Frauenhaus

Es bietet seit 1984 Frauen und Kindern Schutz vor häuslicher Gewalt

Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) vom 29. Oktober 2013 (Ausriss)

Mehr Plätze in Frauenhäusern auf EU-Ebene im Jahr 2023 beschlossen

Zum Weltfrauentag am 8. März 2023 hat der EU-Haushaltsausschuss in Brüssel den Weg für eine Verdreifachung der Kapazitäten geebnet. Die NRW-Familienministerin begrüßt den Schritt, warnt aber vor zu hohen Erwartungen. Nach Angaben des NRW-Innenministeriums hat sich das Problem der häuslichen Gewalt seit 2017 massiv ausgeweitet. Im Jahr 2022 war die Zahl der Fälle um 28,5 Prozent auf knapp 33.700 gestiegen. Künftig soll nach dem Willen der EU-Haushälter ein Familienplatz je 10.000 Einwohner finanziert werden. Das bedeutet für Deutschland eine Verdreifachung der Frauenhausplätze. Hierzulande gibt es derzeit bis zu 6800 Plätze für Frauen und Kinder. Bei 83 Millionen Bundesbürgern würden künftig 8300 Familienplätze finanziert. Jeder Familienplatz wird im Schnitt mit zweieinhalb Betten für Frauen und ihre Kinder berechnet. Somit würden rund 21.000 Betten finanziert. Das entspräche einer Verdreifachung der heutigen Ausstattung. In NRW gibt es nach Angaben des Familienministeriums 666 Plätze in 67 Frauenhäusern.
Frauen- und Kinderschutzhaus Dorsten: 1983 richtete der Verein „Frauen helfen Frauen“ einen Bereitschaftsdienst für Hilfe suchende Frauen ein. Ein Jahr später, am 1. Mai 1984, konnte die erste 140 Quadratmeter große Frauenschutzwohnung für sechs Frauen in der Straße „Im Kühl“ eingerichtet werden. Dort fanden misshandelte Frauen mit Kindern Zuflucht. Bereits 1987 wurde daraus ein größeres Haus mit 18 Betten, Platz für acht Frauen mit Kindern, das bis heute Frauen Schutz vor ihren gewalttätigen Männern bietet.

Existenz des Frauenhauses gesichert: Stadt kaufte das Haus

550-frauenhausklStadt und Wohlfahrtsverbände unterstützen die ehrenamtlich geleitete Einrichtung. 1990 übernahm der Landschaftsverband 80 Prozent der Personalkosten für die drei hauptamtlichen Mitarbeiterinnen. Der Trägerverein erweiterte 1991 das Haus, dessen weitere Existenz durch den Kauf des Gebäudes durch die Stadt gesichert wurde, strich dafür aber den jährlichen Zuschussbedarf in Höhe von 25.000 DM. Die Miete musste aber weiterhin gezahlt werden, was den Verein in einen finanziellen Engpass brachte. Im Jahre 2000 suchten 80 Frauen und 111 Kinder Zuflucht im Dorstener Frauenhaus. Die Verweildauer lag im Durchschnitt bei einem Monat. Die Hälfte der Frauen kam aus anderen Städten, die andere Hälfte aus Dorsten und dem Kreis Recklinghausen. Im Schnitt war das Frauenhaus zu 87 Prozent belegt. In den ersten 25 Jahren seines Bestehens suchten rund 2.000 Frauen – Kinder nicht mitgerechnet – im Frauenhaus Schutz; allein im Jahr 2007 waren es 75 Mütter und 107 Kinder. Im Jahre 2009 fanden 67 Frauen und 59 Kinder Unterkunft.

