Aktionstag „Orange the World“

Auch Dorsten setzt jährlich ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen

Bürgermeister  Stockhoff, Kim Wiesweg, Lina Kania, Nadine Kötters und Vera Konieczka (v.l.) hissten  vor dem Rathaus eine Fahne zum Thema Gewalt gegen Frauen; Fotos (2): Stadt Dorsten

Noch heute ist Gewalt gegen Frauen und Mädchen weltweit eine der meist verbreiteten Menschenrechtsverletzungen. Jede dritte Frau in Deutschland ist mindestens einmal im Leben von körperlicher und/oder sexueller Gewalt betroffen, die Dunkelziffer ist hoch. Zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen verabschiedete die UN-Generalversammlung im Jahr 1999 eine Resolution, nach der der 25. November zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen bestimmt wurde. – Auch im Kreis Recklinghausen und in Dorsten werden seither an diesem Tag Zeichen gegen Gewalt an Frauen gesetzt. „Wir sagen Nein zur Gewalt an Frauen und Mädchen. Wir, das sind die Gleichstellungsbeauftragten des Kreises Recklinghausen, die Bürgermeister/innen und die Mitglieder des kreisweiten Runden Tisches gegen Gewalt“, sagte 2021 die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Dorsten, Kim Wiesweg.

In Dorsten: Fahne gehisst und Gebäude orange angestrahlt

Die Städte des Kreises Recklinghausen beteiligten sich am 25. November 2021 an der UN Woman Aktion „Orange the World“. Dabei wurden Gebäude und Wahrzeichen weltweit orange beleuchtet – in Dorsten das Rathaus am Gemeindedreieck und das Alte Rathaus am Markt (Foto) in der Innenstadt. „Orange als Farbe der Hoffnung auf eine bessere Zukunft – frei von Gewalt“, erklärte Dorstens Gleichstellungsbeauftragte Kim Wiesweg. Am Rathaus wurde am späten Nachmittag die Flagge von Terre de Femme „Frei leben ohne Gewalt“ gehisst und das Gebäude beleuchtet. Bürgermeister Tobias Stockhoff ließ es sich nicht nehmen, sich zu dem Thema einzubringen: „Seit Beginn der Pandemie hat Gewalt an Frauen und Mädchen noch einmal zugenommen. Hilfestellen und Beratungsstellen verzeichnen einen deutlichen Anstieg an Anfragen. Es ist enorm wichtig, auch auf lokaler Ebene auf das Thema aufmerksam zu machen und den Schutz zu erhöhen.“ In den Städten des Kreises wurden am Erinnerungs- und Aktionstag – bzw. um diesen Tag herum – gegen Gewalt an Frauen und Mädchen ebenfalls Fahnen gehisst und Gebäude orange illuminiert. Zusätzlich gab es in den Städten noch Lesungen, Informationsstände, ganztägige Malaktionen und Filmvorführungen. In Gladbeck wurde die Fahne „Frei leben ohne Gewalt“  auf dem Rathausplatz in acht verschiedenen Landessprachen gehisst.

Zur Sache:
139 Frauen wurden 2020 vom aktuellen oder ehemaligen Partner getötet

Seit 2015 erhebt die Polizei Daten zu Gewalt in der Partnerschaft. Die Zahl der Opfer hat seither um elf Prozent zugenommen. Allerdings werden die meisten Straftaten in diesem Bereich wohl gar nicht angezeigt. Die Zahl der angezeigten Gewalttaten unter Paaren und Ex-Partnern ist 2020 noch stärker gestiegen als in den Jahren zuvor. Laut einer aktuellen Statistik zur Partnerschaftsgewalt registrierten die Behörden 2021 bundesweit 146.655 Fälle, in denen ein aktueller oder ehemaliger Partner Gewalt ausübte oder dies versuchte – ein Anstieg um 4,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 139 Frauen und 30 Männer wurden von ihrem aktuellen oder ehemaligen Partner getötet. Wenn sich jemand bei der Polizei meldet, ging es meistens – in 61,6 Prozent der Fälle – um vorsätzliche einfache Körperverletzung. Bedrohung, Stalking oder Nötigung wurden deutlich seltener angezeigt. Weitere Delikte, die diese Statistik erfasst, sind unter anderem gefährliche Körperverletzung, Vergewaltigung, Freiheitsberaubung, Zwangsprostitution, Mord und Totschlag. 2020 wurde 139 Frauen von ihrem aktuellen oder ehemaligen Partner getötet

