Blaufärber

Beim Blaumachen kann man sein blaues Wunder erleben

Blaufärberei, Muster

Blaufärberei, Muster

Von Wolf Stegemann – Ein typisch westfälisches, vor allem im Münsterland weit verbreitetes Gewerbe, war das Bedrucken von Stoffen mit blauer Farbe mittels Models. In Dorsten war eine Blaufärberei ab dem 17. Jahrhundert an der Lippestraße ansässig, wie Absetzungen in alten Kanälen gezeigt haben. Im 18. Jahrhundert hat sie der aus Warendorf zugezogene Blaufärber Matthias Joseph Schürholz (1754 bis 1810) betrieben. Die Blaufärberei war drei Generationen lang im Schürholz-Besitz. Die Anfänge der Textilindustrie waren im 19. Jahrhundert in Dorsten von Rückschlägen gekennzeichnet. Es blieb bei den Textilhandwerken. Doch allmählich stieg durch bessere Gewebequalität die Tuchherstellung an, was auch auf die Leistungsfähigkeit der Dorstener Walkmühle in Deuten zurückzuführen war, denn selbst Recklinghäuser brachten die Wolle zur Weiterverarbeitung nach Dorsten.

Ursprünge in Indien

Blaufärber 16. Jahrhundert

Blaufärber 16. Jahrhundert

Im Vest Recklinghausen gab es 1847 zwei Blaufärbereien, eine davon in Dorsten. Die Etablierung von Blaufärbereien wurde durch eine verstärkte Nachfrage nach bunten Textilien befördert. In Westfalen verbreitete sich das Tragen von blau gefärbten Kittelhemden immer stärker. Noch im 18. Jahrhundert trug man weiße Kittel und Schürzen, so dass Färbereien kaum gefragt waren. Durch die blaue Kitteltracht entstanden in Dorsten drei weitere Färbereien. Die Ursprünge des Blaudrucks führen nach Indien, einem Land, das auf Grund seines Reichtums an Rohstoffen (Baumwolle, Farbstoffe) gute Voraussetzungen für eine Textilproduktion bot. Im 16. Jahrhundert brachten holländische Seeleute zusammen mit dem Färbe-Reserveverfahren den Farbstoff „Indigo“ mit nach Europa. Ein Aufschwung des Zeugdrucks im 18. Jahrhundert sorgte für eine weite Verbreitung über alle deutschen Länder, vor allem in Westfalen. Jedes Dorf hatte seinen „Blaufärber“.

Blaufärber 1914

Blaufärber 1914

In den Gegenden, wo Flachs angebaut und Leinen produziert wurde, wie in Westfalen, entstanden besonders viele Werkstätten. Die Industrialisierung mit ihren maschinellen Verfahren, verdrängte das Blaudruckhandwerk nach einer Hochblüte im 19. Jahrhundert. Heute gibt es nur noch ganz wenige Meister(innen), die diese Technik beherrschen. Für die Arbeit benötigt die Blaudruckerei Models, das sind aus Holz und Metall gefertigte erhabene Druckstöcke. Grundsätzlich unterscheidet man zwei Verfahren beim Druck: den Direktdruck und den Reservedruck.

Schürhölz’ waren früher Blaufärber

In Dorsten hervorzuheben ist die bereits erwähnte Blaufärberei der Familie Schürholz. Die Familie stammt aus Drolshagen, wo es im Jahre 1659 bereits acht Familien mit dem Namen Schürholz gab, von denen etliche Blaufärber waren. Familienmitglieder begründeten an der Lippestraße eine Blaufärberei und einen Laden mit „Tuchen und Ellenwaren“ (1808), das sich ab 1816 am Markt niederließ, eine Druckerei und später die Kokosweberei „DeKoWE“ in der Marienstraße.