Frauenhaus zog im Jahr 2020 noch vor dem Corona-Lockdown um

Das Frauenhaus Dorsten vollzog im Frühjahr 2020 – bewusst von der Öffentlichkeit unbemerkt – einen Umzug in eine neue Bleibe, da die alte nicht mehr ausreichte. Wie üblich, wird auch die neue Adresse des Dorstener Frauenschutzhauses geheim gehalten, damit die Bewohnerinnen und ihre Kinder vor Nachstellungen gewalttätiger Lebensgefährten und Ehepartner sicher sind. Denn das Frauenhaus hat aus einer Tragödie gelernt, nachdem eine Frau 2008 von ihrem Ehemann durch Handy-Ortung in Dorsten aufgespürt und auf bestialische Weise in der Fußgängerzone der Altstadt umgebracht worden war (siehe: „Ehrenmord“ in diesem Lexikon). Das neue Haus bietet den Bewohnerinnen deutlich mehr Komfort. 13 Bewohnerinnen und ihre Kinder können vorübergehend im Dorstener Frauenhaus leben.

2020 war für das Frauenhaus Dorsten ein herausforderndes Jahr

Das Frauenhaus war stark ausgelastet. Dem gegenüber standen rückläufiges Spendenaufkommen und Corona-bedingte Probleme. 34 Frauen und ihre 47 Kinder suchten und fanden 2020 Schutz im Frauenhaus Dorsten, weil gewalttätige Partner und Väter sie in die Flucht schlugen. Das Frauenhausteam stieß wegen der hohen Auslastung und gleichzeitigen Pandemie-Drucks an seine Grenzen. Durchschnittlich vier Monate verbringen Frauen mit ihren Kindern im Frauenhaus, bevor sie den Absprung in einen neuen Lebensabschnitt schaffen. Oder auch nicht. Tatsächlich kehren Frauen auch in die Gewaltbeziehungen zurück, acht waren es 2020. Fast die Hälfte der aufgenommenen Frauen suchte 2020 zum wiederholten Mal ein Frauenhaus auf, um der Gewaltsituation zu entkommen. 2020 waren deutschlandweit 117 Frauen von ihren Männern umgebracht worden.

Ein Viertel der Frauen gingen in das familiäre Gewaltverhältnis zurück

Nach wie vor erfuhren die meisten Frauen häusliche Gewalt durch den eigenen Ehemann (58 Prozent) oder Lebensgefährten (19 Prozent). Zwei Frauen waren akut von Zwangsheirat betroffen. Mit 66 Prozent machte die Mehrheit der Bewohnerinnen erstmals Erfahrung mit dem Leben im Frauenhaus. 28 Prozent der Frauen fanden zum wiederholten Male Aufnahme im Frauenhaus, weil sie es nicht gleich geschafft haben, sich von ihren gewaltsamen Ehepartnern zu trennen. Fast jede fünfte Frau wurde aus Sicherheitsgründen in ein anderes Frauenhaus vermittelt. Einige Frauen kamen bei Freunden und Verwandten unter. Im Jahr 2010 wurden 94 Kinder und 81 Frauen aufgenommen. Die Gesamtzahl der Übernachtungen lag bei 3.188, die durchschnittliche Auslastung aber nur bei 67,2 Prozent und damit niedriger als früher. Die Mehrzahl der Frauen (48 Prozent) war zwischen 26 und 40 Jahren alt. Größer geworden ist mit 31 Prozent die Gruppe der jungen Frauen bis zu 26 Jahren. 60 Prozent der Kinder waren im Säuglings- und Kleinkindalter, 33 Prozent im Schulalter. Für sie bedeutete der Einzug ins Frauenhaus auch einen Schulwechsel, denn nur die wenigsten Frauen kamen – aus Sicherheitsgründen – aus Dorsten. 50 Frauen lebten außerhalb des Kreises Recklinghausen, 31 im Kreis. Ein Viertel der Frauen ging trotz ihrer Gewalterfahrung wieder zurück, 22 Prozent nahmen sich eine eigene Wohnung. 19 Prozent der Frauen mussten aus Sicherheitsgründen in ein anderes Frauenhaus vermittelt werden.

