Flüchtlingsunterkünfte

Umstrittene und genehmigte Bauvorhgaben, Renovierungen, Branstiftungen

Im Dorstener Sozialausschuss nahm im August 2023 der geplante und bei Anliegern umstrittene Neubau der Flüchtlingsunterkunft an der Ecke Halterner Straße/Hellweg in Hervests eine erste vorentscheidende politische Hürde. Die Abstimmung verlief einstimmig. In dem Zehn-Punkte-Papier wird die Stadt beauftragt, einige Maßnahmen für das vorgesehene und mit sechs bis zwölf Wohneinheiten bestückte Mehrfamilienhaus, in dem bis zu 50 geflüchtete Menschen untergebracht werden sollen, sowie für die nähere Umgebung umzusetzen. So soll sichergestellt werden, dass die geplante Unterkunft und eine noch zu prüfende mögliche weitere Bebauung dort nicht zu einer „massiven Verdichtung“ führen. Zudem soll die Unterkunft, die von der städtischen Wohnungsgesellschaft DWG gebaut werden soll, in Zukunft wieder dem regulären Wohnungsmarkt zugeführt werden. Auch sollen die Bäume am Hellweg und am benachbarten Neubaugebiet gesichert und aufgewertet werden, die Hälfte des jetzigen Grundstücks weiterhin als öffentliche Grünfläche erhalten bleiben und zusätzliche Spielflächen geprüft werden. Weitere Punkte: ausreichende Beleuchtung sowie eine nachhaltige Betreuung von Immobilie und Umfeld durch die Stadt, die zudem bei der Belegung auf eine „quartiersverträgliche“ Zusammensetzung der Bewohner achten soll. Aufgrund der Hinweise von Anwohnern forderten die Politiker zudem, dass bei der artenschutzrechtlichen Prüfung des Bauprojektes auch das Thema der dort abends zu beobachtenden Fledermäuse untersucht wird. SPD-Sprecher Friedhelm Fragemann bezeichnete die Fledermäuse als „ein etwas vorgeschobenes Argument“ der Kritiker. Unterdessen hat nämlich eine Bürgerinitiative unter dem Titel „Schützt die Hervester Fledermaus!“ eine Online-Petition sowie eine Unterschriften-Aktion gegen das Bauvorhaben gestartet, die bei der Stadt eingegangen waren. Bürgermeister Tobias Stockhoff sprach von 170 Unterschriften, die Petition im Internet haben bislang gut 260 Menschen (Stand: 16. August) unterstützt, davon 174 in Dorsten. Der Rat der Stadt Dorsten hatte am 24. August nach kontroverser Diskussion das Projekt gegen die Stimmen von AfD und FDP beschlossen. Der Bürgerantrag, der sich gegen die Bebauung richtete, wurde abgelehnt (Quellen: MK in DZ vom 17., 24. und 25. Aug. 2023).

Stadt renoviert Obdachlosen-Unterkunft am Hammer Weg für Flüchtlinge

Um in Zukunft weitere Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete zu schaffen, hat die Stadt Dorsten gut 1,75 Millionen Euro vom Land NRW erhalten. Geld, das bis Ende des Jahres 2023 verplant sein muss, damit es nicht verfällt. Die Summe soll aber nicht nur als Zuschuss für einen bei Anwohnern umstrittenen Neubau an der Halterner Straße in Hervest und den Ankauf des inzwischen leerstehenden „Perspektive-Hauses“ (ehemalige Szene-Kneipe „Milieu“) in der Straße „An der Molkerei“ verwendet werden. Einen Teil der Landesmittel möchte die Stadt nämlich auch in die Sanierung der städtischen Obdachlosenunterkunft am Hammer Weg 25 bis 79 (Feldmark) stecken. Dort gehören der Stadt zwei der drei Restgebäude auf dem Gelände eines früheren Kriegsgefangenenlagers, in dem nach dem Zweiten Weltkrieg auch Ost-Flüchtlinge untergebracht wurden. Gut 20 Menschen, die auf dem angespannten freien Markt keinen privaten Wohnraum finden, leben derzeit dort in den beiden städtischen Gebäuden. Platz wäre für maximal 48 Personen. Nach einem Brand vor einigen Jahren waren vier der städtischen zwölf Wohneinheiten an eine Zentralheizung angeschlossen worden. Mit der Renovierung solle dies nun auch mit weiteren Wohnungen geschehen, die bislang mit Holz- und Kohleöfen beheizt wurden. Die unrenovierten Wohneinheiten erhalten zudem neue Türen und Fenster. Dass die Stadt die Renovierung mit Mitteln aus einem „Flüchtlingstopf“ des Landes bestreiten kann, hängt damit zusammen, dass die Unterkunft im Bedarfsfall auch von Flüchtlingen und Asylbewerbern genutzt werden kann. Diesen ist rechtlich zwar oftmals der Zugang zum allgemeinen Wohnungsmarkt versperrt – aber nicht, wenn sie einen Aufenthaltstitel haben. Werden sie in diesem Fall obdachlos, kommt eine Unterbringung in einer Einrichtung wie der am Hammer Weg in Betracht (Quelle: Entnommen Michael Klein in DZ vom 8. Sept. 2023).