Bundeskriminalamt: Anlässe der Gewalt sind vielfältig

Daten des Bundeskriminalamts (BKA) zeigen, dass Gewalt nach wie vor zum überwiegenden Teil von Männern ausgeht. Der Anteil weiblicher Tatverdächtiger ist in den vergangenen Jahren jedoch leicht gestiegen – auf nun 20,9 Prozent. Von den erfassten Tätern sind rund 34 Prozent Ausländer. Hier fällt auf, dass der Anteil der Männer bei den syrischen Tatverdächtigen mit 91,5 Prozent und bei den türkischen Verdächtigen mit 88,3 Prozent überdurchschnittlich ist, während der Anteil männlicher polnischer Tatverdächtiger mit 74,2 Prozent unter dem Durchschnitt aller männlichen Tatverdächtigen liegt. Trennung, beruflicher Stress, Streit um Erziehungsfragen – die Anlässe für Aggression sind vielfältig. Zu den Faktoren, die Gewalt in Paarbeziehungen generell begünstigen, zählen laut BKA-Präsident Holger Münch „ausgeprägte patriarchalische Rollenbilder“ sowie Gewalt-Erfahrungen in der Kindheit.
Rund vier von fünf Opfern (80,5 Prozent) waren im vergangenen Jahr weiblich. Am häufigsten betroffen waren Menschen im vierten Lebensjahrzehnt. Jedes dritte Opfer war zwischen 30 und 39 Jahre alt. Knapp 38 Prozent der Opfer erlebten Gewalt durch einen Ex-Partner oder einer Ex-Partnerin. Fast jedes dritte Opfer (32,3 Prozent) war mit dem Tatverdächtigen verheiratet, während 29,4 Prozent in einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft lebten. Darauf, dass Verheiratete tendenziell länger in einer toxischen Beziehung ausharren als Unverheiratete, deutet hin, dass fast die Hälfte aller Menschen, die im vergangenen Jahr Opfer von Mord und Totschlag in der Partnerschaft wurden (47,2 Prozent), mit dem Täter verheiratet war.
Dass Gewalt in Paarbeziehungen oder zwischen Ex-Partnern durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie stark zugenommen hätten, lässt sich aus der Polizeistatistik nicht ohne Weiteres ablesen. Denn die Daten beziehen sich auf Fälle, bei denen die Ermittlungen 2020 abgeschlossen wurden. Blickt man gezielt auf die während des (Teil-)Lockdowns begangenen Gewalttaten, ist der Anstieg im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum dagegen relativ gering. Allerdings geht die Polizei davon aus, dass solche Taten während der Zeit der Kontaktbeschränkungen seltener von Dritten entdeckt wurden. Zudem ist es für Betroffene schwieriger, sich bei der Polizei zu melden, wenn der gewalttätige Partner ständig in der Nähe ist. Beim Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ stieg die Zahl der Beratungsgespräche um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Die Polizei geht bei Gewalt in der Partnerschaft davon aus, dass die überwiegende Mehrheit der Straftaten nicht angezeigt wird. Um das Dunkelfeld auszuleuchten, ist eine Studie geplant. – Betroffene finden Hilfe unter der Nummer 08000/116016 beim Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“.


Quellen: Sylvia Paschert in DZ vom 24. Nov. 2021. – Anne-Beatrice Clasmann in RN vom 24. Nov. 2021. – DZ vom 27. Nov. 2021. – Pressestelle Stadt Dorsten, Nov. 2021.

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