Auswanderungswellen im 19. Jh.

Nach Holland, dann ins bergische Land und schließlich ins ferne Amerika

Auswandererschiff "Samuel Hop", 19. Jahrhundert

Auswandererschiff “Samuel Hop”, 19. Jahrhundert

Bevor die Auswanderungen nach Holland (siehe Hollandgeher) und später in die Vereinigten Staaten und nach Südamerika begannen, waren Auswanderungen innerhalb Deutschlands in jeder Zeit üblich. Nach Holland wanderten viele vestische Bauern und Händler bereits im 17. Jahrhundert aus, als Holland durch seinen überseeischen Reichtum zu großem Wohlstand gelangte. Etliche Bauernsöhne verdingten sich als Soldaten nach Holland oder schlossen sich den im Vest operierenden holländischen Truppen direkt an. Leider gibt es keine holländischen Erhebungen über die Einwanderung aus dem Vest. Doch müssen die Zahlen erheblich gewesen sein. Als Dorsten und das Vest Anfang des 19. Jahrhundert arenbergisch wurde, wird in einer Denkschrift die Abwanderung nach Holland als „Gebrechen des Landes“ genannt, da es keine Familie gäbe, aus der sich nicht jemand in Holland niedergelassen hätte. Neben Holland hat auch das bergische Land viele Zuwanderer aus dem Vest gehabt, die sich an der Wupper, dem ältesten Industriegebiet Deutschland niedergelassen haben. Elberfeld wurde bereits 1771 „kleines Amsterdam“ genannt.

Auswanderungsfieber kursierte im gesamten Land

Auswanderer, Gemälde

Auswanderer, Gemälde

Nach Beendigung der napoleonischen Kriege, vor allem Mitte des 19. Jahrhunderts, traten die beiden Auswanderungsgebiete – Holland und das bergische Land – hinter der Auswanderungsbewegung in die Neue Welt, nach Amerika zurück. Ein regelrechtes Auswanderungsfieber ergriff viele Bürger im Vest und in Dorsten. Schon 1816 trieb das Hungerjahr etliche nach Amerika. 1816 regnete es fast ununterbrochen. Das Getreide verdarb und die Gartenfrüchte verfaulten. Die Preise stiegen auf das Fünfzehnfache. Das Brot war unerschwinglich geworden. Die in Amerika ansässige „Deutsche Gesellschaft von Maryland“, die Auswanderern Ratschläge erteilte, hieß Ackerbauern und Handwerker willkommen und gab in Notfällen den Eingewanderten finanzielle Unterstützung.
Erst in den 1840er-Jahren wurde die Auswanderung aus dem Vest nennenswert. Militärpflichtige im Alter von 17 bis 25 Jahren bekamen keine Auswanderungserlaubnis. Zwischen 1842 und 1850 wanderten aus dem Vest 649 Personen nach Amerika aus, davon allein aus der Herrlichkeit Lembeck  235, das sind 39 Prozent, aus Dorsten 32 Personen. Unter den Ausgewanderten dieser Jahre waren am stärksten Zimmerer und Schreiner vertreten, gefolgt von Schneidern, Schustern und Webern. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts nahm die Auswanderungswelle wieder ab. 1865 sind aus den nicht vollständigen Unterlagen beispielsweise fünf Auswanderer aus Dorsten bekannt.

Vest wurde selbst zum Zuwanderungsgebiet für Fremde

Auf Grund der Industrialisierung des Vest ist es selbst Zuwanderungsgebiet für Österreicher, Polen, Franzosen und aus deutschen Bundesstaaten wie Bayern und Baden-Württemberg geworden. Dennoch hielt die Auswanderung an, wobei sich die Zahl der männlichen Auswanderer nur unwesentlich höher lag als die der weiblichen.

Auswanderungswelle Anfang 20. Jahrhundert

Auswanderungswelle Ende 19. Jahrhundert

Preußen sah den Aderlass an Handwerkern und Bauern mit zunehmenden Unbehagen. Der Domänenfiskus bot den westfälischen Bauern Güter in der Größe von 50 bis 400 Morgen zu einem Preis von 15 bis 20 Taler je Morgen, einen Reisekostenzuschuss in Höhe von 60 Talern und für das erste Jahre kostenloses Pflanz- und Saatgut sowie Futter für das Vieh. Neben den staatlich erlaubten Auswanderungen gab es noch die heimlichen. Darüber gibt es keine Zahlen, der Verlust an Menschen muss aber auffallend gewesen sein, denn ab Mitte des 19. Jahrhunderts versuchten die Behörden die Zahlen derjenigen zu erfassen, die ohne Erlaubnis das Land verlassen hatten. Zwischen 1856 und 1879 gab es im Bezirk Münster über 900 illegale Auswanderungen, davon entfielen auf das Vest bzw. den Landkreis Recklinghausen nur 14 bekannte Fälle.
Auswanderungen waren auch ein Betätigungsfeld für Agenten, die den Willen zum Auswandern bei den Bauern und Handwerkern immer wieder neu entfachten. In Recklinghausen betrieb der vielseitige Kaufmann B. von Cloedt am Markt seit 1849 das Auswanderungsgeschäft für einen Antwerpener Schiffsreeder sowie ein Louis Landschütz. In Bottrop-Oberhausen wirkte die Agentur Friedrich Tourneau für den „Berliner Central-Verein für Auswanderung“. Ziele etlicher Dorstener Auswanderer war die Ostküste der Vereinigten Staaten, New York, Chicago, aber auch Texas. Im heutigen Wisconsin, dem Land des amerikanischen Ackerbaus amerikanischen Ausmaßes, ist ein Drittel der weißen Bevölkerung deutschstämmiger Abkunft. 1846 betrug der  Prozentanteil der Deutschen in Pennsylvania 46 Prozent, in Ohio 47 Prozent, in Missouri 44 Prozent, in Iowa 44 Prozent, in Illinois 42 Prozent, in Michigan 42 Prozent, in Wisconsins 40 Prozent, in Indiana 40 Prozent (siehe Auswanderungen).