Umzug in ein größeres Haus war notwendig geworden

2010 fand das Frauenhaus auch eine neue und 100 Quadratmeter größere Bleibe. Ein wichtiger Grund, ein neues Domizil zu beziehen, war, dass im Jahre 2008 eine Bewohnerin, die Zuflucht im Dorstener Frauenhaus suchte, von ihrem Mann verfolgt und in der Fußgängerzone ermordet worden war. Andere Gründe für den Umzug waren eine mittlerweile permanente Überbelegung, ständige Wasserschäden, die den Kinder-Spielplatz im Keller unbrauchbar machten. Das Frauenhaus bekam auch einen neuen Namen: „Frauen- und Kinderschutzhaus“.  Das Haus bietet auf nunmehr 300 Quadratmetern Platz für 19 Betten. 2010 betrug der Jahresetat des Vereins 170.000 Euro. Davon zahlte das Land 90.000 Euro. 80.000 Euro musste der Trägerverein aufbringen. Einnahmequellen sind neben Mieten der Bewohnerinnen Spenden und Bußgelder, die dem Frauenhaus von Gerichten zuerkannt werden. Ende 2011 war das Frauenhaus zu 93 Prozent ausgelastet, über das ganze Jahr zu ca. 80 Prozent. Anfang 2011 musste sich der Verein unter dem Motto „Schutzengel gesucht“ um Spenden und Sponsoren bemühen, denn das Defizit hatte sich seit Jahresbeginn auf Existenz bedrohende 10.000 Euro summiert. Dazu beigetragen haben ein Umzug, nachdem das alte Haus von Schimmel befallen war, und Mietausfälle der Bewohnerinnen. Die eigene Miete, Betriebskosten und Gehälter für das hauptamtliche Team betragen monatlich 14.000 Euro. Etwa die Hälfte zahlt das Land. Der Betrag wurde allerdings seit fünf Jahren nicht an steigende Kosten angepasst. Den Rest muss der Verein selbst aufbringen durch Mieteinnahmen von ihren Schützlingen, sonstige Zuschüsse oder Spenden.

Immer mehr Frauen mit Migrationshintergrund suchen Schutz

2012 kamen 108 Frauen (mit 127 Kindern), um Schutz zu suchen, das war 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit verbunden war allerdings eine besonders hohe Fluktuation, so dass die Übernachtungszahl von 3.624 durchaus dem Durchschnitt vergangener Jahre entsprach. 70 Prozent der Frauen blieben nur bis zu sieben Tage, weil sie anschließend bei Verwandten unterkamen. – 2015 kamen 103 Frauen mit 97 Kindern ins Frauenhaus, deren Mitarbeiterinnen immer mehr mit Flüchtlingsfrauen zu tun haben. 79 der 103 Frauen wurden von Ehemännern oder Lebensgefärten malträtiert, 22 von Eltern oder anderen Verwandten. Zwei Frauen waren durch Zwangsheirat bedroht. Erstmals hatten 56 Prozent der Frauen Migrationshintergrund, die aus Städten des Ruhrgebiets kamen und in Dorsten mit ihren Kindern unterkamen. Frauen aus Dorsten werden hier grundsätzlich nicht aufgenommen; sie werden in Einrichtungen anderer Städte untergebracht. Die Aufenthaltsdauer betrug 2015 überwiegend sieben Tage. Im April 2016 war das Dorstener Frauenhaus mit 17 Frauen und zehn Kindern bis unters Dach ausgelastet.

Frauenhaus warnte mit Infostand vor Handyortung

Am zehnten Jahrestag des Todes der 27-jährigen Fatma informierte das Team des Dorstener Frauenhauses 2018 in der Lippestraße über den Tod der Frau und über Maßnahmen zum Schutz von Frauen vor gewalttätigen Ehemännern. Fatma war damals Bewohnerin des Frauenhauses und wurde dort von ihrem gewalttätigen Mann durch Handyortung aufgespürt. Das Team des Frauenhauses informierte daher insbesondere darüber, wie man sich vor unerwünschter Handyortung schützen kann. Im Dorstener Frauenhaus sind überwiegend Frauen aus anderen Städten untergebracht, um ihren Aufenthaltsort vor Männern geheim zu halten. Auch die Adresse des Frauenhauses ist geheim. Frauen in Notlagen wenden sich ans Frauenhaus-Telefon, (02362) 41 0 55.

