Franz. Verwaltung

1811 / 14: Wirtshausschilder, Zeitungen und Eingaben waren zweisprachig

Um die Kontinentalsperre der Engländer zu durchbrechen, machte Napoleon die deutschen Gebiete an der Küste zu Gebieten des Kaiserreichs und teilte das neu erworbene Gebiet nach französischem Vorbild in Departements, Arrondissements, Kantone und Mairien ein, die von Präfekten, Unterpräfekten und Maire (Bürgermeister) geleitet wurden. Der französische Teil des vormaligen Stifts Münster kam anfangs zum Departement der Oberyssel in Arnheim; doch schon 1811 wurde das Lippe-Departement in Münster mit den Arrondissements Münster, Rees und Steinfurt geschaffen.

Kanton Dorsten gehörte zum Arrondissement Essen

Westfalen in französischer Zeit

Westfalen in französischer Zeit

Die neuen Landesgrenzen nahmen weder Rücksicht auf geschichtliche noch wirtschaftliche Verhältnisse. Im Großherzogtum Berg umfasste das Ruhr-Departement die Grafschaft Dortmund, Limburg, Rheda und den südlichen Teil des Fürstentums Münster, der in die Arrondissements Dortmund, Hamm und Hagen zerfiel; die Hauptstadt war Dortmund. Nördlich schloss sich das Departement Ems an, das sich mit dem Sitz in Münster über den nördlichen Teil des Fürstentums, Tecklenburg, Lingen, Steinfurt, Rheine-Wolbeck und Horstmar erstreckte, unter ihm die Arrondissements Münster, Coesfeld und Lingen. Zum östlich gelegenen Rhein-Departement gehörte das Arrondissement Essen mit den Kantonen Dorsten und Recklinghausen. Die übrigen Gemeinden der Herrlichkeit gehörten zum Kanton Haltern, das dem Arrondissement Münster und dieses dem Lippe-Departement angeschlossen war. Das Vest wurde 1810 dem Arrondissement Essen unterstellt und in die beiden Kantone Recklinghausen und Dorsten gegliedert, zu Letzterem die Mairien Dorsten, Kirchhellen, Bottrop und Buer gehörten. Jedem Maire standen zwei Adjoinsis (Beigeordnete) und als beratende Körperschaft ein Munizipalrat zur Seite. Die Bauerschaft Ekel kam zu Dorsten (bis 1820). Nach dem Übergang an Preußen entstand 1816 der Kreis Recklinghausen. In französischer Zeit trugen die Wirtshausschilder französische Namen, die Zeitungen erschienen zweisprachig und die Eingaben an Behörden mussten ebenfalls in beiden Sprachen abgefasst sein. Arbeiten der Einheimischen für Behörden (Hand- und Spanndienste) wurden mit Franc-Stücken bezahlt und die Zollgrenze verlockte zu einem einträglichen Schmuggelhandel. Als Männer 1812 zum französischen Militär eingezogen wurden, kam es zu Tumulten, die sich gegen die französischen Gendarmen richteten.

Was blieb von Napoleon übrig?

Unbeirrt ließ Napoleon zwischen 1806 und 1813 im Rheinland und in Westfalen Fakten schaffen, „die unumkehrbar blieben“, wie der Historiker Professor Engelbrecht heute resümiert. Das gilt auch für die Zeit ab 1815, da die Preußen eher widerwillig die „Wacht am Rhein“ übernahmen. Engelbrecht nennt Beispiele der französischen Hinterlassenschaft: 1) „Die ständische Feudalstruktur wurde zerschlagen. Nicht mehr die adlige Herkunft entschied über die Mitwirkung im Staat, sondern die Höhe der Steuerzahlung. Insoweit war das die Geburt des Leistungsprinzips.“ 2) „Napoleons Notablengesellschaft erlebte ihre Fortsetzung in den Landtagen und Kreistagen, die Preußen nach 1815 neu einrichteten.“ 3) „In Folge der Säkularisierung und der Entmachtung des Adels schuf Napoleon in unserem Land den ersten blühenden Grundstücksmarkt: Wohlhabende Bürger erwarben Adelssitze und stiegen so in den neuen Stand der Rittergutsbesitzer auf, Industrielle bauten Fabriken auf einst kirchlichen Ländereien.“ 4) „Die wahrscheinlich nachhaltigste Reform war die Einführung des ‚Code Napoleon’, des bürgerlichen Rechts. Dieses Gesetzbuch galt in seinen wesentlichen Teilen auch nach der Machtübernahme durch Preußen weiter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Das folgende Bürgerliche Gesetzbuch in Deutschland hat viel vom französischen Vorbild übernommen.“ – Eine Ahnung von Freiheit und Bürgerwürde zog mit Napoleon durch das Land. Obwohl in den Kriegen des Korsen Familien ihre Väter und Söhne, Industrielle und Händler ihre Kundschaft verloren hatten, blieb gerade im Rheinland die Hochachtung vor Napoleon lange erhalten. Historiker Engelbrecht: „Die Napoleon-Büsten in den Wohnzimmern konnte damals niemand zählen.“ – Das erinnert doch an den späteren Adolf Hitler!

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