Hildebrandt, Ernst

Dorstener Abiturient 1944 zum SS- und Polizeiführer aufgestiegen

Von Wolf Stegemann – 1895 in Offstein bei Worms bis 1970 in Nürnberg; SS-Oberführer, Polizeipräsident, SS- und Polizeiführer „Oberitalien Mitte“. – Wie sein Bruder Richard Hildebrandt (siehe dort), der als SS-Obergruppenführer nach dem Krieg von den Polen wegen Massenmordes zum Tode verurteilt und gehenkt wurde, machte auch Ernst Hildebrandt 1915 am Gymnasium Petrinum das Notabitur, um als Freiwilliger, ebenfalls wie sein Bruder, in den Krieg zu ziehen. Der Vater war in jener Zeit Fabrikdirektor in Dorsten, seine Mutter hieß Margareta Dost. Die Familie wohnte am Ostwall 18. Nach dem Zweiten Weltkrieg wohnte er in der Königsstraße (heute Martin-Luther-Straße) in Dorsten-Holsterhausen. Ernst Hildebrandt kam enttäuscht aus dem verlorenen Ersten Weltkrieg bzw. der Kriegsgefangenschaft zurück und schloss sich als Infanterie-Oberleutnant d. R. sofort dem Freikorps Marinebrigade Ehrhardt an. Das Freikorps hatte das Hakenkreuz zu seinem Symbol gemacht. Mit diesem Zeichen schien Ernst Hildebrandts Weg in seine politische Zukunft vorgezeichnet zu sein. 1922 trat er in die NSDAP ein, verließ die Partei ein Jahr später, als Hitlers Putsch in München scheiterte, trat ihr erst wieder im April 1933 bei, als Hitlers Machtübernahme im Reich nicht mehr scheitern konnte. Sein Parteibuch hatte die Nummer 1.664.468. In die SS war er bereits am 1. Februar 1932 mit der Nummer 25.517 eingetreten. Mit beiden Mitgliedsbüchern war seine Karriere im Nationalsozialismus gesichert.

Formal bis Kriegsende die Funktion als Polizeipräsident von Dessau

Erkennungsmarke der Waffen-SS-Einheit "Prinz Eugen"

Erkennungsmarke der Waffen-SS-Einheit “Prinz Eugen”

In der SS stieg Ernst Hildebrandt vom Sturmführer 1932 (Wehrmacht: vergleichbar Leutnant) bis 1944 zum SS-Oberführer auf (kein vergleichender Rang; er liegt zwischen Oberst und Generalmajor). In Friedenszeiten gehörte er der 75. SS-Standarte in Berlin, dann der 15. SS-Standarte in Neuruppin an, wurde als SS- und Polizeiführer 1937 Polizeipräsident in Hof an der Saale und 1940 Polizeipräsident in Dessau/Anhalt, was er funktional bis 1945 blieb. 1942 zog der Polizeipräsident Ernst Hildebrandt in den Krieg, war 1942 Mitglied der Kampftruppe „Jeckeln“, die an Juden-Massakern in Lettland beteiligt war, kämpfte im SS-Gebirgsjäger-Regiment 1 und war Adjutant in der Freiwilligen SS-Gebirgs-Division „Prinz Eugen“ (bis 1943), die Kriegsverbrechen an Partisanen in Jugoslawien verübte. Danach wurde er Chef der Stabskompanie des Höheren SS- und Polizeiführers „Russland-Süd“ und war 1944 als SS- und Polizeiführer (SSPF) Kommandeur des SS-Verwaltungsabschnitts „Oberitalien-Mitte“ mit Sitz in Bologna, hatte anschließend dieselbe Funktion bis Februar 1945 im SS-Verwaltungsabschnitt „Südost“ inne und war von Februar 1945 bis zum Kriegsende am 8. Mai Kommandeur des SS-Abschnitts „West“.

Die 1935 in Berlin-Wilmersdorf geschlossene Ehe wurde 1950 in Düsseldorf geschieden. Vorher wohnte das Ehepaar Hildebrandt mit dem 1936 in Berlin geborenen Sohn in der Königsstraße (heute Martin-Luther-Straße) in Dorsten-Holsterhausen. Der Sohn ging auf die Antoniusschule in Holsterhausen. In dieser Zeit wurde Ernst Hildebrandt entnazifiziert. Der Entnazifizierungshauptausschuss des Landkreises Recklinghausen reihte den SS-General und Polizeipräsidenten Ernst Hildebrandt unter der Geschäftsnummer MÜN/LK/RECK:P/419 (ohne Datum) in die Kategorie IV („Mitläufer“) ohne Vermögens- und Kontensperre ein. Über diese Milde Einstufung kann man sich heute nur wundern. 1953 wohnte Ernst Hildebrandt in Düsseldorf, verzog dann nach Hof/Ofr. und von dort 1954 nach Nürnberg, wo er 1970 starb.

Die SS (Schutzstaffel), 1925-1945: Sie war eine Gliederung der NSDAP, gegründet im April 1925, ursprünglich als Personenschutz für Adolf Hitler und andere Parteiführer eingerichtet. Die SS sicherte nach 1933 unter der Leitung von Reichsführer SS Heinrich Himmler (1900-1945) nach innen mit brutalen Methoden das Regime. Durch die Übernahme der gesamten Polizei und den Aufbau von Geheimer Staatspolizei (Gestapo), Sicherheitsdienst (SD) sowie der Konzentrationslager entwickelte sich die SS zur wichtigsten Stütze der NS-Herrschaft. Die SS gliederte sich in Allgemeine SS, SS-Verfügungstruppen und SS-Totenkopfeinheiten; letztere wurden später in der Waffen-SS zusammengefasst. Die SS verstand sich als eine „blutmäßig definierte” Elite und verfolgte als Ziel die Reinhaltung der „nordischen Rasse”. Im Zweiten Weltkrieg verübte die SS zahllose Kriegsverbrechen. Sie wurde am 10. Oktober 1945 von den Alliierten verboten und bei den Nürnberger Prozessen 1946 als verbrecherische Organisation angeklagt und verurteilt, die für die Unterdrückung und Ermordung von Millionen von Menschen verantwortlich war.

Anmerkung: Wie Ernst Hildebrandt die Nachkriegszeit verbrachte, und ob er zur Rechenschaft gezogen wurde, ist der Lexikon-Redaktion bislang nicht bekannt. Im Schülerverzeichnis des „Vereins ehemaliger Schüler des Gymnasium Petrinum“ von 1953 steht: „Hildebrandt, Ernst, geb. 31. 8. 1895; Polizeipräsident, z. W., (1915), Düsseldorf-Heerdt, Burgunder Straße 47, M“.


Quellen:
Auskunft Standesamt Monsheim vom 19. Juli 2011. – Standesamt Nürnberg (Nr. 1723/1970). – Auskunft Gerhard Jochem, Stadtarchiv Nürnberg (Bestand C 21/IX Einwohnermeldekartei Nr. 585). – Landesarchiv Düsseldorf Entnazifizierungsakte Ernst Hildebrandt NW 1039 H Nr. 5414.

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