Lichtspielhäuser

Amtsinspektor Schulze spielte zum Stummfilm live auf der Geige

Schon früh kamen die Dorstener in den Genuss der von den Gebrüdern Lumière in Paris erstmals 1895 vorgestellten bewegten Film-Bilder. In der Gaststätte Nuyken an der Lippestraße wurden mittels eines mobilen Kinematographen Stummfilme vorgeführt. Mit der schnellen Entwicklung des Films kamen in Dorsten auch fest eingerichtete Lichtspielhäuser auf. In der Lippestraße befanden sich von 1950 bis 1965 die Schlüssel-Lichtspiele, die Bernhard Brüggemann 1981 im Lippetor-Center wieder aufleben ließ, bis er sie 1993 wieder schloss, um sich seinem von Grund auf neu und für 6,5 Millionen DM ausgebauten Central-Kino in Holsterhausen zu widmen.

„Central-Theater“ an der Borkener Straße  in Holsterhausen

Schlüssel-Kino der Familie Stewing in der Lippestraße nach dem Krieg

Schlüssel-Kino Fam. Stewing in der Lippestraße

Das Kino an der Borkener Straße ist heute das einzig verbliebene Lichtspielhaus in Dorsten. Die ältesten Gebäudeteile dieses Kinos stammen aus dem Jahre 1912. Es wurde bereits 1951 als „Central-Theater“ erbaut und von Amtsbürgermeister Hatkämper, Amtsdirektor Dr. Banke sowie beteiligten Handwerkern festlich eröffnet. 1992/93 wurde es mit An- und Ausbauten kernsaniert. Es verfügt in fünf unterschiedlich großen Vorführräumen über 635 Sitzplätze, einer Filmbar und einem Film-Bistro. Bernhard Brüggemann hatte Ende Mai 2008 Insolvenz anmelden müssen. Er hat auch in anderen Städten Kinos betrieben und geriet in finanzielle Schwierigkeiten. Der Insolvenzverwalter konnte das Kino zwischenzeitlich weiterführen, bis es im Juni 2010 an Michael Meyer verkauft werden konnte, der in Bochum und Gelsenkirchen zwei große Kinos betreibt. Im September 2011 wurde das Gebäude nach einem über fünfjährigen Verfahren zwangsversteigert, was den künftigen Kinobetrieb nicht betrifft, da der Besitzer einen langjährigen Mietvertrag hat. Zur Zwangsversteigerung kamen der Kinokomplex und der integrierte Laden (früher Aldi, jetzt kik) und zwei Wohnungen. Der Verkehrswert beträgt laut Gutachten zwei Millionen Euro (Kino 750.000 Euro, Laden 1,2 Millionen Euro).

Centralkino in Holsterhausen früher und heute

Centralkino in Holsterhausen früher und heute

Im Oktober 2012 wurde erstmals in der Geschichte des Kinos ein Raubüberfall von zwei maskierten und bewaffneten Männern verübt. Da die Einnahmen bereits im Safe deponiert waren, flohen die Täter unerkannt und ohne Beute. Die Bezirksregierung Münster förderte 2013 die Umstellung der Kinosäle auf Digitaltechnik mit 40.000 Euro. Die Säle 2 und 3 wurden bereits im vergangenen Jahr modernisiert und gefördert. Die Gesamtkosten der Modernisierung des Central Kinocenters Dorsten betragen 134.637 Euro. Neben der Förderung der Bezirksregierung wurden für die beiden Säle außerdem 53.659 Euro von der Filmförderungsanstalt und den Bundesbeauftragen für Kultur und Medien bewilligt. Die übrigen Kosten trägt die Apollo Kino GmbH, heißt es in einer Pressemitteilung.