Flüchtlingsunterkunft „An der Molkerei“ – Verzögerung durch Baurecht

Die Stadt Dorsten hatte zum 1. September 2023 das „Perspektive-Haus“ erworben – ein Mehrfamilienhaus an der Straße „An der Molkerei“ in Hervest, in dem zuvor eine Mutter-Kind-Einrichtung betrieben wurde. Dort sollen nun geflüchtete Familien untergebracht werden, wofür zehn Wohneinheiten im Gebäude entstehen sollen. Während die Erste Beigeordnete Nina Laubenthal noch im November 2023 davon ausgegangen war, dass dies sehr zügig passieren würde, hat sich dies nach einer Begehung mit Bauordnungsamt und einem Brandschutzsachverständigen geändert. Dabei wurde deutlich, dass das Gebäude in der jetzigen Form nicht für den geplanten Zweck einsetzbar ist. Die zehn Wohneinheiten mit unterschiedlichen Größen sollten mit Trockenbauelementen abgeteilt werden, wobei bereits bestehende Sanitäranlagen und Küchen weiter genutzt werden sollten.
Bei der bautechnischen Begehung wurde allerdings festgestellt, „dass die zweckmäßige Gestaltung der Räumlichkeiten, vielfach durch den Einsatz von Trockenbauelementen, nicht den baurechtlichen Bestimmungen genügt, um Familien dort unterzubringen“, so Laubenthal in einer Vorlage für den Sozialausschuss. Teilweise müssten Wände noch „ertüchtigt“ werden, um den Ansprüchen zu genügen, so Laubenthal. Teilweise müssten Wände auch neu gebaut werden. Dazu notwendige Angebote würden derzeit erstellt. Weitere Umbaumaßnahmen seien erforderlich, so Laubenthal. „Hierzu gehören der Umbau vorhandener Fluchtwege sowie die Schaffung neuer Fluchtmöglichkeiten.“
Bezahlt werden die Umbaumaßnahmen aus Mitteln von Bund und Land, die für Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten bestimmt sind. Mitte November hatte Dorsten rund 2 Millionen Euro erhalten. Doch der Umbau hat Folgen. „Mit einer ersten Belegung ist nicht vor Mitte der zweiten Jahreshälfte zu rechnen“, so Laubenthal. Also rund ein halbes Jahr später als zunächst geplant.

Aktuell keine neuen Flüchtlinge

Recht behielt Laubenthal mit ihrer Prognose, dass Dorsten im Winter keine neuen Flüchtlinge zugewiesen bekomme, da die Landesunterkünfte aufgrund einer Novellierung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes Dorsten nun zu 100 Prozent angerechnet wurden. 2023 sind laut Laubenthal 596 ukrainische Staatsbürger in Dorsten aufgenommen worden. Dazu 85 Asylbewerber aus anderen Herkunftsländern sowie 46 „Kontingentflüchtlinge“, also solche, die aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen aus Krisengebieten ohne Asylantrag aufgenommen werden (Quelle: ber in DZ vom 10. April 2024).

Brandstiftung in Raesfeld – Erschreckender Anstieg der Anschläge

Epping-Kappesmarkt-2014-45-640x326Die schlimmen Nachrichten kommen sonst aus östlichen oder südlichen Bundesländern, am 10. Januar 2016 aber aus unmittelbarer Nähe von Dorsten – aus Raesfeld. Dort wurde in der Nacht zuvor ein Brandanschlag auf eine vorbereitete Flüchtlingsunterkunft verübt. Das ehemalige Hotel „Epping“ (Foto) war bereits Mitte 2015 vom Gemeinderat zum Abriss freigegeben. Um Flüchtlinge unterbringen zu können, entschied der Rat im November, die neun Doppel- und zwei Einzelzimmer als Flüchtlingsunterkunft bis spätestens 2017 zu nutzen. Als das Gebäude bezugsfertig war, schüttete ein unbekannter Täter Brandbeschleuniger im Gebäude aus und entzündete ihn. Eine zufällig in er Nähe parkende Autofahrerin bemerkte den Brand und einen Radfahrer, der vom Haus wegflüchtete. Die Mitglieder der Rasfelder Flüchtlingshilfe waren geschockt. Die „Dorstener Zeitung“ zitiert eine Mitarbeiterin: „Ich habe nie erwartet, dass so etwas hier bei uns in Raesfeld passiert.“