Jahresbilanz 2016: Frauenhäuser im Kreis Recklinghausen überbelegt

Im Jahr 2016 suchten immer mehr Frauen im Kreis Recklinghausen Schutz in den Frauenhäusern. Es waren so viele, dass einige Häuser überbelegt wurden und keine neuen Frauen mehr aufnehmen konnten, zum Beispiel Castrop-Rauxel. Zum ersten Mal seit 30 Jahren waren dort zusätzliche Betten aufgestellt worden. In den anderen Frauenhäusern im Vest Recklinghausen sah es ähnlich aus. In Datteln stieg die Zahl um 14 Prozent, in Herten um sechs. Insgesamt gibt es fünf Frauenhäuser im Kreis. Vier davon sind derzeit voll belegt. Weil die Anfragen weiter steigen, denken viele Einrichtungen über einen Anbau oder einen Umzug in ein größeres Haus nach, darunter die Häuser in Dorsten und Castrop-Rauxel. Gründe für den Anstieg sind zum Beispiel, dass die Polizei bei häuslicher Gewalt die Frauen schneller vermittelt. Und Frauen sind heutzutage besser untereinander vernetzt. Viele gehen ins Frauenhaus, weil sie von ihren Männern bedroht oder geschlagen werden. Dort bleiben sie dann für eine gewisse Zeit; in Dorsten meist nur eine Woche, in Castrop-Rauxel dagegen können Frauen bis zu drei Monaten wohnen (Radio Vest). Die Frauenhäuser in Herten und Datteln werden vom Diakonischen Werk im Kirchenkreis getragen. In Dorsten führt der Verein Frauen helfen Frauen die Einrichtung, auch in Recklinghausen und Castrop-Rauxel gibt es Trägervereine. Frauenhäuser finanzieren sich mit Zuschüssen von Land und Bund, Leistungen des Jobcenters, die die Bewohnerinnen erhalten, und zum Teil auch aus Spenden.

Frauen mit schwierigen Biografien

Durch den Mord an einer Bewohnerin im Dezember 2008, als der Ehemann seiner Frau vor den Augen ihrer Kinder mitten in der Fußgängerzone die Kehle durchschnitt, kam das Thema Frauenhaus wieder in die Medien. Die Frau wohnte seit kurzem im Frauenhaus, wo ihr Mann, der später zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, sie aufspürte. Die Familie kam aus Herne. 80 Prozent der Bewohnerinnen heute kommen von außerhalb, manche sogar aus anderen Bundesländern. Immer häufiger kommen Frauen mit einer schwierigen Geschichte ins Frauenhaus. Vermehrt spielen Menschenhandel und Prostitution eine Rolle. Bringt die Polizei Frauen aus Rumänien oder Bulgarien im Frauenhaus unter, dann geht es meist um Migrantinnen, denen eine Abschiebung ins Heimatland bevorsteht. Vier Vollzeitstellen gibt es inzwischen wieder im Dorstener Frauenhaus, das auf seiner Wunschliste ganz oben die „bundes- oder landeseinheitliche Finanzierung der Frauenhäuser“ stehen hat. Denn immer wieder suchen Frauen Schutz im Frauenhaus, bei denen die Finanzierung ihres Aufenthaltes nicht gesichert ist.