2020 und 2021 Anerkennung für das Dorstener Kino

Das Dorstener Central-Kino in Holsterhausen gehört zu den NRW-Kinos, die im September 2020 mit dem 30. Kinoprogrammpreis NRW ausgezeichnet wurden. „Das Kino hat ein gutes Filmangebot, zum Teil mit einem Kinder- und Jugendfilmprogramm, Filmreihen und Sonderveranstaltungen“, so die Jury und vergab 9000 Euro Preisgeld an das Dorstener Kino. – 74 Kinos aus 46 Städten in ganz NRW wurden mit Programmprämien in Höhe von insgesamt 900.000 Euro ausgezeichnet, eine Verdopplung zum Vorjahr. Corona-bedingt erfolgt die Vergabe zwei Monate früher und online.
Zum 31. Mal wurde im Oktober 2021 der Kinoprogrammpreis NRW der Film- und Medienstiftung NRW in Köln verliehen. Aufgrund der Pandemie wurde entschieden, das Prämienniveau von 2020 mit insgesamt 900.000 Euro beizubehalten. Insgesamt wurden 74 Filmtheater aus 46 Städten Nordrhein-Westfalens ausgezeichnet. Auch das Central-Kino Dorsten wurde ausgezeichnet mit einer Programmprämie von 3000 Euro, einer Kinder- und Jugendprogrammprämie von 1000 Euro sowie einem Sockelbetrag von 5000 Euro.

10.000 Euro-Auszeichnung für das Dorstener Central-Kino 2023

Beim 33. Kinoprogrammpreis NRW wurden wieder nordrhein-westfälische Kinobetreiber (74 Filmtheater) in diesem Jahr mit einem festlichen Dinner sowie einem kurzweiligen Bühnenprogramm in der Kölner Wolkenburg geehrt. Aus Dorsten wurde das Central-Kino ausgezeichnet und mit einer Prämie von 10.000 Euro bedacht.

Central-Kino und Jüdisches Museum zeigen weiter gemeinsam Filme

Die Kultur-Kooperation Central-Kino und Jüdisches Museum Westfalen in Dorsten mit sonntäglichen Film-Matineen, begonnen im November 2022, ging vom November 2022 bis Januar 2023 mit drei weiteren Filmen in die zweite Runde. Im Zentrum standen Filme, die jüdische Geschichte oder Gegenwart thematisieren, und Arbeiten jüdischer Filmschaffender: Komödien, Dramas, Krimis oder Dokumentarfilme. Aber auch gesellschaftliche Probleme, wie Rassismus oder das Zusammenleben der Religionen, standen im Mittelpunkt.

Verschiedene und besondere Kino-Veranstaltungen

BiK – diese drei Buchstaben bedeuteten über drei Jahrzehnte lang ein cineastisches Gütesiegel in Dorsten. Denn unter dieser Abkürzung, ausgeschrieben „Besonderes im Kino“, liefen regelmäßig anspruchsvolle Filme im Central-Kino an der Borkener Straße. Leinwandwerke, die es im normalen Kino-Programm einer Mittelstadt wie Dorsten schwer gehabt hätten. Zehntausende Besucher haben seitdem Mittwoch für Mittwoch die BiK-Filme gesehen. Diese Filmreihe wurde 2020 eingestellt. Dafür „Cinema goes music“ als neue Programmschiene eingerichtet. Gezeigt werden Musikfilme vor allem aus dem Pop- und Rockbereich. Digitale Konkurrenz wie Netflix, Amazon Prime oder andere Streaming-Dienste setzt den Kinos zu. Daher bietet auch das Central-Theater inzwischen mehrere Veranstaltungen an. Das „Kino-Café“ mit seinem Publikum vor allem im Seniorenalter läuft gut. In Zusammenarbeit mit der Bäckerei Kleinespel/Imping kostet die Kinokarte inklusive Kaffee und Kuchen sechs Euro. Daher konnten Filme in diesem Programm inzwischen an zwei Terminen und in bis zu drei Sälen gleichzeitig laufen. Mittlerweile sind immer mehr Kooperationsveranstaltungen mit Akteuren aus Dorsten dazu gekommen: „Kirche und Kino“ mit dem hiesigen evangelischen Kirchenkreis, Werbeaktionen mit der Thalia-Buchhandlung, mit dem Freizeitbad Atlantis, seit einigen Monaten läuft eine gut besuchte „Ladys Night“ mit Frauenfilmen inklusive Schmuckparty, Sektempfang und kulinarischer Aktion mit dem benachbarten griechischen Imbiss „El Greco“. Dazu gab es Zusammenarbeiten mit dem Jüdischen Museum, innerhalb der Interkulturellen Woche, mit dem Bergbauverein zum Ende des Steinkohlenbergbaus. – Es könnte durchaus sein, dass auf dem Zechengelände im Creativ-Quartier in Hervest-Dorsten schon in ein paar Jahren innerörtliche Konkurrenz erwächst. Im Obergeschoss des Kesselhauses ist ein nagelneues Kino geplant.