2015 haben Asylunterkünfte 76-mal gebrannt

Die Brandanschläge auf Asylbewerberheime und Gewalttaten gegen ihre Bewohner haben in einem erschreckenden Maße zugenommen. Besonders der steile Anstieg von Brandanschlägen gibt Anlass zur Sorge. 76-mal wurde 2015 in Flüchtlingsunterkünften Feuer gelegt. Hinzu kommen elf versuchte Brandstiftungen. Zum Vergleich: 2014 gab es sechs Brandanschläge auf Asylbewerberheime. Auch insgesamt stieg die Zahl der Straftaten gegen Flüchtlingsheime deutlich an. Bis zum 11. Januar 2016 zählte das Bundeskriminalamt (BKA) 924 Delikte – mehr als das Vierfache des Vorjahres. Den größten Teil machen Sachbeschädigungen aus (347 Fälle). Es folgen Propagandadelikte (186 Fälle) und Volksverhetzung (104). Die Zahlen sind vorläufig. In den vergangenen Jahren sind die Zahlen durch Nachmeldungen zum Teil noch deutlich angestiegen. Gesicherte Erkenntnisse darüber, wie viele Menschen bei den Anschlägen im vergangenen Jahr verletzt wurden, liegen nicht vor. Todesfälle gab es nicht.

Wenige Straftaten aufgeklärt – Anklage wegen versuchten Mordes

Die Täter bleiben oft unerkannt. Wie eine Nachfrage der „tagesschau“ in 13 der 16 Bundesländer ergab, werden nur 27 Prozent der Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte aufgeklärt. Das BKA geht davon aus, dass die Täter ganz überwiegend Rechtsextreme sind. Für 825 Übergriffe auf Flüchtlingsheime macht das BKA „rechtsmotivierte Täter“ verantwortlich. Aber auch bei den restlichen 99 Fällen könne eine politische Motivation nicht sicher ausgeschlossen werden. Zumindest der Brandanschlag von Salzhemmendorf könnte bald aufgeklärt werden. Die Staatsanwaltschaft Hannover erhob Anklage gegen drei Tatverdächtige wegen versuchten Mordes. Die zwei jungen Männer und eine Frau werden beschuldigt, in dem niedersächsischen Ort bei Hameln einen Brandsatz in die Wohnung einer Flüchtlingsfamilie aus Simbabwe geworfen zu haben. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft handelte das Trio aus Ausländerhass. Die Angeklagten haben ein Geständnis abgelegt – schweigen jedoch zu ihrem Motiv.

Sprunghafter Anstieg  der Anschläge: Zahlen aus Nordrhein-Westfalen

Waren 2011 noch 18 Übergriffe aus Nordrhein-Westfalen gemeldet, so gab es ein Jahr darauf 24, 2013 mit 55 das Doppelte und 2014 verdreifachte sich die Zahl auf 170. Sprunghaft stiegen die Zahlen 2015 an. Das LKA meldete 789 Anschläge auf  Unterkünfte, darunter 28 Brandanschläge. In NRW in den Städten Duisburg 7. 8.), Witten (3. 9.), Lünen (19. 9.), Xanten (3./4. 10.); in Borken wurde Pflastersteine durch die Fenster geworfen (8. 12.) und in Waltrop und Schwerte Hakenkreuze geschmiert. 2016 (bis einschließlich Februar) ging es in NRW weiter: Köln-Mülheim (2. 1.), Feldhausen/Botropp (4. 1.), Rinsecke (8. 1.), Ascheberg (9. 1.), Raesfeld (siehe oben 10. 1.), Oberhausen (2. 2.) und Bocholt (7. 2.).


Siehe auch: Flüchtlinge (Artikelübersicht)
Siehe auch: Flüchtlinge A – Z
Siehe auch: Flüchtlinge (Artikelübersicht)
Siehe auch: Flüchtlinge 2015 bis 2018
Siehe auch: Afghanischer Flüchtling 2021

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