Zoll und Zöllner

2000 Jahre Zollgeschichte im Zollmuseum Hamburg umfangreich belegt

Schon in der Bibel wird schlecht über Zöllner geredet. Der US-Präsident Trump Interpretierte deren Rolle neu. Im Zollmuseum in Hamburg zeigt sich, wie gut Trumps Image zum schlechten Ansehen des Berufsbilds passt. Ein Besuch im Museum der Stunde. – Ausgerechnet am 3. April 2025 (Donnerstag), als die ganze Welt über reziproke Zölle debattierte, über Gegenzölle und den „Zoll-Hammer“, hatte das Deutsche Zollmuseum in Hamburg geschlossen. Interne Veranstaltung. Ganz schlechtes Timing. Dabei wäre doch gerade jetzt ein kleiner Besucheransturm möglich. Von Touristen etwa, denen in der Speicherstadt dieses weiße Gittertor auffällt, dahinter ein grauer Zoll-Bulli aus den 60er-Jahren und ein verrostetes Schild mit der Aufschrift „Zollgrenze“. Dahinter stecken rund 2000 Jahre Zollgeschichte, ausgestopfte Wölfe, kaiserliche Uniformen und eine kleine Sektion zum Welthandel, der gerade bis ins Mark erschüttert wird. Einige Erklärungstafeln sind sogar ins Englische übersetzt. Auch am Mittwoch, einen Tag vor dem Zollinferno, ist im Museum von dem globalen Zittern nichts zu spüren. Die Einlasskräfte klönen, drei Besucher verlieren sich auf 800 Quadratmetern auf zwei Etagen. Hat sie der Nachrichtenorkan hergelockt, der in der Luft liegende Welthandelskrieg, Mr-Tarif-President?

In der Bibel gelten Zöllner als geldgierig – Jesus nahm sie in Schutz

Zöllner an der Grenze, welche die Papiere der Durchreisenden kontrollieren, haben auch die rechtliche Befugnis, zu verhaften und zu schießen. Damit entsteht zumindest ein Hauch jenes Bedrohungsgefühls, das seit Wochen über den Atlantik zieht. Trump, der die Rolle des Weltscheriffs maximal breitbeinig neu interpretiert, macht sich gerade so beliebt wie der Grenzschützer, der nach dem 20-Stunden-Bali-Rückflug noch einen kleinen Blick in Ihre Tasche werfen will. Dabei passt die Figur Trump perfekt zum miesen Ruf, der Zöllnern seit Jahrhunderten anhaftet. In der Bibel gelten sie als sündhaft und geldgierig. „Wahrlich ich sage euch: Die Zöllner und Huren kommen eher ins Reich Gottes als ihr“, verteidigte Jesus (Matthäus 21,31) den Zöllner Levi, den er an einem Stadttor erblickte und zum Gefolgsmann machte. Später wurde aus ihm der Apostel Matthäus, der heute als Schutzapostel des Finanzpersonals gilt. Und dieses fängt angesichts der Strafzölle und Kursrutsche in diesen Stunden womöglich wirklich an zu beten. Weltweit warnen Ökonomen vor einer Wirtschaftskrise. Dabei zeigt die Geschichte, dass es noch viel unflätiger ging. Etwa im Mittelalter, als Kaufleute für zwei Eselladungen Olivenöl nicht nur einen Torzoll, sondern auch Brücken-, Passier- und Marktzoll zahlen mussten. Oder im alten Rom, wo Kaiser Vespasianus einen Latrinenzoll einführte, um das finanziell ruinierte Reich zu sanieren. Die „Urinsteuer“ musste jeder zahlen, der eine öffentliche Toilette benutzen wollte. Dumm auch, wer als Frau im Deutschen Kaiserreich unter Verdacht geriet. Weil die Zöllner die Körper der Frauen nicht abtasten durften, mussten diese von einem Hocker springen, bis ihnen das Schmuggelgut aus den Taschen fiel.

