NSDAP-Kreisleiter

Sie kontrollierten die Amtsführung der Ortsgruppenleiter

Die Leiter der Dorstener NSDAP-Ortsgruppen unterstanden dem Kreisleiter Recklinghausen-Land bzw. Recklinghausen-Stadt und Land. Diese Kreisleitung Recklinghausen-Land bestand nur zwischen 1932 und 1936 bis zu dem Zeitpunkt, als der NSDAP-Großkreis Recklinghausen (Stadt und Land) gegründet wurde. Erster Kreisleiter von 1932 bis 1934 war SA-Führer Herbert Barthel, dem bis 1938 Otto Plagemann folgte. Anschließend waren Wilhelm Brauns (März 1939 bis März 1941), Gerhard Goldbeck (März bis Oktober 1941) und Gerhard Auras (Oktober 1941 bis März 1945) Kreisleiter für Stadt und Land Recklinghausen.

Herbert Barthel- Kreisleiter von Recklicklinghausen 1932 bis 1934

Kreisleiter ..........................

Kreisleiter Herbert Borthel

1895 in Breslau geboren und 1945 in Lüdinghausen gestorben, war bis 1942 evangelisch, danach gottgläubig. Er besuchte die Realschule und wurde 1912 Beamter der Deutschen Reichspost (Ausbildung zum Telegraphengehilfen und Kabelmessbeamten). 1915 bis 1918 war er Weltkriegsteilnehmer, anschließend Unteroffizier im Freikorps Paullsen und kämpfte bis 1920 in Litauen, Ostpreußen und Schlesien. 1922 begann seine politische Karriere in der Völkischen Bewegung und 1924 im Völkisch-Sozialen Block. 1925 trat er in die NSDAP ein, war von 1926 bis 1931 Ortsgruppenleiter in Recklinghausen und von 1932 bis 1934 Kreisleiter der NSDAP Recklinghausen-Land. Er arbeitete 1933 in der Verwaltung des Landratsamtes Lüdinghausen. Von 1934 bis 1945 war er dort Landrat, von 1938 bis 1943 SA-Standartenführer und von 1938 bis 1945 Mitglied des Reichstags für den Wahlkreis 17 (Westfalen-Nord).

Aufruf Kreisleiter Plagemanns 1945

Aufruf Kreisleiter Plagemanns 1945

Otto Plagemann – Kreisleiter von 1934 bis 1938

Geboren 1903, gestorben 1998 in Essen. Er war Finanzbeamter im mittleren Dienst, zuletzt am Finanzamt in Recklinghausen. Er gehörte seit 1929 der NSDAP an, deren Ortsgruppenleiter er ab diesem Zeitpunkt in Recklinghausen war. Von 1934 bis Ende 1935 war er zunächst Kreisleiter von Recklinghausen-Land, danach bis 1938 ehrenamtlicher Kreisleiter von Recklinghausen-Stadt und Land, wechselte dann als hauptamtlicher NSDAP-Kreisleiter nach Paderborn-Büren und war von 1941 bis 1945 Kreisleiter Emscher-Lippe in Gelsenkirchen. 1945 wurde er im Camp Recklinghausen-Hillerheide interniert. Das Spruchgericht Recklinghausen verurteilte ihn 1948 zu fünf Jahren Gefängnis. Das übergeordnete Spruchgericht in Hamm hob das Urteil auf und verwies die Verhandlung erneut an die Spruchkammer Recklinghausen. In dieser 2. Verhandlung wurde Plagemann von Fürsprechern stark entlastet und lediglich zu 17 Monaten Gefängnis und 2.000 Mark Geldstrafe verurteilt. Da die 14-monatige Internierungszeit auf die Haftstrafe angerechnet wurde, verließ Plagemann die Verhandlung als freier Mann (siehe Zeitungsartikel unten). Plagemann wohnte bis 1950 in Recklinghausen, danach in Essen, wo er 1998 starb.

Kreiseleiter Plagemann zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt – Schuldig

„Im Falle des ehemaligen Kreisleiters Otto Plagemann, der am 12. Februar vor dem Spruchgericht Recklinghausen stand, war die Frage der Zugehörigkeit zu einer der im Nürnberger Urteil für verbrecherisch erklärten Organisationen der NSDAP nicht umstritten. Er war Parteigenosse seit 1929 und von 1934 bis 1938 ehrenamtlich in Recklinghausen, anschließend hauptamtlich bis 1941 in Paderborn und dann bis zum Zusammenbruch in Gelsenkirchen Kreisleiter gewesen, also volle elf Jahre lang in bedeutenden Kreisen Westfalens. Was die Kenntnis von Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeht, so gab der Angeklagte zu, von der Beteiligung des politischen Führerkorps an der Verfolgung der Juden, der Einlieferung politischer Gegner in Konzentrationslagern ohne rechtliches Gehör und der Durchführung des Zwangsarbeiterprogramms gewusst zu haben. Ein Kreisleiter war immerhin kein unbedeutendes Rad in dem Getriebe von Partei und Staat.

Eine große Zahl von Entlastungszeugen und eidesstattlichen Erklärungen bescheinigte dem Angeklagten dass er sein Amt konziliant und sachlich geführt habe, mit dem spürbaren Willen, überall zu helfen und seine Pflicht zu tun bis unmittelbar vor dem Einrücken der Alliierten.

