Bürgerhaushalt

Stadt plant einen projektbezogenen Nebenhaushalt durch Spenden

Bürgermeister Tobias Stockhoff will gemäß Ratsbeschluss vom März 2016 darüber nachdenken, wie Bürger durch Zahlung von Geld sich freiwillig an den Ausgaben der Stadt Dorsten mit einem so genannten „Bürgerhaushalt“ beteiligen können. Dazu regten die CDU und FDP im Rat der Stadt Dorsten an. Offensichtlich reichen die überaus vielen geldwerten ehrenamtlichen Tätigkeiten und lobenswerten Bemühungen der Bürger, Vereine und Initiativen für soziale und kulturelle Bereiche den Politikern nicht mehr aus. Jetzt geht es an ihr Geld. Da die Stadt mittlerweile hoch verschuldet ist und teils durch riskante Spekulationen der Kämmerei Geld in zweifacher Millionenhöhe verloren hat, das sie gar nicht hatte, dafür jetzt aber die Schulden, soll „ein Stück Handlungsfähigkeit an die Bürger zurückgegeben werden“. So umschreiben die Rathaus-Politiker geschickt den Versuch, von den Bürgern Geld für städtische Belange zu bekommen. Dieses freiwillig gespendete Geld an die Stadt soll aber nicht in den allgemeinen Haushalt fließen, sondern für ausgewiesene Projekte ausgegeben werden, die eigentlich Aufgabe der Stadt wären. Dadurch soll den Bürgern, so die Politik, mehr Transparenz angeboten werden, damit die Bürger wissen, was mit ihrem Geld geschieht. Die „Dorstener Zeitung“ zitiert in ihrem Beitrag vom 14. März 2016 die CDU und Liberalen: „Je mehr man am Bürger operiert, desto effizienter wird es.“ Das verstehe, wer will. Die SPD-Fraktion sieht in dem Vorhaben eine „gewisse Mogelpackung“ und die Grünen befürchten eine Mehrbelastung für Verwaltungsmitarbeiter, wie die DZ ebenfalls berichtete. Dennoch stimmten sie dem Vorschlag von der CDU und FDP  zu.

Der Bürgerhaushalt hat seinen Ursprung im Kampf gegen Korruption

Zur Sache: Der Bürgerhaushalt, auch partizipativer Haushalt oder Beteiligungshaushalt genannt, ist ursprünglich eine Ende der 1980er-Jahre entwickelte direkte Art von (kommunaler) Bürgerbeteiligung. Die Verwaltung einer Stadt, einer Gemeinde oder einer anderen Verwaltungseinheit ist damit um mehr Haushaltstransparenz bemüht und lässt die Bürger mindestens über Teile der frei verwendbaren Haushaltsmittel mitbestimmen und entscheiden.
Der erste Bürgerhaushalt (Orçamento participativo) wurde 1989 in Porto Alegre (Brasilien) durchgeführt. Inzwischen gibt es in Brasilien fast 200 solcher Kommunen, in ganz Lateinamerika über 1000. Die Transparenz des Gemeindebudgets erweist sich auch als wirksames Mittel gegen Korruption. Die Idee wurde von dort in viele Teile der Welt „exportiert“, u. a. im Rahmen der Lokalen Agenda 21 nach Deutschland, wo es etliche Initiativen in dieser Richtung gibt. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass diese Modelle keine sozialen Ziele verfolgen, weshalb Kriterien zur Verteilung von Investitionsgeldern hier nicht zu finden sind. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass Vereine kaum eine bzw. keine verfahrensprägende Rolle spielen. Die Partizipation erfolgt durch Bürgerversammlungen, zu deren Teilnahme über Bekanntmachungen in den Medien, per Anschreiben oder durch persönliche Ansprache aufgerufen wird. Es handelt sich um einen Prozess des „selektiven Zuhörens“, was bedeutet, dass die Regierung bzw. Gemeindevertretung nur die Vorschläge umsetzt, die sich mit ihren eigenen Interessen im Einklang befinden. In Deutschland wird zur Mobilisierung (ergänzend) gerne eine Zufallsauswahl von Teilnehmern aus dem Einwohnermelderegister vorgenommen, die zum Bürgerforum eine an sie persönlich gerichtete Einladung des Bürgermeisters erhalten. Diese Methode wird u. a. in Emsdetten (35.000 Einwohner), Hilden (56.000 Einwohner), Vlotho (21.000 Einwohner) und im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick (233.000 Einwohner) angewendet (Angaben nach Wikipedia).

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