Arbeitslosigkeit – Weimarer Republik

Weltwirtschaftskrise: 1927 stieg die Zahl vom 1 Million auf 6 Millionen

Infolge von Demobilisierung und Demobilmachung stieg nach Kriegsende die Zahl der Arbeitslosen stark an, um aber sehr rasch wieder zu sinken. Nach einem Tiefpunkt 1922 schnellte die Quote im Krisenjahr 1923 vorübergehend stark nach oben. Ab 1929 verursachte die Weltwirtschaftskrise eine Massenarbeitslosigkeit. In Bayern lag die Arbeitslosenquote unter der des Reichs, betroffen waren vor allem die Städte. Die Entwicklung nach dem Ersten Weltkrieg verlief sehr unterschiedlich: Phasen mit geringer und hoher Arbeitslosigkeit lösten sich ab, um schließlich in der Weltwirtschaftskrise mit unerhörter Wucht nicht nur das wirtschaftliche und soziale, sondern auch das politische System zu zerstören.

Kurzer Anstieg nach dem Ersten Weltkrieg

Erwartungsgemäß stieg die Zahl der Arbeitslosen nach 1918 deutlich an: Die Umrüstung der Kriegs- auf Friedensproduktion und die Rückkehr von mehreren Mio. Soldaten konnte das Beschäftigungssystem nicht ohne weiteres auffangen. Gleichwohl blieb die Arbeitslosigkeit geringer als zunächst befürchtet, da man mit verschiedenen Maßnahmen erfolgreich gegensteuerte: gelenkte Rückführung der Soldaten, Wiedereinstellungspflicht der Kriegsteilnehmer, Arbeitszeitverkürzung (Achtstundentag) und Kurzarbeit, Entlassung der im Krieg eingestellten Frauen, Ausweisung und Rückführung der ausländischen Beschäftigten, Notstandsarbeiten. Gemessen an den Empfängern der Erwerbslosenfürsorge, auch Erwerbslosenunterstützung genannt (Elu), erreichte die Arbeitslosigkeit ihren ersten Höhepunkt im Februar 1919 mit knapp 1,1 Mio. Die Zahl ging aber bis zum Dezember desselben Jahres auf 470.000 zurück.

Auf und Ab bis zur Weltwirtschaftskrise

War die Arbeitslosenzahl im Reich von ca. 1,3 Mio. (1918) auf knapp 3 Mio. (Anfang 1919) gestiegen, fiel sie bis 1922 auf etwa 1 Mio. ab, um dann 1923 die 4-Millionen-Grenze zu übersteigen (Ruhrbesetzung und Inflation). Bereits 1925 lag sie wieder zeitweise bei 1 Mio., 1926 wurden über 2 Mio. gezählt. Die Entwicklung der Zahl der Elu-Empfänger verlief dabei im Reich innerhalb folgender Höchst- und Tiefstwerte: 271.660 (Juni 1920), 426.600 (März 1921), 11.671 (September 1922), 1.588.939 (Januar 1924), 195.099 (Juli 1925), 2.058.412 (Februar 1926), 329.734 (Oktober 1927). In Bayern kam es zu folgender Entwicklung: 25.906 (Juni 1920), 31.692 (März 1921), 965 (!) (September 1922), 185.954 (Januar 1924), 16.956 (Juli 1925), 183.349 (April 1926), 41.206 (Oktober 1927).

 Weltwirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit

Ab 1927 stieg die Zahl der Arbeitslosen – mit saisonalen Schwankungen – von etwa 1 Mio. auf über 6 Mio. im Jahr 1932 an. Lange Zeit wartete man – aufgrund der vorangegangenen Erholungen der Wirtschaft – auf die selbstheilenden Kräfte des Marktes und reagierte daher zu spät und mit den falschen Mitteln (Brünings Spar- und Deflationspolitik) gegen die Krise. Vor allem im Hinblick auf die Erwartungen des Auslands, z. B. Reparationszahlungen, hielt die Reichsregierung eine expansive Geld- oder Fiskalpolitik nicht für möglich. Dabei gibt die Arbeitslosenzahl alleine die Unterbeschäftigung nicht vollständig wieder: Zu berücksichtigen sind insbesondere die nicht registrierten Arbeitslosen („unsichtbare“ oder „verdeckte“ Arbeitslosigkeit mit etwa 2 Mio.) und die Kurzarbeiter. Im Jahresdurchschnitt war die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer im Reich von 18,6 Mio. (Juni 1929) auf 11,5 Mio. (Januar 1933) zurückgegangen. Der Höchststand der registrierten Arbeitslosigkeit war im Februar 1932 erreicht: 6.128.429 im Reich, 543.999 in Bayern. Regionen mit wenig Industrie waren nicht so extrem von der Krise betroffen. In Bayern lag aber der Anteil der Außenberufe und der „berufsüblich“ Arbeitslosen immer deutlich über dem Durchschnitt des Reiches. Die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer ging von 1,7 Mio. (Mai 1930) auf 1,1 Mio. (Januar 1933) zurück.

Soziale Auswirkungen

Die Not der Bevölkerung wuchs ins Unermessliche: Die Arbeitslosenunterstützung wurde in der Höhe und in der Dauer gekürzt, die Bedingungen verschärft, für bestimmte Personengruppen wie verheiratete Frauen und Jugendliche ganz gestrichen. Bei steigenden Arbeitslosenzahlen ging die Zahl der Unterstützten zurück, viele wurden an die Wohlfahrt (Sozialhilfe) verwiesen, die wiederum die eigenen Leistungen kürzte. Am 31. Dezember 1932 erhielten von den reichsweit 5.772.984 Arbeitslosen 17,7 % (791.868) die Arbeitslosenunterstützung (Alu) der Arbeitslosenversicherung, 28,6 % die Krisenfürsorge (Kru), 53,7 % waren Wohlfahrtserwerbslose, 22,4 % erhielten keine der drei Leistungen. Am 15. Januar 1932 hatten noch 1.779.113 Arbeitslose die Alu erhalten. Auch die anderen Sozialversicherungen wie Kranken- und Rentenversicherung reduzierten ihre Leistungen. Diejenigen, die noch Arbeit hatten, mussten Lohnkürzungen hinnehmen, während andererseits die Verbrauchssteuern angehoben wurden.

Siehe auch: Arbeitslosigkeit (Artikelübersicht)
Siehe auch: Arbeitslosigkeit 1930/31 in Dorsten


Quellen: Dieter G. Maier, Arbeitslosigkeit (Weimarer Republik), publiziert am 11. Mai 2006 in: Historisches Lexikon Bayerns, Reichsarbeitsmarkt-Anzeiger 1933, Reichsarbeitsblatt, Statistisches Jahrbuch, Geschäftsberichte der Reichsanstalt 1929 ff., Henning, Das industrialisierte Deutschland, 34f., 96f..

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