Der öffentliche Ankläger hielt Anständigkeit und Korrektheit für Dinge, die sich von selbst verstehen. Der Angeklagte habe sich äußerlich zum Führerkorps bekannt und innerlich dazu gestanden und so dessen verbrecherisches Potential gestärkt, womit er schuldig sei im Sinne des Gesetzes. Er beantragte eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren unter voller Anrechnung der Internierungshaft. Das Urteil des Gerichts entsprach dem Antrag des Anklägers, nachdem der Verteidiger alle Gründe für eine mildere Beurteilung des Falles ins Feld geführt hatte.“ – „Neuer Westfalen-Kurier“ vom 17. Februar 1948

Gelsenkirchener Kreisleiter stark entlastet – Mildes Urteil

„(Eig. Ber.) Das Spruchgericht Recklinghausen verhandelte erneut gegen den früheren Kreisleiter von Gelsenkirchen und Recklinghausen Otto Plagemann, wegen Verbleibs im politischen Führerkorps der NSDAP nach Kriegsbeginn trotz Kenntnis seines verbrecherischen Charakters. Die zweite Verhandlung war notwendig geworden, weil das oberste Spruchgericht in Hamm die Revision des Angeklagten aufgehoben und die Strafsache zurückverwiesen hatte. Damals war auf eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren erkannt worden.

Auch in der neuen Verhandlung wurde die ganze Problematik in der Beurteilung des Falles erneut aufgerollt. Sie trat besonders deutlich bei der Vernehmung von Frau Bürgermeister Sewing zutage, die von der Verteidigung als Zeugin geladen war. Sie bezeichnete den Angeklagten als Idealisten und wahren Christen, der nichts Unrechtes gewollt und getan habe. Auf die Frage des Anklägers, wie die Zeugin es sich denn erkläre, dass dieser Christ und Idealist sich lange Jahre an hervorragender Stelle einem verbrecherischen System zur Verfügung gestellt habe, erwiderte die Zeugin, Plagemann habe an seinem Platz Unrecht verhüten wollen und auch verhütet…“ – „Neuer Westfalen-Kurier“ vom 16. September 1948

Aussage einer Gelsenkirchener Zeugin vor Gericht

„Anfang 1945 kamen wir aus unserer Evakuierung in Arnsberg zurück, hatten meinen Vater dort nach plötzlichen Magenblutungen sterben sehen und begraben. Meine Mutter und ich waren nun ganz mutterseelenallein auf uns gestellt in den Wirren und der Not der letzten Kriegstage und hofften, in unserer alten, völlig in Schutt und Trümmern liegenden Schalker 6-Zimmer Wohnung in 2 Zimmern Unterschlupf zu finden. Zu unserem Entsetzen hausten dort fremde Leute, unsere Habseligkeiten waren verschwunden […]. Die Nazis von der Ortsgruppe Schalke hatten das für ihre Freunde so geregelt. Wir wurden von ihnen verhöhnt und beschimpft und waren nun noch hilfloser als zuvor. Der einzige anständige Nazi, den wir (flüchtig) kannten – er und wir wohnten in benachbarten Häusern in Schalke – war Kreisleiter Plagemann, dem wir unsere verzweifelte Lage schilderten, und der sich seine Ortsgruppenleute vorknöpfte, eine donnernde Strafpredigt losließ, und unerbittlich dafür sorgte, dass wir wieder in unserer alten Wohnung eine Zuflucht fanden und unsere Habseligkeiten zurückbekamen, soweit das überhaupt noch möglich war. Mehrmals kontrollierte er gewissenhaft, ob seine Anordnungen befolgt wurden.“

Zur Sache: Es kann inzwischen als erwiesen gelten, dass die Kreisleiter der NSDAP für die alltägliche Herrschaftspraxis des NS-Regimes von immenser Bedeutung waren. Der Parteikreis war die Gebietseinheit unterhalb der Gaue und entsprach territorial einem Stadt- oder Landkreis. Auf Reichsebene gab es nach 1933 – je nach Zeitpunkt der Datenerhebung – zwischen 780 und 850 Kreise der NSDAP. Als „Hoheitsträger“ war der Kreisleiter der oberste Repräsentant der NSDAP in seinem „Hoheitsbereich” und hatte die von der Gauleitung ausgegebenen Richtlinien umzusetzen. Zu diesem Zweck stand ihm mit der Kreisleitung ein umfangreicher bürokratischer Apparat zur Verfügung, der 20 bis 40 Funktionäre umfasste. Außerdem unterstanden dem Kreisleiter etwa 20 bis 40 Ortsgruppenleiter, deren Amtsführung er kontrollierte und denen er Anweisungen erteilen durfte. Daneben war der Kreisleiter für die „Menschenführung“ der NSDAP zuständig. Darunter wurde gemeinhin die soziale „Betreuung“, ideologische Indoktrination und propagandistische Mobilisierung der Bevölkerung verstanden. Je nach Größe des Parteikreises waren von diesen Tätigkeiten 50.000 bis 100.000 „Volksgenossen“ betroffen.


Quellen:
„Neuer Westfalen-Kurier“ vom 17. Februar 1948. – Auskunft Dr. Matthias Kordes, Stadtarchiv Recklinghausen. – Wolfgang Stelbrink „Die Kreisleiter der NSDAP in Westfalen und Lippe. Versuch einer Kollektivbiografie mit biografischem Anhang“, Münster 2003. – Carl-Wilhelm Reibel „Das Fundament der Diktatur. Die NSDAP-Ortsgruppen 1932-1945“, Paderborn 2002.

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