Redensarten. Im Volksmund haben sich die Begriffe „Blauer Montag“ und „blau machen“ erhalten. Aber nur das Blaumachen könnte auch auf die Blaufärberei zurückgehen. Der „blaue Montag“ wird der Blaufärberei fälschlicherweise zugeschrieben, gleichwohl die Blaufärber diesen Tag auch für sich als freien Tag genutzt haben könnten. Denn der „Blaue Montag“ bezeichnete die Montage in der Fastenzeit, wenn Kreuze und anderes Inventar in Kirchen mit blauen oder violetten Tüchern verhangen und das Kircheninnere geschmückt wurden. Daraus entwickelte sich die so genannte „Arbeitsfreiheit des Fastenmontags“, die bald auch auf andere Montage ausgedehnt wurde. Als 1726 der „blaue Montag“ verboten wurde, kam es zu Aufständen in verschiedenen Städten, so dass die Obrigkeit erneut striktere Verbote erlassen musste. Bis heute gibt es noch vereinzelt Hinweise auf den „Blauen Montag“: Ruhetage in der Gastronomie, beim Friseurhandwerk, in Museen und in der DDR waren die Bäckereien an Montagen grundsätzlich geschlossen.
Die Herkunft der Redewendung „Blau machen“ („seiner Arbeit nicht nachgehen, der Arbeit oder Schule ohne triftigen Grund fernbleiben“) ist nicht gesichert und hat daher mehrere Erklärungen:
1) Der Begriff könnte aus dem Jiddischen in Verbindung mit der Gaunersprache Rotwelsch entstanden sein: „belo“ heißt „ohne“. Demnach wäre ein aus „belo“ und  „lo“, „lau“ (wie in der Redensart für lau – „für nichts, kostenlos“) in der verstärkenden Form „welo“, „welau“ („sehr schlecht, sehr böse, sehr schlimm, gar nichts, überhaupt nichts“) zu „blau“ geworden. Ein zwar nicht belegtes, aber postuliertes rotwelsches „blau machen“ im Sinne von „nichts tun“ wäre dann in die allgemeine Umgangssprache übernommen worden.
2) In einer von der Sprachwissenschaft nicht vertretenen Erklärungsweise wird angenommen, die Redewendung wäre aus der Praxis des Färberwesens entstanden, speziell der Indigo- oder Waidfärber, die die gefärbten Stoffe in einer letzten Phase des Färbevorgangs an der Luft trocknen lassen, wobei erst in dieser Phase durch Oxidation die blaue Färbung entsteht. Weil die Blaufärber in dieser Phase mit der Arbeit pausiert hätten, wäre aus dem technischen Vorgang des Blaumachens ein allgemein sprachlicher Ausdruck für „Nichtstun“ entstanden, und auch die Redensarten „Blauer Montag“ und „sein blaues Wunder erleben“ sollen hieraus abzuleiten sein, weil der Montag der übliche Tag für diese Phase des Blaufärbens gewesen war. Heute wird häufig in heimatkundlicher Nostalgie und Verkennung der tatsächlich möglichen Herkunft sowohl der „Blaue Montag“ als auch das „Blaumachen“ als Begriffe aus dem Blaufärberwesen einseitig gedeutet (nach Wikipedia).

Die Technik. Der Direktdruck: Die Blaudrucker drucken mit dem Model die Farbe direkt auf den zuvor gewaschenen und gemangelten Stoff. Zunächst erscheint die Farbe gelb und verwandelt sich erst nach einer chemischen Reaktion (Oxydation) in ein strahlendes Blau. Danach werden sie genäht ausgekocht und gemangelt. Heute verwendet man chemische Indanthrenfarben, die koch- und lichtecht sind.
1) Der Reservedruck: Hierbei wird statt mit Farbe mit einer Farben abweisenden Masse, im Fachjargon Papp genannt, das Leinen bedruckt. Dieses muss längere Zeit (ca. drei Monate) austrocknen. Dann hängt der Blaudrucker den Stoff in einen Sternreif. Mit Hilfe eines Flaschenzuges wird der Reif in einen Färbebrunnen, in dem die Küpe (Farbe) ist, eingetaucht, und das Muster bleibt bei der Färbung ausgespart (reserviert). Während des abschließenden Auswaschens löst sich die Druckmasse wieder ab und das Muster erscheint in der weißen Farbe des Stoffes.
2) Das Färben mit Indigo: Beim Färben mit Indigo kann man sein blaues Wunder erleben: taucht man den mit Papp bedruckten Stoff in das Farbbad und zieht ihn nach ca. 20 Minuten wieder raus, ist der Stoff zunächst gelblich-grün und wird dann langsam blau. Dieser Farbumschwung war für die damaligen Menschen wie ein Wunder („sein blaues Wunder erleben“). Die Erklärung: Indigo muss zunächst reduziert werden, bevor es sich in Wasser auflöst. Man muss dem Farbstoff Sauerstoffteilchen entziehen. Dann verbindet er sich mit Wasser und färbt den Stoff gelb ein. An der Luft holt er sich dann das Sauerstoffteilchen zurück. Die Oxydation lässt den Stoff blau werden. Auf diese Art und Weise haben die Blaudrucker Jahrhunderte lang produziert. Unter heutigen Anforderungen hat Indigo gewisse Nachteile: Es ist weder koch- noch lichtecht.


Quellen:
Gespräch Wolf Stegemann mit Wilhelm Schürholz 2010. – Bernhard Kuhlmann „Geschichte der Stadt Dorsten von der Zeitenwende bis zum Jahr 1975“, o. J.

Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Email this to someone

Dieser Beitrag wurde am veröffentlicht.
Abgelegt unter: , Handwerk