Streitfeier

„Scheuchte das Dorstener Schwert die Merfelder Feinde“

In der so genannten kaiserlosen, schrecklichen Zeit des 14. Jahrhunderts kämpften die Mächtigen um Grenzen und Territorialgewinne. Gegen gewalttätige Willkür schützten sich die Städte, indem sie gemeinschaftlich eine Anzahl von Kriegsknechten unterhielten. Dorsten hatte sich gegen die Forderungen des Grafen von Kleve zu wehren, der 1301 die Stadt einnahm und die Mauern schleifte.

Haus Merfeld bei Dülmen, Stammsitz des Merfelder Ritters

Haus Merfeld bei Dülmen, Stammsitz des Merfelder Ritters

Auch Hermann von Merfeld (bei Dülmen) unternahm Raubzüge auf Dorstener Gebiet. Als diese überhand nahmen, rückten am 23. Dezember 1382 Dorstener Stadtknechte unter Führung ihres Bürgermeisters Bertramus Preckell (Poekell) dem Merfelder entgegen, um ihn mit Waffengewalt zum Rückzug zu zwingen. Der Kampf fand vermutlich am Lembecker Weg statt, etwa eine halbe Stunde von Dorsten entfernt. Die Dorstener gewannen, Töteten sechs Merfelder und trieben die anderen in die Flucht, hatten aber selbst acht Tote zu beklagen: Albert Wullenwewer, Johan Ludewyges, Tylo Wullenwewer, Ratsherr Johann Dunnyken, Johan Herbetes, Johan Monman, Johan Hagenbecke und Herman Kyff. Dem Bürgermeister wurde ein Auge ausgestochen. In einer Niederschrift von 1416 („Van den Stryt vyrdagen“) wurde teils in Latein teils in Mittelniederdeutsch aufgezeichnet, dass und wie dieser Sieg mit einer Streitfeier jährlich zu gedenken sei:

„Im Jahre 1382, zwei Tage nach Thomas (23. Dezember), denk daran, scheuchte das Dorstener Schwert die Merfelder Feinde […] Bürgermeister, Schöffen und Rentmeister der Stadt Dorsten haben beschlossen: Alljährlich soll man am Montag vor dem Dienstag vor dem heiligen Mittwinterabend, das ist am Streitfeierabend, zur Vesperzeit feierlich läuten, die Vesper und Vigilien singen und der acht Männer, die in dem Streit gefallen sind, und auch aller derjenigen, die für die Stadt starben oder noch sterben sollten, gedenken. Der Stadtbote soll die Bürgermeister, Schöffen und Rentmeister auffordern, an der Vesper und den Vigilien teilzunehmen und mit zu den Gräbern zu gehen, zuerst zu den Gräbern vor dem St. Nikolausfeld (Bovenhorst), dann zu den Gräbern auf dem Kirchhof. Wer nicht daran teilnimmt, soll zur Strafe 2 Quarten Wein geben.
Der folgende Tag, der Dienstag, ist der heilige Streitfeiertag. Ein jeder in Dorsten soll den Tag begehen wie einen Sonntag. Die Nichtbeachtung dieser Anordnung wird mit 3 Schillingen (heute etwa 25 Euro) bestraft. Man soll an dem Tag feierlich läuten und die Frühmesse singen, nach Anweisung der Historie, die darauf gemacht ist. Wenn die Mette aus ist, soll man in einer üblichen herrlichen Prozession das heilige Sakrament mit dem heiligen Kreuz, dem Bilde Unserer lieben Frauen und den St. Nikolaus- und St. Georgsbildern innerhalb der Mauern umhertragen. Hierbei sollen die Gilden ihre Kerzen vorantragen lassen.“

Dann folgen Aufzeichnungen, wie die Dorstener Schöffen, Rentmeister, Sekretäre und Verwalter mit wie viel Geld verköstigt werden sollen. Arme Leute bekamen das Pfennigbrot. 1588 wurde die Feier auf den 28. Februar verlegt, um sie mit einem weiteren Sieg der Stadt Dorsten über den gewalttätigen Protestantisierungsversuch des Grafen Johann Philipp von Oberstein, einem Parteigänger Gebhard Truchseß von Waldburgs, zu begehen. 1771 verbot der Landesherr beide Siegesfeiern.

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