Der Maßregelvollzug in NRW ist überfüllt – Folgen für bestimmte Menschen
In NRW fehlen Hunderte Plätze zur Behandlung psychisch kranker Straftäter in forensischen Kliniken. Die Landesregierung plant einen massiven Ausbau. „In Nordrhein-Westfalen entstehen in den nächsten Jahren 681 zusätzliche Plätze für die angeordneten Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt“, schreibt sie in einer Antwort auf Anfrage der FDP-Landtagsfraktion. Damit könne der Bedarf „aus derzeitiger Sicht gedeckt werden“. Man werde diese Kapazitäten „voraussichtlich größtenteils bis 2027“ schaffen, erklärte eine Sprecherin des Landesgesundheitsministeriums auf Anfrage. Geplant sind demnach zwei neue Kliniken in Wuppertal und Lünen mit jeweils 150 Plätzen und Erweiterungen an elf bestehenden Standorten. Bis es so weit ist, sind die Kliniken in NRW allerdings dauerhaft überlastet. Mehr Patienten als eigentlich vorgesehen werden untergebracht, „beispielsweise durch das Aufstellen zusätzlicher Betten und die Umfunktionierung von Räumen“, so die Sprecherin. Personen mit hohem Sicherungsbedarf würden prioritär aufgenommen, andere, sofern sinnvoll und vertretbar, auch in der Allgemeinpsychiatrie, und wieder andere warteten auf freiem Fuß auf ihre Therapie.
Enorme Schwierigkeiten mit psychisch kranken Gefangenen
Oder sie blieben eben in den Gefängnissen, beklagt der Bund der Strafvollzugsbediensteten NRW. „Entweder wir bekommen die Leute nicht in den Maßregelvollzug verlegt oder aber er ist so voll, dass Gefangene an uns zurückverwiesen werden“, beschrieb der Landesvorsitzende Horst Butschinek die Lage. Dabei gehe es oft um äußerst auffällige Persönlichkeiten mit unberechenbarem Verhalten. „Wir haben enorme Schwierigkeiten, mit diesen Gefangenen umzugehen. Das ist einfach nicht die Klientel, für die wir da sind“, so Butschinek. Die Justizvollzugsanstalten bräuchten Verstärkung, um damit zurechtzukommen. „Wir brauchen Sozialarbeiter, Psychiater, Psychologen, Ärzte und auch mehr Bedienstete des allgemeinen Vollzugsdienstes, weil diese Gefangenen eben viele Kapazitäten binden.“ Die FDP-Landtagsfraktion spricht von „unzumutbaren Zuständen in den Justizvollzugsanstalten“. Das Land NRW wiederum betont, dass die allermeisten Menschen, bei denen dies angeordnet sei, auch in Forensiken untergebracht seien. Im Juli sei das bei 3289 von insgesamt 3621 Betroffenen der Fall gewesen.
Eigentlich hatte das Land NRW schon vor zwölf Jahren, seinerzeit noch unter einer rot-grünen Landesregierung, einen massiven Ausbau an Forensik-Plätzen für notwendig befunden. Schon damals sah man fünf neue Einrichtungen mit je 150 Betten vor: in Reichshof, Haltern am See, Hörstel sowie an den heute in Planung befindlichen Standorten Lünen und Wuppertal. Einzig in Hörstel wurde das Vorhaben bisher verwirklicht, die Einweihung war im Sommer 2023.
Siehe auch: Rechtswesen I (Essay)
Siehe auch: Rechtswesen II (Essay)
Siehe auch: Rechtswesen III (Essay)
Quelle: Sina Zehrfeld in RN (DZ) vom 9. August 2024
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