Alkoholismus in der Öffentlichkeit

Vom Grundgesetz her geschützt - Wie die Städte im Kreis damit umgehen

Foto: dpa

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Es ist mittlerweile ein fast alltägliches Bild in allen Städten: Betrunkene in Fußgängerzonen und auf Plätzen, an Bushaltestellen oder Bahnhöfen. So auch in Dorsten: Angetrunkene oder betrunkene Jugendliche in der (früheren) Grünanlage und Spielplatz an der Antoniusstraße/Breslauer Straße, Trinkgelage zwischen Recklinghäuser Tor und Busbahnhof und in den Grünanlagen am  Westwall, in Barkenberg und auf Bänken stadtnah am Kanal. Zerschlagene Bierflaschen auf der Straße und in den Grünanlagen, abgerissene Papierkörbe, zerstörte Wartehäuschen der Vestischen sind am Morgen sichtbar. Früher gab es die „Kanalsteher“, die sich am Kanal getroffen, sich betrunken haben und immer wieder polizeilich aufgefallen sind. Die Städte müssen gegen den zunehmenden Trend des Alkoholismus in der Öffentlichkeit angehen. Das ist schwer genug, denn es gibt dagegen kein Rezept, zumal manche Städte den öffentlichern Alkoholismus in ihrer Verantwortung sogar noch befördern – wie Dorsten bei den Stadtfesten, vor allem bei den „Bierbörsen“ und Altstadtfesten (siehe Alkoholismus). Doch wie agieren oder reagieren die Städte auf den zunehmenden Alkoholismus? Michael Wallkötter von der „Dorstener Zeitung“ hat auf seiner Kreisseite eine Gegenüberstellung veröffentlicht, wie die Städte des Kreises Recklinghausen mit dem Problem des Alkoholgenusses in der Öffentlichkeit umgehen.
Dorsten steht dem Problem gelassen gegenüber. Dazu Michael Wallkötter: „Die Stadt Dorsten ist der Auffassung, dass ein Alkoholverbot per Verordnung nur dann möglich ist, wenn eine ,Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung’ besteht. Das wird im Rathaus verneint.“
Marl hingegen sieht das Problem und hat daher eine „Straßensicherheitsverordnung“ erlassen. Trinken von Alkohol auf Spielplätzen ist grundsätzlich untersagt. Anders als in Dorsten, wo nur bei Gefahr der öffentlichen Sicherheit eingeschritten wird, schreitet der kommunale Ordnungsdienst in Marl bereits dann ein, wenn Alkoholisierte öffentlich andere Mitbürger stören. Das scheitert allerdings mitunter an der dünnen Personaldecke.
Oer-Erkenschwick hat derzeit kein Rezept gegen öffentlichen Alkoholismus. Da sich aber rund um das dortige Einkaufszentrum in der Innenstadt eine Trinkerszene entwickelt hat, stellt man im Rathaus Überlegungen an, 2017 einen  kommunalen Ordnungsdienst einzurichten, der die Trinkerszene im Auge behält.
Waltrop sieht ein generelles Verbot von Alkoholtrinken in der Öffentlichkeit rechtlich als kritisch an. Obwohl sich rund um die Stadthalle und am Stutenteich sich Biertrinker einfinden, rechtfertige das Ausmaß dieses Alkoholkonsums, so heißt es im Rathaus, noch kein generelles Verbot.
Datteln hat den Verzehr von Alkohol in der Öffentlichkeit zwischen 19 Uhr und 6 Uhr morgens durch eine ordnungsbehördliche Verordnung untersagt. Komplett verboten ist das Trinken im Umfeld von Schulen und Kindertageseinrichtungen.
In Haltern ist öffentlicher Alkoholgenuss lediglich auf öffentlichen Veranstaltungen im Bereich der Innenstadt verboten. Bei Heimatfesten, Nikolausmärkten oder Public-Viewing ist es nicht erlaubt, Alkohol mitzubringen.
Auch in Gladbeck ist Alkohol auf Spielplätzen und Schulhöfen tabu. Darüber hinaus gibt es keine Einschränkungen. Auf dem Marktplatz trifft sich regelmäßig die Gladbecker Trinkerszene, die vom städtischen Ordnungsdienst beobachtet wird.
Herten untersagt den Alkoholkonsum am Rathaus und der Innenstadt vollständig. In anderen Bereichen schreitet der kommunale Ordnungsdienst ein, wenn Alkoholisierte Passanten anpöbeln und belästigen, wenn sie Lärm machen oder urinieren.
In Castrop-Rauxel verbietet die Straßenordnung den öffentlichen Konsum von Alkohol in der Nähe von Schulen, Kindergärten und Jugendeinrichtungen. Ein generelles Alkoholverbot sei aus Personalmangel nicht zu kontrollieren.
In Recklinghausen kann man sich ein Alkoholverbot in der Öffentlichkeit zwar vorstellen, allerdings müsse die Rechtslage geprüft werden. In der Stadt hat sich eine massive Trinkerszene mit Schwerpunkten Busbahnhof und Neumarkt Süd gebildet.