Mehr prügelnde Ehemänner: Frauenhaus wurde 2017 häufiger aufgesucht

Leiterin Carla Horstkamp

Viele Gewaltopfer blieben 2017 besonders lange im Frauenhaus. Gewalt gegen Frauen ist weltweit die häufigste Menschenrechtsverletzung, prangern die autonomen Frauenhäuser in einer Pressemitteilung an. Die Leiterin des Dorstener Frauenhauses, Carla Horstkamp, kommt seit 13 Jahren mit misshandelten, gequälten, niedergeschlagenen Frauen und Kindern in Berührung. Sie hat auch an einer wissenschaftlichen Studie mitgewirkt, die 2013 von Prof. Ruth Becker auf einer Fachtagung der Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser präsentiert wurde. Die wichtigsten Ergebnisse: „Die Leistungen der Frauenhäuser werden von den Frauen positiv wahrgenommen. Die allermeisten Frauenhausbewohnerinnen fühlen sich im Frauenhaus sicher vor Nachstellungen ihrer Männer. Wenn die Bewohnerinnen genügend Zeit haben, das Erlebte zu verarbeiten und ihre eigenen Möglichkeiten zu reaktivieren, ist die Chance sehr groß, dass sie ihrem gewalttätigen Partner dauerhaft den Rücken kehren.“
Im Gegensatz zu früheren Jahren bleiben Frauen deutlich länger im Frauenhaus Dorsten. Früher kamen Frauen für drei Wochen, dann sind sie wieder gegangen, um sich wenig später wieder in die Obhut des Frauenhauses zurückzubegeben. Auch nach dem NRW-Regierungswechsel hat das Frauenhaus im Sommer 2017 eine Erhöhung der Personalkostenpauschale von 2,5 Prozent erhalten, d. s. 3225 Euro zusätzlich. Dennoch sei die Finanzierung des Hauses jedes Jahr eine Hängepartie, so Carla Horstkamp. Die Grünen-Kreistagsabgeordnete Elke Marita Stuckel-Lotz forderte im Dezember 2017 einen Zusammenschluss der Frauenhäuser auf Vereinsebene, um die Finanzierung besser sicherzustellen. Denn, so die Kreispolitikerin: „Die Häuser kämpfen ums Überleben.“

Gewalt gegen Frauen hört nicht auf – vier Schicksale

68 Frauen suchten 2019 Schutz und Zuflucht im Frauenhaus. Vier anonymisierte Einzelschicksale zeigen, warum das Dorstener Frauenhaus wichtig ist. Welche Schicksale verbergen sich hinter den Zahlen, die das Frauenhaus-Team alljährlich veröffentlicht? Die „Dorstener Zeitung“ veröffentlichte anonymisiert vier Fallbeispiele aus dem Dorstener Frauenhaus. zur Redakteurin Claudia Engel: „Die Schilderungen im Telegrammstil könnten so oder ähnlich auf die 64 anderen Frauen zutreffen, die sich vor der Gewalt, vor den Nachstellungen oder den psychischen Misshandlungen ihrer Männer oder Lebenspartner ins Dorstener Frauenhaus geflüchtet haben.
Fall 1: Frau, 22 Jahre alt, ein Sohn. Lebte mehrere Monate im Frauenhaus, da sie Opfer häuslicher Gewalt war. Wegen des gemeinsamen Sohnes kam es zu Kontakten mit dem gewalttätigen Expartner. Nach wenigen Tagen Abwesenheit kehrte sie schwer misshandelt, aber ohne ihr Kind ins Frauenhaus zurück. Aus Sicherheitsgründen musste sie die Schutzeinrichtung wechseln. Fall 2: Frau, 37 Jahre alt, zwei Kinder. Mietschulden, da sie ihre Wohnung wegen häuslicher Gewalt und Unterbringung im Frauenhaus verlassen musste. Sie findet wegen negativer Schufa-Auskunft keinen neuen Wohnraum. Fall 3: Frau, 32 Jahre alt, zwangsverheiratet, zwei Kinder. Sie wurde vom Ehemann und dessen Familie wie eine Sklavin gehalten. Die Frau kämpft um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre beiden Kinder, um sich ein neues Leben aufbauen zu können. Fall 4: Frau, 43 Jahre alt. Sie schaffte es nach acht Aufenthalten in verschiedenen Frauenhäusern, darunter auch Dorsten, sich von ihrem gewalttätigen Ehemann endgültig zu lösen und eine eigene Wohnung zu beziehen.
Wie viel Leid und Demütigungen diese Frauen ertragen haben, bis sie sich entschlossen, ins Frauenhaus zu flüchten, kann man nur erahnen. Glücklicherweise ist keine dieser Frauen zu Tode gekommen. Dass das Phänomen partnerschaftlicher Gewalt in Deutschland in den vergangenen Jahren zugenommen hat und Frauenhäuser als Schutzburgen für Frauen und ihre Kinder weiterhin wichtig sind, lässt sich aus dem jüngsten Jahresbericht Partnerschaftsgewalt/Kriminalitätsstatistik ablesen, den das Bundesfrauenministerium im November 2019 präsentiert hat. In den Straftatenbereichen Mord und Totschlag, Körperverletzungen, sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Bedrohung, Stalking und Nötigung, Freiheitsberaubung, Zuhälterei und Zwangsprostitution ist die Zahl der registrierten Opfer zwischen 2014 und 2018 insgesamt um 11,5 Prozent angestiegen – 2014: 126.230 Personen; 2018: 140.755 Personen (Quelle: Nach Claudia Engel in DZ vom 28. Dez. 2019).

