Stadtentwicklung II

Erhebung zur Stadt durch den Bischof: Für alle Zeiten unzerreißbar fest

1251 erhob Erzbischof Konrad von Hochstaden Dorsten zur Stadt. Über die Gründe ist wenig überliefert. Die Historiker Albert Weskamp und Heinrich Pennings führen die Stadtwerdung auf wirtschaftliche Gründe zurück. Demgegenüber weist Ludolf Ritz darauf hin, dass die Stadt Dorsten das Resultat einer künstlichen Gründung sei. Und Franz Schuknecht kennzeichnet die wirtschaftliche Bedeutung nicht als Ursache, sondern als Folge der Stadtwerdung. Aus den Forschungen Franz Wünschs ergibt sich aber, dass Franz Schuknecht die wirtschaftliche Bedeutung des Kirchdorfs Dorsten unterschätzt, weil er sich in der Beweisführung des Stadtkerns mehrmals geirrt habe.

Stadterhebung brachte der Stadt auch das Marktrecht ein

Stadtrechre 1251, früheres Wandgemälde

Stadtrechte 1251, früheres Wandgemälde

Die Grundfläche der ummauerten Stadt umfasste 11,8 Hektar. Schuknecht gelangte aber zu dem Ergebnis, dass sie nur etwa 3,5 ha betragen habe. Nach Wünsch ist die Stadterhebung „nicht der Anfang, sondern die Krönung einer Epoche, die der Siedlung Dorsten Marktcharakter gebracht hatte“. Das Kirchdorf Dorsten zählte Mitte des 13. Jahrhunderts rund 80 Häuser mit etwa 600 Einwohnern, eine andere Quelle nennt 40 Hausstellen mit 280 Einwohnern. Dr. Schuknecht geht von nur 80 Einwohnern aus, für die allerdings eine Stadtwerdung kaum finanzierbar gewesen sein dürfte. – Die Stadtrechteverleihung kann aber auch mit den politischen Kämpfen zusammenhängen, die damals ausgetragen wurden, um den Verlauf der Territorialgrenzen zu bestimmen. Dorsten lag nämlich im Grenzgebiet mehrerer rivalisierender Mächte. Die Stadt grenzte an drei Territorien: an das kurkölnischen Vest Recklinghausen, an das Fürstbistum Münster und an das Herzogtum Kleve. Zudem lag sie an einem Übergang an der Lippe, was sie strategisch bedeutend und begehrlich machte. Für Dorsten ergab sich daraus das Bedürfnis, den Ort zu befestigen (siehe Festung). Somit war Dorsten als Gemeinwesen mit den wichtigsten Merkmalen einer mittelalterlichen Stadt ausgestattet: Mauer, Markt, Münzstätte, Ratskollegium und Siegel.

Stadt musste bei Streit zwischen Kleve und Köln neutral sein

Stadtgründungsurkunde 1251

Stadtgründungsurkunde 1251

Einen Monat vor der feierlichen Stadterhebung unter Beisein des Erzbischofs und des Grafen von Kleve, wurden die Vereinbarungen mit dem Grafen Dietrich VI. von Kleve unter Vermittlung des Xantener Propstes Friedrich von Hochstaden, einem Bruder des Erzbischofs, ausgehandelt. Der Graf von Kleve gab seine Zustimmung unter der Auflage, dass ihm die Stadt jährlich eine Mark Silber (234 g) zu zahlen und sie sich im Falle eines Krieges zwischen Köln und Kleve neutral zu verhalten hatte. Dafür gestattete er die Befestigung der Stadt. Dies sollte Bedeutung gewinnen, als 1301 Graf Dietrich IX. von Kleve die Mauern wieder einreißen ließ, damit die Stadt jederzeit dem Grafen von Kleve wie dem Erzbischof von Köln offen stehe und keiner der beiden einen Vor- oder Nachteil habe. Doch konnte Kurköln seinen Besitz Dorsten gegenüber Kleve stärker behaupten.