Die Rechtslage: „Städte und Bürger werden sich mit der öffentlich in Erscheinung tretenden Trinkerszene abfinden müssen. Von der schwierigen Rechtslage mal abgesehen, haben die hochverschuldeten Kommunen überhaupt nicht das Personal zur Verfügung, um etwaige Verbote durchzusetzen…“ meint Michael Wallkötter. In der Tat, die Rechtslage ist schwierig. Im Grundgesetz ist der Alkoholgenuss als allgemeine Handlungsfreiheit geschützt. Eine behördliche Verbotsmaßnahme stellt deshalb einen Eingriff in dieses Grundrecht ein, der, wenn er zur Gefahrenabwehr vollzogen wird, verhältnismäßig und nachgewiesen sein muss. Dazu gibt es auch Gerichtsurteile. Am 28. Juli 2009 hob der Verwaltungsgerichthof Baden-Württembergs in Mannheim das Freiburger Alkoholverbot auf. Aufgehoben wurden auch Verbote in Magdeburg (17. März 2010) und in Erfurt (21. Juni 2012).

Empfehlung von Experten: Betrunkene sollen ihr Auto verlieren

Wer betrunken mit dem Auto fährt und einen schweren Unfall verursacht, soll sein Fahrzeug künftig verlieren können. Das hat der Verkehrsgerichtstag empfohlen, wie auf der Abschlusspressekonferenz Ende Januar 2024 in Goslar mitgeteilt wurde. Nach einer strafbaren Rauschfahrt unter Drogen- oder Alkoholeinfluss soll das Fahrzeug sowohl bei Vorsatz als auch bei Fahrlässigkeit eingezogen werden können. Der Fahrer oder die Fahrerin müsse das Fahrzeug dann für immer an den Staat abgeben, lautete die Empfehlung des Verkehrsgerichtstags. Bei Alkohol am Steuer kann eine Straftat bereits ab 0,3 Promille vorliegen, etwa wenn es zu einem Unfall kommt oder der Fahrer Ausfallerscheinungen hat. Die Regelung solle für alle Fahrzeuge also auch Fahrräder oder Roller gelten – und auch für Fahrzeuge, die nicht dem Täter gehören. Voraussetzung solle sein, dass der Fahrer in den vergangenen fünf Jahren bereits wegen einer ähnlichen Tat verurteilt wurde. In der Debatte um eine Reform bei der Unfallflucht sprach sich der Verkehrsgerichtstag gegen eine Herabstufung von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit aus. Die Meldung eines Unfalls solle aber besser geregelt werden, indem etwa eine neutrale Meldestelle eingerichtet werde (dpa).


Quelle: Nach Michael Wallkötter „Fußgängerzone ohne Bier“ in DZ vom 30. Juni

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