiken und NS-Herrschaft im Münsterland. Das Amt Velen-Ramsdorf 1918-1945“, Bielefeld 1997. – Ders. „Vom Adelsarchiv zur NS-Propaganda“,  Schriftenreihe des Jüdischen Museums Westfalen, Heft 2, 2001.

Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Email this to someone