KOKI-Reihe, Kommunales Kino, mit Bürgermesiter Tobias Stockhoff

Ende Oktober 2021 wurde die Filmreihe „KOKI – Kommunales Kino“ etabliert. Jeden Mittwoch wird seither ein abwechslungsreiches und aktuelles Filmprogramm aus dem Arthouse- und Programmkino-Sektor gezeigt. Dieses Filmprogramm ist Teil einer monatlichen Themenreihe. Passend dazu begleiten gelegentlich Gäste aus verschiedensten Bereichen eine ausgewählte Vorstellung mit Vorträgen oder anschließendem Austausch im Kinosaal. Zudem besuchen uns einmal im Monat „Die Sizilianer“ aus Dorsten mit ihren mediterranen Spezialitäten. Eröffnet wurde die KOKI-Filmreihe mit dem aus dem Jahr 2003 stammenden Film „Goodby Lenin“, natürlich in Anwesenheit des Bürgermeisters Tobias Stockhoff und entsprechender Werbung mit dem Kopf des Bürgermesiters und seiner Aussage, dass dies sein Lieblingsfilm sei. Weiter Filme wurden angekündigt, darunter die Literaturverfilmung Stefan Zweigs „Schachnovelle“ (2020) und Tomas Manns „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ (2021).

Ältestes Kino war Verhoevens „Hedoli-Filmpalast“ in Hervest-Dorsten

Herbert Verhoeven 1994 (Zeitungsbild)

Herbert Verhoeven 1994 (Zeitungsbild)

Das älteste Kino in der Herrlichkeit war der Hedoli-Filmpalast, den 1919 Fritz Verhoeven und dessen Schwager Hermann Humke in der alten Militärbaracke im Hof des „Gemeinnützigen Gasthofs“ (später Haus Rose) betrieben hatten. In der ersten Vorstellung wurde der Stummfilm „Verschleppt“ gezeigt. Neben dem Hauptfilm lief im Beiprogramm das Lustspiel „Meier aus Berlin“ des bekannten Regisseurs Ernst Lubitsch. Die untermalende Musik lieferte live ein Zwei-Personen-Orchester mit Frau Heilmann am Klavier und Amtsoberinspektor Schulze mit der Geige. Da der Amtsinspektor nur an Wochenenden Zeit hatte, wurde auch nur an Wochenenden live gespielt. Mit „Untergang der Titanic“ wurde Ende der 1920er-Jahre der erste Tonfilm gezeigt. Die komplizierten Apparate bediente der ehemalige Wanderzirkusbesitzer Ernst Reinoldi.

Aufführung der „Zauberflöte“ auf der Bühne im Kino

Nach der Neueröffnung 1930 im Harsewinkel erhielt das Kino den Namen „Hedoli-Palast“. Nach dem Krieg 1945, Sohn Herbert Verhoeven (geboren 1913) übernahm nach dem Tode seines Vaters das Lichtspielhaus, durften nur Engländer ins Kino gehen, erst Ende des Jahres war es wieder für Deutsche geöffnet. Das Kino war dann auch Theaterbühne. 1951 wurde in Dorsten mit „Die Zauberflöte“ erstmals eine Oper aufgeführt. Als Heinz Ehrhardt auftrat, bekam er kaum Applaus, was ihn zu der Bemerkung veranlasste: „Hier komm’ ich nicht mehr her!“ 1963 feierte die Schachtanlage Fürst Leopold/Baldur im Hedoli-Saal ihr 50-jähriges Jubiläum. – Ende der 1980er-Jahre schloss das mit 100 Plätzen ausgestattete Kino.

Menschen gehen seltener ins Kino: 2022 rund 30 Millionen weniger

Die Kinobranche hatte 2022 wieder Menschen zurückgewinnen können, zählt aber immer weniger Besucher als vor Beginn der Pandemie. Knapp 70 Millionen Tickets wurden bundesweit verkauft. Normalerweise wären über 100 Millionen Menschen ins Kino gegangen.

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