Saalbau Recklinghausen

Traditionsreiches Veranstaltungsgebäude wurde 2013 abgerissen

Abbruchreif 2006

Recklinghäuser Saalbau 2006 abbruchreif; mittlerweile abgebrochen

Auch aus Dorsten haben Generation im Recklinghäuser Saalbau an der Dorstener Straße frohe Stunden verbracht – ob bei Theaterspielen, Familienfesten oder Konzerten. Im April 2000 musste der Saalbau wegen Brandschutzmängeln geschlossen werden. Seitdem verfiel das leerstehende Gebäude zunehmend, verursacht aber jährlich etwa 20.000 Euro  Unterhaltskosten. Die Stadt Recklinghausen hat für die Sanierung, die bereits 1999 etwa elf Millionen Euro kosten sollte, kein Geld; ein Abriss des Saalbaus würde demgegenüber nur etwa 200.000 Euro kosten. Um dies zu verhindern, bot die Sparkasse Vest Recklinghausen zehn Millionen Euro für den Umbau zu einem Zentralmuseum an. Die Architekten Franz-Jörg Feja und Peter Kemper veröffentlichten ihre preisgekrönten Pläne, die Lust auf das Projekt machten. Gleichwohl wurde im Juni 2012 der Abriss beschlossen und durchgeführt.

Spardruck war zu groß

Die Führungsriege der Christdemokraten hielt einen Um- und Wiederaufbau des Kulturbaus, der gerne als „Wiege der Ruhrfestspiele“ bezeichnet wird, für politisch nicht mehr durchsetzbar. Zu heftig war der Spardruck, dem die Stadt ausgesetzt war, zu groß waren die Vorbehalte der Koalitionspartner FDP und Grüne gegen einen Saalbau, dessen Sanierung 20 oder mehr Millionen Euro verschlingen würde. Zu vage waren auch die Zusagen des Landes, dabei zu helfen.

Platz für 1.500 Gäste, 300 Sänger und 100 Musiker

Eintrittskarte 1949

Marlene-Dietrich-Auftritt 1949, Eintrittskarte

Der Saalbau geht auf die Erweiterung im Jahre 1897 der Gastwirtschaft „Kaisergarten“ zurück. Der Saal am Sandweg (heute Dorstener Straße) mit Theaterbühne und Musik-Empore war um 1900 bereits 1000 Quadratmeter groß. Im Ersten Weltkrieg wurde der Saal des Kaisergartens als Lazarett genutzt, während der Ruhrbesetzung von 1923 bis 1925 diente er als Quartier der französischen Truppen. Nach dem Ende der Besetzung erwarb die Stadt Recklinghausen die Gastwirtschaft mitsamt Saal. Sie richtete im Obergeschoss Konferenzräume ein und erweiterte den Saal. Nach dem Umbau für mehr als 600.000 Mark bot der große Saal Platz für 1.500 Gäste, 300 Sänger und 100 Musiker. Vom 23. bis zum 30. November 1925 wurde der „Städtische Saalbau“ mit einer Musikwoche eröffnet. Im Saalbau fanden neben Konzerten, Tanzveranstaltungen und Karnevalsfeiern auch Versammlungen und Feiern von Parteien, Unternehmen, Gewerkschaften und verschiedenen Vereinen sowie Ratssitzungen statt. 1946 wurde im Saalbau der erste Parteitag des CDU-Verbandes Westfalen/Lippe nach dem Zweiten Weltkrieg im Saalbau veranstaltet.

Geburtshaus der „Recklinghäuser Festspiele“

Zum Dank für die illegalen Kohlehilfen der Zeche König Ludwig an die Hamburger Theater im Winter 1946/47 gastierten 150 Schauspieler der drei Hamburger Bühnen unter dem Motto „Kunst gegen Kohle“ im Sommer 1947 im Recklinghäuser Saalbau. Aus der Aktion erwuchsen die Ruhrfestspiele, die fortan jährlich im Saalbau stattfanden. Der Spielort Saalbau wurde jedoch mit wachsender Bedeutung der Ruhrfestspiele zu eng und den technischen Ansprüchen nicht mehr gerecht, so dass bereits seit 1950 der Neubau eines Theaters gefordert wurde. Doch erst 1965 zogen die Ruhrfestspiele ins neu erbaute Ruhrfestspielhaus.

Das Innere im kulturellen Glanz

Das Innere im damaligen kulturellen Glanz

Der Saalbau wurde danach 1966/67 umgestaltet. Wegen der hohen Unterhaltungs- und Renovierungskosten erhielt der Saalbau den geringschätzigen Beinamen „Zahlbau“. Über zehn Jahre lang war der Saalbau Spielstätte der inzwischen eingestellten Kammermusikvereinigung Recklinghausen, die Klassik-Weltstars wie Claudio Arrau, Alfred Brendel, Anne-Sophie Mutter und viele andere für Konzerte verpflichten konnten.

Walcker-Orgel 1925 und Dorstener Breil-Orgel 19172

Bei der Eröffnung 1925 hatte der Städtische Saalbau eine Orgel mit 4.719 Pfeifen und 71 Registern aus der Ludwigsburger Orgelwerkstatt Walcker. Sie wurde 1972 durch eine moderne Orgel mit 3.494 Pfeifen und 64 Registern der Dorstener Orgelbaufirma Breil ersetzt. Diese wurde im November 2002 für 20.000 Euro an die Pfarrgemeinde Maria Himmelfahrt in Hachenburg verkauft.

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