Auswanderer der Jahre 1842 bis 1849 aus Dorsten und den Dörfern

Auswandererschiff in Hamburg

Auswandererschiff in Hamburg

Der Älteste war mit 65 Jahren der Lembecker Weber Ortwin Schmitzlinneweber gt. Maas. Abgesehen von den mitgeführten Kindern war mit 23 Jahren der Weber Albert Schäper aus Lembeck der jüngste Auswanderer. Die wenigen alleinstehenden Frauen, die auswanderten, waren Dienstmägde zwischen 20 und 30 Jahren. In dieser Auswanderungswelle aus dem Vest war der älteste Auswanderer mit 80 Jahren ein Kötter aus Suderwich. Die Liste ist nicht vollständig. Es gab noch Auswanderer, die entweder heimlich auswanderten oder von einem anderen Ort aus die Reise antraten.

Dorsten: Laurenz Risse (1844, 4 Personen), Theodor van Halle (1844, 3 Personen), Wilhelm Schwane (1844, 3 Personen), Caroline Schneider (1844, 1 Person), Heinrich Wehmhoff (1845, 7 Personen), Joseph Schwaff (1845, 4 Personen), Johann Püttmann, 3 Personen), Johann Fölting (1847, 4 Personen), Johann Heinrich Joseph Overbeck (1847, 1 Person), Bernhard Wilhelm Huthmacher (1847, 1 Person), Johann Melchior Ossenkamp (1849, 1 Person).

Ankündigung der Dampfschifffahrtslinie

Ankündigung der Dampfschifffahrtslinie

Lembeck: Schreiner Heinrich Kerkmann (1842, 1 Person), Tagelöhner Bernhard Münken gt. Pasing (1842, 2 Personen), Färbergeselle Bernard Kleine-Onnebrinck (1843, 1 Person), Tagelöhner Albert Böhmer (1844, 7 Personen), Zimmermann Adolf Kleine-Horstick (1844, 4 Personen), Zimmermann Johann Wolter (1844, 3 Personen), Tagelöhner Gerhard Brinkmann (1844, 4 Personen), Zimmermann Wilhelm Hellenkamp (1844, 5 Personen), Korbmacher Bernhard Lansmann (1844, 10 Personen), Schuster Johann Tiehoff (1844, 6 Personen), Schenkwirt Bernhard Bußmann (1844, 7 Personen), Weber Ortwin Schmitzlinneweber gt. Maas (1844, 3 Personen), Kolon Johann Bernhard Risthaus (1844, 4 Personen), Zimmermann Johann Bernard Balster (1844, 5 Personen), Dienstmagd Anna Maria Kleine Sender (1844, 1 Person), Dienstmagd Kleine-Arndt (1844, 1 Person), Witwe Maria Cath. Thesing (1845, 7 Personen), Schneider Albert Krampe (1846, 1 Person), Zimmermann Albert Brüggemann (1846, 1 Person), Ackerknecht Johann Bernh. Schnetjan (1847, 2 Personen), Kötter Johann Bernhard Bernemann (1847, 8 Personen), Zeller Johann Heinrich Kremer gt. Pieper (1847, 10 Personen), Magd Elisabeth Alef (1847 1 Person), Magd Catharine Elisabeth Alef (1847, 1 Person), Weber Albert Schäper (1847, 1 Person), Weber Bernhard Schäper (1847, 1 Person), Kötter Johann Bernhard Kleine-Bernemann (1847, 3 Personen), Zeller Heinrich Holtkamp (1847, 4 Personen), Heinrich Berns (1847, 4 Personen), Ackersmann Johann Heinrich Linnemann (1847, 2 Personen), Schmied Heinrich Schulte (1849, 1 Person).

Rhade: Bernhard Noendorf (1844, 3 Personen), Heinrich Noendorf (1844,7 Personen), Bernhard Overwien (1844, 4 Personen), Margarete Horstick (1844, 1 Person), Bernhard Bruns gt. Kortendick (1847, 4 Personen), Bernhard Bramert (18147, 1 Person), Franz Bramert (1847, 2 Personen), Wilhelm Thie (1847, 1 Person), Johann Theodor Elskamp (1849, 6 Personen).

Deutsche Auswanderer in den USA um 1890

Deutsche Auswanderer in den USA um 1890

Wulfen: Hermann Helming (1847, 1 Person), Wilhelm Wencke (1847, 1 Person), Theodor Wencke (1847, 8 Personen).

Holsterhausen: Bernhard Soppe (1844, 6 Personen), Heinrich Fuestmann gt. Kresken (1847, 10 Personen), Heinrich Schulte (1849, 1 Person).

Altschermbeck: Johann Theodor Hünerschulte (1844, 4 Personen), Adolf Holtkamp (1844, 2 Personen), Johann Lüning (1844, 1 Person), Schattmann gt. Underberg (1844, 1 Person), Joseph Hoffmann (1844, 1 Person), Bernhard Huckels (1844, 7 Personen), Johann Leineweber gt. Kuhlmann (1844, 7 Personen), Franz Schulte-Huckels (1844, 1 Person), Johann Heinrich Rüter (1848, 1 Person), Heinrich Joseph Hemsteger (1848, 1 Person), Johann Schlickmann (1848, 4 Personen).

Erle: Johann Heinrich Nienpöter (1847, 1 Person), Johann Heinrich Pötter (1847, 3 Personen), Albert David (1847, 3 Personen), Joseph David (1847 5 Personen).

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