Landesregierung will 2019 mehr Plätze in Schutzeinrichtungen schaffen

Angesichts der steigenden Gewalt gegen Frauen will die schwarz-gelbe Landesregierung die Zahl der Plätze in Frauenhäusern erhöhen und neue Häuser bauen. Außerdem werde für Nordrhein-Westfalen erstmals eine Dunkelfeldstudie zu Gewalt gegen Frauen in Auftrag gegeben. Mindestens 50 zusätzliche Plätze würden in den Frauenhäusern geschaffen. Derzeit gibt es in den gut 60 landesgeförderten Einrichtungen rund 570 Plätze. Bis Anfang 2019 würden zunächst zehn neue Plätze eingerichtet, sagte die Ministerin. Auch die Mittel für die Frauenhäuser sollen um knapp eine Million Euro 2018 und 2019 erhöht werden. In NRW fehlten nach internationalen Konventionen mehr als 1000 Frauenhausplätze. Nach Zahlen des Bundeskriminalamtes versucht im Schnitt jeden Tag ein Mann in Deutschland, seine Partnerin oder Ex-Partnerin zu töten. Im vergangenen Jahr starben dabei 147 Frauen. Hinzu kommen Tausende Fälle von Vergewaltigung, Körperverletzung, Stalking und sexueller Nötigung. Fast 140.000 Fälle von Gewalt in der Partnerschaft wurden 2017 angezeigt. Die Dunkelziffer ist weitaus höher (1. Dez. 2018, dpa).

Corona-Pandemie: Mehr Opfer suchen Schutz vor häuslicher Gewalt

Mit Beginn der Corona-Lockerungen Mitte 2020 suchten wieder mehr Frauen Schutz vor häuslicher Gewalt. Die Landesregierung hatte zuletzt über sinkende Zahlen häuslicher Gewalt während der Pandemie berichtet. Die  Zahl der Fälle häuslicher Gewalt sank im Juni landesweit tatsächlich um fast ein Drittel gegenüber dem Vorjahresmonat auf 2638. Dazu eine Erklärung: Weil etwa berufliche Stressfaktoren weggefallen seien, sei es ihrer Einschätzung nach anfangs tatsächlich zu weniger Gewalt gekommen. Je länger jedoch der Lockdown und die Phase der Isolation gedauert haben, desto schwieriger sei die Situation für viele Frauen geworden. Die meisten Frauenhäuser seien wieder voll belegt.

