Bürgergeld / Ungerechtigkeiten

Wohnkosten werden von Behörden oft „nicht angemessen“ berechnet

Viele Bürgergeld-Empfänger kommen mit den Wohnkosten, die ihnen ihre Kommunen zugestehen, in Wahrheit nicht aus. Teils müssen sie jeden Monat erhebliche Summen aufbringen. Beim Jobcenter in Höxter mussten im Jahr 2022 fast 42 Prozent aller Haushalte in Bürgergeld-Bezug bei den Miet- und Wohnkosten selbst draufzahlen, weil das Amt die anfallenden Posten nicht vollständig übernahm. Das war der landesweit höchste Wert. Die im Verhältnis wenigsten Betroffenen gab es mit unter vier Prozent in Münster, in Dortmund waren es sechs Prozent. In Düsseldorf (zehn Prozent) mussten die Menschen dann im Schnitt monatlich rund 131 Euro extra aufbringen – in Wuppertal hingegen kamen sie mit rund 36 Euro aus.
Für wie viele Bürgergeld-Empfänger die Wohnkosten, die ihnen die Kommunen zugestehen, in Wahrheit nicht reicht, und wie viel sie dann Monat für Monat irgendwie auffangen müssen, ist in Nordrhein-Westfalen je nach Region höchst unterschiedlich. Der Landesverband des Sozialverbands Deutschland hat dazu Zahlen der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet und schlägt Alarm. „Wir haben den Verdacht, dass das geltende Bundesrecht im Bereich der Kosten der Unterkunft in Nordrhein-Westfalen möglicherweise nicht einheitlich angewendet wird“, erklärte der Sozialexperte der Organisation Daniel Kreutz.
Im NRW-Durchschnitt zahlten demnach 2022 – Daten für 2023 liegen noch nicht vor – rund 13 Prozent aller Bürgergeld-Haushalte bei den Wohnkosten etwas dazu. Dabei lag die Deckungslücke im Schnitt bei mehr als 82 Euro im Monat. Beispielsweise in Leverkusen, Bonn, Mettmann oder Münster waren es mehr als 100 Euro. Die Landesregierung sieht Berlin in der Pflicht. Die Bundesregierung sei Anfang Dezember  2023 dazu aufgefordert worden, „Eckpunkte für eine Gesetzesänderung vorzulegen“, hieß es aus dem Arbeits- und Sozialministerium von Karl-Josef Laumann (CDU). Denn Unterschiede bei den Angemessenheitsgrenzen gebe es nicht nur in NRW, sondern auch in anderen Bundesländern. „Dies ist ein Hinweis, dass die Entwicklungen bei der Übernahme angemessener Unterkunftskosten ihre Ursachen in der grundsätzlichen Systematik des Bundesgesetzes haben.“

Menschen können unter das soziokulturelle Existenzminimum rutschen

Der Sozialverband Deutschland will das Land nicht so leicht aus der Verantwortung entlassen. Immerhin habe es die Aufsicht über die Kommunen. Niemand könne wollen, dass Menschen in NRW unter das soziokulturelle Existenzminimum rutschen, weil sie fürs Wohnen bezahlen müssen, obwohl das im Bürgergeldsatz nicht vorgesehen ist. Und auch der Mieterbund in NRW richtet den Blick auf das Land. „Wir beklagen, dass die Kommunen nicht auskömmliche Angemessenheitsgrenzen zugrunde legen“, sagte der Landesvorsitzende Hans-Jochem Witzke. „Aber die Gemeinden entscheiden das ja nicht aus Bosheit, sondern weil sie ihrerseits klamm sind. Das sind mitunter Verzweiflungstaten.“ Das Land müsse sie finanziell so ausstatten, dass sie sich ihrerseits wirklich angemessene Wohnkosten leisten könnten. Witzke kritisierte vor allem den Plan des Landeskommunalministeriums, die sogenannten Bewilligungsmieten anzuheben. Dadurch sollen Anbieter für neu gebaute Sozialwohnungen künftig deutliche höhere Mieten verlangen dürfen, beispielsweise bis zu 9,50 Euro pro Quadratmeter in teuren Großstädten. Das übersteige die Grenzen der Jobcenter. „Aus Sicht der Bürger ist das einfach widersprüchlich.“

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Quelle: DZ vom 14. Febr. 2024

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