Text der in Xanten erhalten gebliebenen Stadturkunde

Der Text der im Stiftsarchiv Xanten aufbewahrten und mit zwei Siegeln versehenen Stadterhebungsurkunde lautet:

In nomine domini amen. Cunradus dei gratia etc …
Dignum est et recte rationi consentaneum, ut que digna sunt memoria, uiuaci scripto commendentur, ut rei noti tia, que mortalium successione tollitur, permanente scripto retineatur. Quapropter scire volumus tam presentes quam futuros, quod villam Durstene, que est allodium ecclesie Xantensis, pro honore et utilitate ecclesie Coloniensis concedimus muniri, et inhabi tantibus eius municipiorum libertatem donamus, saluo tamen per omnia in ipso oppido et oppidanis iure Xantensis ecclesie et salvis sibi suis reditibus, cuius lesionem in hac parte nullatenus intendemus; per compositionem vero cum comite Clivensi factam, prout in scripto super hoc confecto continetur, nolumus nec videmus aliquod preiudicium ecclesie Xantensi genera ri. Et ut hec inconvulsa et firma perpetuo maneant, presens scriptum sigillo nostro et ecclesie Coloniensis est mu nitum. Datum anno domini millesimo duocentesimo quinquagesimo primo kalendis Junii

„Im Namen des Herrn. Amen. Konrad, durch Gottes Gnade der Kölnischen Kirche Erzbischof, Italiens Erzkanzler, allen Getreuen Christi seliges Leben in dem, der das Leben und Heil aller ist. Da der Sterblichen Erinnerung sterblich und das, was in der Zeit geschieht, mit der Zeit zumeist in der Nacht der Vergessenheit versinkt und deshalb die Wahrheit des Rechts oft geboren und die heilsame Gerechtigkeit gehemmt wird, so ist es angebracht und der wahren Vernunft gemäß, das Denkwürdige der lebendig erhaltenen Schrift anzuvertrauen, damit die Kenntnis der Sache, die durch die Aufeinanderfolge der Menschen aufgehoben wird, in einer bleibenden Urkunde bewahrt werde. Daher ist unser Wille, dass sowohl die Gegenwärtigen als Zukünftigen wissen sollen, dass der Gutsbezirk Dorsten, freies Eigentum (Allodium) der Kirche von Xanten, zur Ehre und zum Nutzen der Kirche von Köln mit unserer Bewilligung befestigt werde, und wir schenken seinen Einwohnern großmütig die Stadtfreiheit, ohne dass bei allen in dieser Stadt und dem Bürgertum das Recht  der Xantener Kirche und ihre Einkünfte angetastet werden, deren Verletzung bei dieser Sache wir in keiner Weise beabsichtigen; nach der Übereinkunft aber, die wir mit dem Grafen von Kleve getroffen haben, wie es in dem neulich darüber ausgestellten Schriftstück steht, wollen wir nicht und ersehen wir nicht, dass irgendein Nachteil  der Kirche von Xanten erwachse. Und damit dieses für alle Zeiten unzerreißbar fest bleibe, ist die gegenwärtige Urkunde mit unserem und der Kölner Kirche versiegelt. Gegeben im Jahre des Herrn 1251, 1. Juni.“

Die Stadtrechte beinhalteten die Freiheit der Bürger mit dem Privileg, Eigentum zu erwerben, eine eigene Verwaltung und ein erweitertes Gerichtswesen, Märkte, die Bewaffnung der Bürger und die Errichtung einer Stadtmauer (siehe Stadtentwicklung I, siehe Stadtentwicklung III).


Quellen/Literatur:
Dr. Franz Schuknecht „Werden und Ursprung der Stadt“ in „700 Jahre Stadt Dorsten“, Dorsten 1951. – Prof. Dr. Julius Evelt „Beiträge zur Geschichte der Stadt Dorsten und ihrer Nachbarschaft“ in „Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskinde Westfalens“, Münster, 1863/64, 1866. – Hans Lampen „Insula Durstinon“ Lippeverlauf bei Dorsten“, Dorsten 1996. – Bruno Larisch „Am Anfang war das Hohefeld“ in HK 1985. – Prof. Dr. Julius Evelt „Beiträge zur Geschichte der Stadt Dorsten und ihrer Nachbarschaft“ in „Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde Westfalens“, Münster, 1863/64, 1866. – Dr. Ludger Tewes „Die Stadt Dorsten im Spätmittelalter“ im VK 1986. – Verein für Orts- und Heimatkunde Dorsten „Kurze Geschichte der Stadt Dorsten“, Dorsten 1890.

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