40 Jahre Frauenhaus: „Die Gewalt gegen Frauen hat sich verändert“

Der Verein „Frauen helfen Frauen“ und das Frauenhaus Dorsten feierten am 8. März 2023 ihr 40-jähriges Bestehen. In dieser Zeit haben die Mitarbeiterinnen viel Schreckliches erlebt, aber ein Vorfall hat sie besonders schockiert: der Mord im Jahr 2008, als in Dorsten eine Frau auf der Essener Straße von ihrem Ehemann bestialisch umgebracht wurde.
In den vergangenen Jahren hat sich nach Ansicht der Organisatorinnen die Art und Weise der Gewalt verändert. Frauen haben den Schutz des Frauenhauses gesucht, die massive Gewalt erfahren hatten, auch mit versuchten Tötungsdelikten. Mitarbeiterinnen des Frauenhaueses müssen mit vielen Problemen klarkommen, wie etwa Sprachbarrieren. Im letzten Jahr waren 30 Frauen aus zwölf verschiedenen Herkunftsländern im Haus. Daher können Frauen im Frauenhaus Deutsch lernen. Das Team wird ehrenamtlich von einer Deutschlehrerin unterstützt. Bei der Gründung vor 40 Jahren war die Dorstener Einrichtung die einzige im Kreis Recklinghausen gewesen. Das Team besteht derzeit aus vier Vollzeitkräften. Barbara Klaus-Krämer arbeitet dort seit fast 25 Jahren, Nadine Kötters seit fünf, Sabine Fortmann seit zehn und Lina Kania seit drei Jahren. Über die gesamte Zeit hinweg hatte das Frauenhaus 5245 Frauen und Kinder aufgenommen. Dabei war die Finanzierung immer noch nicht einfacher geworden. Um ihr Jubiläum zu feiern, wurde die Fotoausstellung „Auf der Schwelle – Leben im Frauenhaus“ gezeigt. Zu sehen waren in der Volksbank bis Ende März 35 Bilder der Herner Fotografin Brigitte Krämer, die Einblicke in verschiedene Frauenhäuser gaben.

Mehr Frauenhaus-Plätze für gewaltbetroffene Frauen

Anlässlich des 40-jährigen Bestehens machte das Team des Frauenhauses Dorsten auf die Kampagne „Rauf die Plätze, fertig, los!“ der Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser in NRW aufmerksam. Die Forderungen sind klar: Platzmangel, Zutrittshürden und Barrieren in Frauenhäusern müssen abgeschafft werden. Den Auftakt der Kampagne machte das Team des Frauenhauses mit einem Stand a, Treffpunkt Altstadt am 11. März. Zudem ist die Ausstellung „Auf der Schwelle“ um eine Woche bis zum 16. März 2023 in der Dorstener Volksbank am Südwall verlängert worden.

Die Adressen der Frauenhäuser werden nicht öffentlich weitergegeben. Leider weiß fast jeder Taxifahrer, wo die Frauenhäuser liegen. Betroffene suchen darum in der Regel Hilfe in anderen Städten.
Frauenhaus Datteln :
Notrufnummer: 02363-61883, Büro: 02363-569839
E-Mail: fhh@diakonie-kreis-re.de
Frauenhaus Herten :
Notrufnummer: 02366-106767, Büro: 02366-106768
E-Mail: fhh@diakonie-kreis-re.de
Frauenhaus Dorsten:
Tel.: 02362-41055
E-Mail: info@frauenhausdorsten.de
Frauenhaus Recklinghausen:
Tel.: 02361-656996
E-Mail: frauenhaus-re@t-online.de
Frauenhaus Castrop-Rauxel:
Tel.: 02305-41793
E-Mail: kontakt@fh-rauxel.de

Spenden der Mitarbeiter des Repair-Cafés an das Frauenhaus

Die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Repair-Cafés in Dorsten übergaben eits im Februar 2024 Spenden für soziale Einrichtungen in Dorsten. Für das Frauenhaus Dorsten wurde Sabine Fortmann ein Scheck in Höhe von 500 Euro übergeben und der Jugendhilfe Hervest wurde ein Scheck in Höhe von 1000 Euro überreicht.