Im Mittelalter sperrten Zöllner Flüsse mit Ketten

Der Versuch, durch Zölle die heimische Wirtschaft zum Blühen zu bringen, hat einige historische Beispiele. Im 17. Jahrhundert bekämpften die deutschen Territorialfürsten Importe mit Zollschranken, im Mittelalter sperrten Zöllner Flüsse mit Ketten ab oder feuerten auf Schiffe. Die Kleinstaaterei endete erst 1834, als sich der Deutsche Zollverein gründete und die zahlreichen Binnenzölle verschwanden. Der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck führte 1879 Schutzzölle für Getreide ein und schwenkte so vom Freihandel auf Protektionismus um. Auch das eine Lehre der Ausstellung: Es hilft nun mal, Maße, Gewichte, Währungen zu vereinheitlichen, Handelsbarrieren abzubauen. Lange befand sich die Welt auf diesem Weg, etwa mit Gründung der EU-Zollunion 1968 oder der Welthandelsorganisation 1995. Doch immer, wenn Straßen bröckeln, Staatsausgaben steigen oder neue Feindseligkeiten entstehen, geht es in die andere Richtung.

Was die Leute interessiert

Donald Trump, der fiese Zöllner. Eine Paraderolle, wie die Ausstellung an vielen Ecken zeigt: „Durch die imponierende Uniform, durch seine Haltung, seinen Gang, seinen freien und durchdringenden Blick, sowie durch sein determiniertes Auftreten, kann der Zöllner den Leuten schon Furcht vor ungesetzlichen Handlungen einflößen und in entscheidenden Augenblicken einem Widerstand vorbeugen.“ Zuerst zu lesen im „Leitfaden für den Grenzaufsichtsdienst in Schleswig-Holstein von 1857“; könnte in ähnlicher Form aber auch im Zollpaket des US-Präsidenten stehen. Ob der aber von dem Thema überhaupt Ahnung habe, bezweifelt Besucher Nummer drei, grau melierte Haare, orangefarbene Jacke, als er vor einer großen Schautafel steht. Es erklärt das weltweit gültige Zolltarifschema, das sogenannte Harmonisierte System. Darin bekommt jede Ware, von der Banane bis zur Nagelschere, eine sechsstellige Nummer. So können Beamte auf der ganzen Welt erkennen, um welches Gut es sich handelt und welcher Einfuhrzoll anfällt.
Die aktuelle Debatte? „Ein Zirkus“, sagt er und winkt ab. Doch weder Trumps Zollfetisch noch die wirtschaftliche Weltlage führen die Besucher ins Museum. „Das interessiert die Leute gar nicht, die interessiert so was hier“, sagt der Empfangsmitarbeiter mit dem Schnauzer und zeigt auf einen Golfschläger, in dem Dealer Drogen versteckten. Genauso wie in Erbsendosen, E-Gitarren, Haselnüssen. In der Abteilung Artenschutz zu sehen: Netzpython-Cowboystiefel, Krokodil-Uhrarmbänder. Ein abgetrennter Finger aus Kunststoff macht auf die Probleme der Schwarzarbeit aufmerksam. Es sind diese Fundstücke der Zollbeamten, die Schmugglergeschichten, die die Leute faszinieren, und nicht der Welthandelsthriller auf ihrem Handy.

Leider noch nicht museumsreif

Was lernt man hier also zwischen Pickelhaube, DDR-Mauerstein und Schlagbaum? Zum einen, dass Trump eine der ältesten Staatsabgaben überhaupt auf großer Bühne wieder populär gemacht hat. Und wie gewaltig der Welthandel den Staatshaushalt prägt, wenn allein deutsche Zollbeamte rund 158 Milliarden Euro im Jahr eintreiben, etwa die Hälfte der dem Bund zufließenden Steuern. Leichtfertig angezettelte Handelskriege, Zölle als Macht- und Druckinstrument – diese Sektion fehlt dagegen noch. Eine Replika der von Trump in die Kameras gehaltenen Zolltafel würde sich als erstes Ausstellungsstück anbieten. Allerdings ist das Ende seiner Zoll-Saga noch offen. Stößt er sein Land in die Rezession, wie reagieren die anderen Staaten? All das wird sich erst noch zeigen. Klar ist, dass gerade Zollgeschichte geschrieben wird.


Quelle: RN (DZ-Magazin) vom 13. April 2025

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