  • Spenden für das Frauenhaus können eingezahlt werden auf Konto 101 501 4671 bei der Sparkasse Vest in Dorsten, BLZ 426 501 50. Wer einen (oder mehrere) „Schutzengel“ kaufen möchte, sollte das auf der Überweisung vermerken, wer eine Spendenquittung benötigt, auch seine Postanschrift angeben. Infos zum Frauenhaus: 02362 / 410 55.

Mehr Plätze in Frauenhäusern auf EU-Ebene im Jahr 2023 beschlossen

Zum Weltfrauentag am 8. März 2023 hat der EU-Haushaltsausschuss in Brüssel den Weg für eine Verdreifachung der Kapazitäten geebnet. Die NRW-Familienministerin begrüßt den Schritt, warnt aber vor zu hohen Erwartungen. Nach Angaben des NRW-Innenministeriums hat sich das Problem der häuslichen Gewalt seit 2017 massiv ausgeweitet. Im Jahr 2022 war die Zahl der Fälle um 28,5 Prozent auf knapp 33.700 gestiegen. Künftig soll nach dem Willen der EU-Haushälter ein Familienplatz je 10.000 Einwohner finanziert werden. Das bedeutet für Deutschland eine Verdreifachung der Frauenhausplätze. Hierzulande gibt es derzeit bis zu 6800 Plätze für Frauen und Kinder. Bei 83 Millionen Bundesbürgern würden künftig 8300 Familienplätze finanziert. Jeder Familienplatz wird im Schnitt mit zweieinhalb Betten für Frauen und ihre Kinder berechnet. Somit würden rund 21.000 Betten finanziert. Das entspräche einer Verdreifachung der heutigen Ausstattung. In NRW gibt es nach Angaben des Familienministeriums 666 Plätze in 67 Frauenhäusern.

„One Billion Rising“: Ein Zeichen gegen geschlechtsspezifische Gewalt

Zur weltweiten Kampagne „One Billion Rising“ gab es auch wieder eine Aktion in Dorsten: Das Frauenhaus und die Gleichstellungsstelle der Stadt veranstalteten am 14. Februar 2024  eine Kundgebung und einen „Flashmob“ im Rahmen der weltweiten „One Billion Rising“-Veranstaltungen auf den Marktplatz in der Dorstener Innenstadt. Bürgermeister Tobias Stockhoff, die Gleichstellungsstelle und das Frauenhaus Dorsten machten damit ein deutliches Zeichen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. Teilgenommen haben neben interessierten Bürgern auch Schulen, Tanz-, Yoga- und Fitnessstudios und unterstützten die Veranstaltung (tanz-)kräftig. „One Billion Rising“ bezieht sich auf eine statistische Aussage der UN, nach der jede dritte Frau in ihrem Leben Opfer von sexueller oder schwerer körperlicher Gewalt wird. Damit wird nicht nur das Ende dieser geschlechtsspezifischen Gewalt gefordert, sondern auch die konsequente Verfolgung und Bestrafung dieser. Der Song „Break the chain“ (dt.: Sprengt die Ketten) von Tena Clark wurde zur Hymne der Kampagne und in viele verschiedene Sprachen übersetzt. „Die Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen ist vielseitig und es handelt sich nicht um Einzelfälle. Als Gleichstellungsstelle ist es uns ein sehr wichtiges Anliegen, darauf aufmerksam zu machen und uns dagegenzustellen.

Siehe auch: Ehrenmord (Essay)


Quelle: Ute Hildebrand-Schute „81 Frauen flüchteten ins Frauenhaus“ in der WAZ vom 25. März 2011. – Dies. „108 Frauen suchten Schutz im Frauenhaus“ in der WAZ vom 27. März 2013. – Claudia Engel in DZ vom 30. Dezember 2017. – dpa-Meldung vom 1. Dez. 2018. – Claudia Engel in DV vom 9. Juli 2020.

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